Fluchtursache

Perspektivlosigkeit und Armut

700 Millionen Menschen weltweit leiden unter extremer Armut. In Deutschland liegt die Lebenserwartung dreißig Jahre höher als in manchen afrikanischen Staaten.

Armut macht krank – und Krankheit macht arm. Weltweit leiden über 700 Millionen Menschen unter extremer Armut. Das heißt, dass mehr als jeder zehnte Mensch hungrig schlafen geht. Doch selbst wenn Menschen „genug zum Überleben“ haben, bedeutet das nicht, dass sie ein Leben unter menschenwürdigen Bedingungen führen können. Wenn Menschen keinen Zugang zu gesunder Ernährung haben, zu sauberem Wasser und sanitären Anlagen, zu guten Arbeitsbedingungen und Bildung, gilt ihr Recht auf Leben nur eingeschränkt. Die Ungleichheit kann beziffert werden: In Mali sterben 86 von 1.000 lebend geborenen Kindern bevor sie das fünfte Lebensjahr erreichen. In Deutschland sind es drei. Auch die Lebenserwartung verdeutlicht die soziale Spaltung: Wer in Deutschland lebt, wird durchschnittlich 82 Jahre alt, in Sierra Leone nur 61 – also 21 Jahre weniger.

Die Unterschiede zeigen sich auch im Zugang zu medizinischer Versorgung. Nur in wenigen Ländern des globalen Südens gibt es ein funktionierendes, allgemein zugängliches Gesundheitssystem, vielerorts fehlt es an Fachpersonal. In Mali etwa muss sich ein Arzt oder eine Ärztin im Schnitt um 10.000 Menschen kümmern, in Deutschland sind es 44 Ärztinnen und Ärzte. Die heutige Misere ist auch dadurch entstanden, dass zahlreiche Staaten die Ausgaben für Gesundheit massiv gekürzt haben. Dazu waren sie u.a. aufgrund der Strukturanpassungsprogramme gezwungen, die ihnen von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds als Bedingung für Kreditvergabe oder Schuldenerlass auferlegt worden waren. Öffentliche Krankenhäuser wurden geschlossen oder an private Anbieter abgetreten, bei denen jede Leistung von den Patientinnen und Patienten bezahlt werden muss. Wer arm ist, findet oftmals gar keinen Arzt und keine Ärztin oder kann sich die Behandlung und die Medikamente nicht leisten. Viele verschulden sich und sind am Ende ärmer als zuvor. All das müsste nicht sein, denn es ist genug für alle da. Allerdings ist der Reichtum extrem ungleich verteilt.

Der ungleiche Zugang zu Gesundheit hat sich auch in der Corona Pandemie deutlich gezeigt. Während 80 Prozent des Impfstoffes an G20-Länder ging, erhielten Länder mit niedrigem Einkommen weniger als ein Prozent des weltweit verfügbaren Impfstoffes. Hieran hat ihre Einbindung in den Weltmarkt nichts geändert – im Gegenteil. Zwar haben die Internationalisierung der Produktion und Freihandel auch Wohlstand geschaffen und soziale Aufstiege ermöglicht. Gleichzeitig aber haben sie die sozialen Ungleichheiten verschärft: Im Zuge der Corona-Pandemie hat sich das Vermögen der zehn reichsten Männer verdoppelt, während sich das Vermögen der restlichen 99 Prozent verschlechtert hat. Die zehn reichsten Männer verfügen über den gleichen Reichtum wie die ärmsten 40 Prozent der Weltbevölkerung, also rund 3,2 Milliarden Menschen.

Flucht ist für die Allerärmsten oft kein Ausweg. Denn wer nicht genug zu essen und zu trinken hat, kann sich die Kosten einer Flucht nicht leisten. Daher migrieren oft eher diejenigen, die mindestens über das Allernötigste verfügen, vor Ort aber keine Perspektive mehr sehen. Auswanderung einzelner Angehöriger ist zu einer Überlebensstrategie für ganze Familien geworden. So sind in den vergangenen Jahren Tausende philippinische Krankenschwestern ausgewandert. Während sie zuhause durchschnittlich 146 US-Dollar im Monat verdienen, sind es in den Golfstaaten 500 Dollar, in den USA 3.000 Dollar (Zahlen von 2003). Die zurück gebliebenen Familien leben davon, dass wenigstens eine Tochter im reichen Norden untergebracht werden konnte und Geld nach Hause schickt.

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Veröffentlicht am 15. April 2023

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