Gegen die Zivilbevölkerung

Syrien: Schlachtfeld der Zukunft

Eine bunkerbrechende Bombe auf eine von medico und adopt a revolution unterstützte Schule, die zynische Aufteilung Syriens und steigende Waffenexporte in die Region. Von Katja Maurer

Eine Bombe, die erst explodiert, wenn sie den letzten Winkel erreicht, in dem man vor ihr Zuflucht sucht, ist ganz und gar eine Waffe gegen die Zivilbevölkerung. Eine solche „bunkerbrechende Bombe“ hat die russische Armee am 19. März auf eine der Untergrund-Schulen im syrischen Erbin, in Ost-Ghouta, abgeworfen, die medico gemeinsam mit der Berliner Initiative adopt a revolution seit vielen Jahren unterstützt. Seit 2013 besuchten regelmäßig über 5000 Kinder diese Schulen, die mit einem eigenen Lehrplan und zum Teil mit von syrischen Landsleuten in Deutschland übersetztem Lehrmaterial arbeiteten. Die säkularen Schulen im seit Jahren von der syrischen Armee belagerten Erbin waren ein Symbol für die Sehnsucht nach Demokratie, die denkende Bürgerinnen und Bürger zur Voraussetzung hat. In den Kellern wurde dieses Denken zwischen den Fronten des Bürgerkriegs gelehrt. Diese Bombe war mitten hinein platziert. Es starben mindestens 15 Kinder.

Den Türken Afrin – Assad Ost-Ghouta

Seit Wochen läuft der russisch-syrische Angriff auf Ost-Ghouta, ein von verschiedenen Rebellengruppen gehaltenes Gebiet am Rande von Damaskus, in dem heute etwa 400.000 Menschen leben und zu dem auch Erbin gehört. Die Verschärfung der Angriffe im Februar dieses Jahres mit einer vollständigen Blockade der großen Region, täglichen Bombardierungen und Raketenbeschuss läuft nicht zufällig parallel zum türkischen Einmarsch in Syrien und der mittlerweile erfolgten Besetzung Afrins. Ein Teil der Milizen in Ost-Ghouta wurden durch die Türkei finanziert und es ist davon auszugehen, dass die Freigabe des Luftraums über Afrin durch die russischen Truppen, die ihn zuvor kontrollierten, eine Art Deal war: Den Türken Afrin – Assad Ost-Ghouta.

Was aber neben dieser Aufteilung Syriens zwischen verschiedenen Machtinteressen an diesem Krieg so exemplarisch wie erschreckend ist, ist die Bereitschaft zu einer die Zivilbevölkerung vernichtenden Kriegsführung unter dem Deckmantel der Terrorbekämpfung. Dieser zynische Begründungszusammenhang aus Terrorbekämpfung und zivilen „Kollateralschäden“ ist schon lange in der Welt, hat aber in Syrien mit dem regelmäßigen Einsatz von Giftgas und den bunkerbrechenden Bomben, die die USA auch schon in Afghanistan eingesetzt haben, eine neue Qualität erreicht. Denn während die Zivilbevölkerung von Aufklärungsdrohnen verfolgt und von Bomben und Raketen gejagt wird, werfen Flugzeuge der Regierungstruppen folgende Zettel auf das Gebiet: „Wenn ihr dieses Gebiet nicht sofort verlasst, werdet ihr ausgelöscht.“

Rüstungsexporte in die Konflikregion

Aber bevor das antirussische Sentiment, das man in Deutschland immer abrufen kann, zu viele Volten schlägt, noch ein Hinweis: Syrien ist ein Stellvertreterkrieg um die neue Ordnung im Nahen Osten. Der Nahe Osten ist die militarisierteste Zone der Welt. Die Rüstungsimporte haben sich in den vergangenen fünf Jahren verdoppelt. Hauptexporteure für Waffen, die wesentlich die Zivilbevölkerung treffen, sind Westeuropa und die USA. Deutschlands Rüstungsexporte in die Region haben sich zwischen 2013 und 2017, so vermeldet das schwedische Friedensforschungsinstitut Sipri, verdoppelt. An einem Krieg, der jedes Völkerrecht bricht, lässt sich immer noch gut verdienen. Die Leopard-Panzer in Afrin sind dafür nur ein Symbol.

Veröffentlicht am 22. März 2018
Katja Maurer

Katja Maurer

Katja Maurer leitete 18 Jahre lang die Öffentlichkeitsarbeit von medico international und die Rundschreiben-Redaktion. Heute bloggt sie regelmäßig auf der medico-Website.


Jetzt spenden!