Übersetzung: Iain Galbraith,
zahlreich ausgezeichneter Lyriker,
Essayist, Herausgeber und Übersetzer.
Zu schreiben begann ich nicht als Schriftsteller. Es war nie meine Absicht, mich mit diesem Beruf zu identifizieren, oder mir eine literarische Identität zuzulegen. Ich schrieb nur, weil das Schreiben mir eine Luft schenkte, die ich atmen konnte. Es ermöglichte mir, den Tag zu gestalten, überwältigende Emotionen zu strukturieren und aus dem endlosen Chaos einen Raum der Stille vorübergehend herauszuschneiden. Das Schreiben war kein Fenster auf die Welt, sondern ein Fenster zu mir selbst. Und als die Sprache in mir wuchs, spürte ich, wie ich endlich einen Freund auf diesem brutalen Planeten gefunden hatte, einen, der mir zuhörte, ohne sich abzuwenden, der mir das Gefühl gab, der Welt für kurze Zeit entkommen zu können.
Ich hatte nie erwartet, dass dieser Freund eines Tages schweigen würde. Nicht, weil ich nicht länger schreiben wollte, sondern weil ich nicht länger konnte.
Und der Grund dafür?
Ich hungere.
Seit der Genozid in Gaza begann, habe ich alles in Frage gestellt. In mir geriet alles ins Wanken, was mir wert war und mich geformt hatte. Sogar das Schreiben – jene tiefsitzende Kraft, von der ich zehrte, um Angst, Vertreibung und Trauer zu widerstehen – fühlte sich zerbrechlich an, in Auflösung begriffen. Krieg ist etwas Seltsames. Er zerstört nicht nur Wohnungen, sondern zieht dir den Boden unter den Füßen hinweg und wischt das winzige Sicherheitsgefühl fort, das du dir zum Trost im Zimmer zurechtgelegt hattest.
Aber weißt du, was das besser kann als der Krieg?
Hunger.
Ich fragte mich immer wieder: Hat das Schreiben noch einen Sinn? Was nützt es, Sätze zu stapeln, wenn sich Leichen unter den Trümmern anhäufen? Was bedeutet es, über Schönheit und Liebe in einer Welt zu schreiben, die dich aushungert und der dein Schmerz egal ist?
Doch es gab in mir etwas, das diesem Zusammenbruch widerstand. Ich schrieb, sogar als wir vertrieben wurden, sogar unter dem Donner der Bomben. Ich schrieb über die Kinder, die verschwunden waren, über die Leichentücher, die uns für die Toten fehlten, über die Häuser, die sich in Staub verwandelten. Ich schrieb durch die Erschöpfung hindurch, durch die Trauer, durch die Angst.
Aber niemals durch den Hunger.
Bis März 2025.
Es war dann, als der Hunger sich in meinem Körper einnistete. Er klopfte nicht nur an meine Tür. Er brach meine Brust auf und saß in mir.
LEERE
Der Hunger, den ich erlebe, ist nicht das, was ich mir vorgestellt hatte. Es ist nicht das, was Sie sich vorstellen, liebe Leserin. Nicht nur das Gefühl von Leere im Bauch. Es ist eine Taubheit, die vom Darm aufs Gehirn übergreift, Erinnerungen sich eintrüben lässt, das Sehvermögen entkräftet und jeden Denkversuch in eine unerträgliche Aushöhlung des Bewusstseins verwandelt. Hunger stiehlt einem die einfachsten menschlichen Fähigkeiten: Konzentration, Geduld, Empfindung, den Wunsch, etwas zu sagen. Denken wird zum Luxus. Wörter bekommen ein Gewicht, das keiner heben kann.
Der Hunger, den ich jetzt in mir spüre und der mich ganz verschlingt, ist eine Austreibung der Geborgenheit, der inneren Ruhe. Er bestimmt das Selbst neu, das jetzt schon nahe am Verschwinden ist.
Vor wenigen Tagen sagte ich meiner Verlegerin, dass mir die Ideen ausgegangen seien. Keine neuen Vorschläge. Nicht einmal eine Zeile könnte ich jetzt durchs Nadelöhr fädeln, wie es meine Worte einst schafften.
Ihrem Rat folgend entschied ich, darüber zu schreiben: meine geistige Auszehrung, meine Gebrechlichkeit, meine Zerrüttung. Mein neuer Antrieb – der Schmerz – ist etwas, das ich so noch nie gekannt habe.
Ich schreibe inzwischen einen Satz, dann höre ich auf. Nicht, weil ich ihn überdenken will, sondern weil mir die geistige Kraft fehlt, einen neuen zu schreiben. Von Hunger wird man langsam zermalmt. Es ist, als würde man allein in einer Wüste sterben, die kein Fuß berührt hat. Ich kann nicht richtig schlafen, zum Lesen kann ich nicht lang genug sitzen. Ich spüre, wie ich auseinander falle. Und das Schreiben, das mich einmal zusammenhielt, kann das langsame Zerfallen nicht aufhalten.
HUNGERN IM KOLLEKTIV
Beim Hunger stirbst du allein. Du brichst seelisch zusammen. Die Gegenwart anderer hungernder Menschen bietet keinen Trost: Im Gegenteil, wenn der Hunger kollektiv erlebt wird, weißt du, dass jede Hand in deiner Umgebung schon abgeschlagen worden ist. Es kann dir keiner helfen.
Wie kann ich hierüber schreiben?
Im Norden von Gaza, wo ich lebe, ist seit März kein einziges Weizenkorn angekommen. Die Märkte sind leergefegt. Was noch an Gütern übrig bleibt, wird zum Zweihundertfachen des normalen Preises verkauft – ohne Scham. Als wären wir keine Menschen.
Wir essen nur Linsen, Reis, Bohnen aus der Dose. Nichts davon befriedigt. Linsen, das Einzige, das es gibt, sind meine Feinde geworden. Der Geschmack macht mich krank. Sie geben mir keine Energie, keine Hoffnung.
Ich überlebe mit einer Mahlzeit pro Tag. Das machen alle in Gaza. Eine Mahlzeit ohne Protein, ohne Calcium, ohne Brot, ohne Geschmack. Eine Mahlzeit, die keine Nährstoffe mehr enthält, keine Bedeutung. Dennoch muss ich täglich anstrengende Aufgaben erfüllen: Brennholz tragen, Wasser von fern holen, Treppen in den fünften Stock hinaufsteigen, Stunden lang nach einem Kilo Mehl suchen, das zwanzig US-Dollar kostet, oder nach einer Dose Sardinen, die keinen Lebensmut weckt.
Und das alles beim niedrigsten Energiepegel, den ich je gekannt habe.
Unter solchen Bedingungen ist das Schreiben kein Akt des Widerstands mehr – es wird zum Akt der Unmöglichkeit. Mein Körper stützt mich nicht. Es dreht sich alles in meinem Gehirn. Ich versuche, einen ersten Satz zu schreiben, doch mein Kopf ist so leer wie die Regale der Stadt. Keine Idee, kein Antrieb, keine innere Stimme zieht mich voran. In mir ist nichts mehr da. Der Hunger hat die Muttererde hinweggefegt, aus der einst meine Worte wuchsen.
Das Schlimmste am Hunger: Er entfremdet dich von dir selbst. Du verlierst deine Einfühlung. Du wirst taub. Du schrumpfst. Du betrachtest dein Leben, als wärst du ihm ein Fremder. Du fürchtest dich und fürchtest um dich. Nahrung wird zum existentiellen Begriff, zum mythischen Phantom. Du erinnerst dich an Geschmäcker, die du vergessen hattest. Dein Lieblingsgericht ändert sich. Eine Dose Tunfisch wird nun zum Gipfel deiner Träume. Und kochst du ihn mit einem Stück Kartoffel und etwas Tahini, dann feierst du, als wäre das die beste Mahlzeit der Welt.
ZERLEGUNG DES SELBST
Dieses Stück ist nicht nur eine Tragödie. Es handelt auch von Nacktheit, davon, dass der Hunger dir alles raubt außer deinem fragilen Selbst, dem abgeschwächten Körper, der abwesenden Sprache. Vom Gefühl, dass du für die Welt unsichtbar bist, unhörbar – und bist nicht einmal sicher, ob es jemanden interessiert, ob du lebst oder stirbst.
Während eines Genozids ist Hunger mehr als körperliche Entbehrung. Es bedeutet das: Zerlegung des Selbst. Eine langsame Auslöschung deines Lebenswillens.
Du beginnst dich zu fragen:
Was nützt das Schreiben, wenn ich mich nicht satt fühlen kann?
Was nützt das Gedächtnis, wenn ich dazu keinen Zugang finde?
Was nützt Leben, wenn jeder Tag nur der gescheiterte Versuch ist, Essen zu beschaffen, das mit Lebensmitteln keine Ähnlichkeit hat.
Wenn ich mich heute zum Schreiben hinsetze, ist es, als würde ich von einem Ort aus schreiben, der außerhalb meines Körpers ist. Es sind nicht meine Wörter, sondern Überbleibsel von demjenigen, der ich einmal war.
Ich schreibe, weil ich etwas tun muss, um zu vergessen, dass ich hungere.
Schreiben wurde zu einer Zeit der Erschöpfung – es verlangt von mir eine körperliche und psychische Anstrengung, die ich mir nicht leisten kann.
Hunger raubt dir die Sprache, genauso wie er dir Schlaf, Ruhe und Hoffnung raubt.
Und das Schlimmste von allem:
Die Welt schweigt.
Sagt gar nichts.
Als ob der Hunger, der mich umbringt, nicht gehört, nicht gesehen werden kann, als ob er keinem was bedeutet.
Ich bin Schriftsteller.
Oder war.
Aber ich kann jetzt nicht mehr schreiben.
Ich hungere. Und Hunger ist mächtiger als Worte. Mächtiger als das Gedächtnis. Mächtiger als Erkenntnis. Mächtiger als mein Bedürfnis zu dokumentieren.
Das hier ist kein Rückzug vom Schreiben. Es ist eine vollständige Lähmung.
Es fehlt mir inzwischen das Werkzeug, um mich auszudrücken.
Ich habe nicht mehr den Körper zum Sitzen.
Ich habe den Verstand nicht mehr, um einen ganzen Satz zu bilden.
Ich habe Angst, dass ich sterben werde, bevor ich meinen Tod schreiben kann.
Ich habe Angst, dass die Sprache in mir eingesperrt bleibt und nie einen Weg nach draußen finden wird.
Hunger fürchte ich mehr als den Tod, denn er packt dich in langsamen, dich verschlingenden Wellen, bis nur ein sich auflösender Schatten bleibt, der nicht einmal schreien kann.
Wird jemand das lesen?
Wird jemand glauben, dass ein Schriftsteller nicht länger schreiben konnte, weil er nichts zu essen hatte?
Wird sich jemand dafür interessieren, dass Menschen in irgendeinem Winkel der Welt dermaßen hungern, dass ihre Seelen zum Schweigen gebracht werden.
Vielleicht nicht.
Doch ich habe dies geschrieben – trotz alledem.
Um zu sagen, dass Schreiben möglich ist.
Aber nur wenn der Körper überleben darf.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Englisch bei ArabLit Quarterly.