Globale Gesundheit

Gegen die Normalisierung des Absurden

25.06.2024   Lesezeit: 3 min

Fast dreißig Jahre nach dem Tod von Jonas Salk verdeutlicht sein Vermächtnis weiterhin, dass Pharmaproduktion grundlegend anders gedacht werden muss.

„Die Menschen, würde ich sagen. Es gibt kein Patent. Könnten Sie die Sonne patentieren?“ So reagierte Jonas Salk 1955 in einem Interview, als ihn der Journalist Edward R. Murrow fragte, wer das Patent auf den von ihm neu erfundenen Polio-Impfstoff innehabe.

„Wem gehört das Patent auf diesen Impfstoff?“, hatte Murrow gefragt and damit einen unbestreitbaren Eindruck von Natürlichkeit erweckt. Die logische Annahme des Interviewers war: Wenn es eine potenziell gewinnbringende Erfindung gibt, dann hat natürlich bereits jemand die Exklusivrechte daran.

Wenn man sich die Aufzeichnung des Interviews ansieht, wird deutlich, dass Jonas Salk mit dieser Logik nicht einverstanden ist. In seiner Antwort schwingt eine Mischung aus Empörung, Überraschung und sogar Ironie mit. Besonders wichtig ist, dass Jonas Salk mit seiner Antwort das offensichtlich Absurde zu erkennen gibt. Denn wie könnte jemand auf die Idee kommen, mit einer Patentierung die Produktion und den Zugang zu einem Arzneimittel einzuschränken, das Millionen von Menschenleben retten kann?

Genau aus diesem Grund inspiriert Jonas Salk nach wie vor viele, die sich für das Recht auf Gesundheit abseits von Profitlogik einsetzen. Darunter auch die sich neuformierende Bewegung Public Pharma for Europe. Er gab einem ihrer vielversprechendsten Vorschläge seinen Namen: dem Europäischen Salk-Institut, das von der belgischen Organisation Medics for the People ins Leben gerufen wurde und von zahlreichen Organisationen weltweit – auch medico international – unterstützt wird.

Das Andenken an Jonas Salk ist in der heutigen Zeit, in der wir in einer tragischen Mischung aus falschem Pragmatismus, Verzweiflung und mangelnder Vorstellungskraft gefangen zu sein scheinen, besonders wichtig. Mit wenigen Ausnahmen und ohne sich wirklich vom Kern von Murrows Logik zu lösen, scheint sich der Kampf gegen die Kommodifizierung von Arzneimitteln darauf zu beschränken, Patentsysteme „auszubalancieren“, Patentgesetze zu reformieren, freiwillige Lizenzen „auszuhandeln“, die TRIPS-Flexibilitäten umzusetzen, um befristete Ausnahmeregelungen für geistiges Eigentum zu betteln, die Notwendigkeit defensiver Patente zu betonen und sogar dafür einzutreten, die Zahl der Patente aus dem globalen Süden zu erhöhen.

Wir können aber noch viel mehr erreichen: So haben kürzlich die Wissenschaftler Hans Radder und Joost Smiers ihr Modell einer Arzneimittelforschung ohne Patente vorgestellt, das wirtschaftlich rentabel sowie gesellschaftspolitisch und organisatorisch umsetzbar ist.

Zum 29. Jahrestag des Todes von Jonas Salk am 23. Juni 1995 müssen wir die Vorstellung, dass lebensrettende medizinische Innovationen durch Patente kommerzialisiert und eingeschränkt werden können, unmissverständlich zurückweisen. Indem wir uns Salks Vision zu eigen machen, können wir eine Welt anstreben, in der wissenschaftliche Erfolge der gesamten Menschheit und nicht den Profiten einiger weniger dienen. Es ist an der Zeit, den Status quo in Frage zu stellen und zu verändern, um sicherzustellen, dass die nächste Generation auf unsere Zeit zurückblickt und den Mut findet, diese Absurdität zu beenden.

Alan Rossi Silva ist Jurist und Koordinator der Public Pharma for Europe Coalition beim People's Health Movement.
Joost Smiers ist emeritierter Professor für Politikwissenschaften an der Universität der Künste, Utrecht.

Der Beitrag erschien zuerst am 21. Juni 2024 im People's Health Dispatch, das vom People's Health Movement und Peoples Dispatch herausgegeben wird. 


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