Brasilien startet Generika-Produktion des Aids-Medikaments Tenofovir

Erfolg für ABIA

Patente und ihre zunehmende Globalisierung sind heute ein strategisches Instrument zur Sicherung ökonomischer Vorherrschaft. Es geht längst nicht mehr nur um Innovation, sondern vorrangig um die Sicherung der eigenen Marktinteressen. Auf die tödlichen Konsequenzen dieser Wirtschaftspolitik, die die Verteilung von Armut und Reichtum in der Welt zementiert, wird dabei keine Rücksicht genommen. Um dieser Tendenz Einhalt zu gewähren engagiert sich medico mit ihren Partnern schon seit mehreren Jahren in Brasilien, das bei der Behandlung von AIDS Kranken mit eigenen Generika-Medikamenten schon in den 90er Jahren eine Vorreiterrolle eingenommen hat.

In diesem langjährigen Kampf wurde jetzt eine neue Schlacht erfolgreich geschlagen: Nachdem das Brasilianische Patentamt (INPI) den Patentantrag des Konzerns Gilead auf den Wirkstoff Tenofovir im Jahr 2008 abgelehnt hatte, hat nun die Produktion des Medikamentes durch eine öffentliche Pharmafirma begonnen und ist ab Ende des Monats verfügbar. Die medico-Partnerorganisation ABIA (Associação Brasileira Interdisciplinar de AIDS) war an diesem langen Rechtsstreit zentral beteiligt und darf einen bedeutenden Erfolg in der Auseinandersetzung um Pharma-Patente und den Zugang zu AIDS-Medikamenten vermelden.

Eine kurze Stellungnahme der medico-Partnerorganisation ABIA zum Erfolg:

In Brasilien wird Tenofovir von ca. 64.000 AIDS-Patienten und von 1.500 Patienten mit Hepatitis C verwendet. Inzwischen ist diese Medizin die zweitteuerste in der Sparte der Aidsmedikamente. Am 9. Februar 2011 wurde die innerstaatliche Produktion durch das Gesundheitsministerium bekanntgegeben. Zunächst sind die Produktionskosten des Medikaments gleich der internationalen Version (R$ 4.02), allerdings sind in den nächsten fünf Jahren voraussichtliche Einsparungen von $ 440 Millionen zu erwarten.

Wichtiger allerdings als die kurzfristige Reduzierung der öffentlichen Medikamentenkosten ist der längerfristige Anreiz zu niedrigen Preisen, sagt Zich Moyses, Mitglied des Gesundheitsministeriums. „Der große Vorteil der inländischen Produktion ist die Internalisierung der Technologie um die Wettbewerbsfähigkeit in diesem Wirtschaftssektor zu steigern“, sagte er. Die Herstellung erfolgt durch das öffentliche Labor Fundação Ezequiel Dias (Funed). Mit dieser Erweiterung kann Brasilien nun 10 der 20 benötigten AIDS Medikamente selbst produzieren. Die Produktion der ersten Medikamentenreihe fängt nächste Woche an. Es wird erwartet, dass das Medikament bis Ende März für die Patienten zur Verfügung steht. Die Produktion wird ausreichen um die gesamte nationale Nachfrage zu befriedigen. Dieser Erfolg hat eine große Bedeutung zur langfristigen Sicherung des AIDS-Behandlungsprogramms für alle Erkrankten.

Zivilgesellschaftliche Gruppen hatten entscheidenden Einfluss auf diesen Prozess, indem sie qualifizierte Einsprüche gegen die Patentierung während der Prüfung der Patentanfrage durch das INIPI (Brasilianisches Patentamt) erhoben. Sie unterstützen jetzt auch die nationale Produktion von Tenofovir. Renata Reis, Rechtsanwältin von ABIA und Leiterin der Arbeitsgruppe für geistiges Eigentum (GTPI) gab in einem Interview der Zeitung Correiobraziliense folgende Einschätzung: „Die Behandlung von AIDS und Hepatitis für Alle wird leichter realisierbar, wenn nationale Industrieunternehmen die Produktion der Medikamente angehen. Das Hauptanliegen ist, das Programm auf bestmögliche Art und Weise beizubehalten, ohne Missbräuche von den pharmazeutischen Unternehmen“.

Veröffentlicht am 03. März 2011

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