Am 18. Juni 2025 hat der Kampf gegen HIV/Aids einen bedeutenden Schritt nach vorne gemacht: Die US-amerikanische Arzneimittel-Agentur FDA hat das HIV-Medikament Lenacapavir des Pharmakonzerns Gilead zur Präexpositionsprophylaxe (PrEP) in den USA zugelassen. Als PrEP wird die präventive Anwendung zur Verhinderung einer Infektion bezeichnet. Laut Studien verhindert die Prophylaxe mit Lenacapavir eine Infektion mit dem HI-Virus fast vollständig. Mit einem Anwendungs-Intervall von 6 Monaten ist das Medikament das, was nach aktuellem Stand am ehesten als HIV-Impfstoff bezeichnet werden kann. Selbst bei Menschen mit HIV, die eine Resistenz gegen andere antiretrovirale Therapien entwickelt haben, kann eine Dosis Lenacapavir das Virus bis zu 52 Wochen lang unterdrücken. Und nicht nur hinsichtlich der Wirksamkeit ist Lenacapavir von Vorteil: Sich zweimal jährlich spritzen zu lassen ist wesentlich einfacher als täglich an die Einnahme einer Pille zu denken und von anderen als vermeintlich HIV-positiv stigmatisiert zu werden.
In Südafrika ist die Wirksamkeit von Lenacapavir längst in aller Munde. Die erste Phase der bahnbrechenden Purpose-1-Anwendungsstudie wurde mit Frauen aus Südafrika und Uganda durchgeführt. Sie setzten ihren Körper aufs Spiel, um die Forschung voranzubringen.
Preiskampf
Gilead hat den Preis pro Dosis in den USA auf 28.000 Dollar angesetzt. Gleichzeitig hat viel zivilgesellschaftlicher Druck dazu geführt, dass sich das Unternehmen auf eine Lizenzierung für Generikahersteller einließ. Das wird den Preis zwar erheblich senken – auf voraussichtlich 200 Dollar pro Dosis. Doch auch das liegt weit über dem, was sich die beispielsweise im südlichen Afrika Menschen aus den am stärksten gefährdeten Gruppen leisten könnten.
Zwar gab es die Zusage der Biden-Administration, Lenacapavir im Rahmen eines Hilfsprogramms gemeinsam mit dem Global Fund für 2 Millionen Menschen außerhalb der USA zur Verfügung zu stellen, sozusagen als Anschubfinanzierung für die Generikahersteller. Doch dieses Versprechen ist mit der Machtübernahme von Donald Trump und dem Defunding nationaler und internationaler Programme zur Bekämpfung von HIV/AIDS hinfällig. Auch vonseiten der deutschen Bundesregierung sind vor dem Hintergrund der aktuellen Haushaltsplanung keine Signale zu vernehmen, die auf einen Ausgleich der Finanzierungslücken hindeuten.
Ohnehin hätten die lizensierten Lenacapavir-Hersteller eine öffentliche Gegenfinanzierung in Form von Entwicklungsgeldern gar nicht nötig: Laut einer kürzlich von der University of Liverpool veröffentlichten Studie könnten sie bei großen Produktionsmengen den Preis problemlos auf 25 Dollar senken und hätten immer noch eine Gewinnmarge von 30 Prozent. Es braucht in dieser Hinsicht also mehr politischen Druck.
Und dann wäre da natürlich noch der Weg der Zwangslizenzen, mit denen Regierungen die heimische Produktion von Lenacapavir erzwingen könnten. Kolumbien hat das 2023 mit einem anderen HIV-Medikament, Dolutegravir, erfolgreich durchgesetzt. Bei einem so bedeutenden Medikament wie Lenacapavir also durchaus einen Gedanken wert – trotz des erwartbaren Risikos von US-Handelssanktionen. Denn der mindestens 20-jährige Patentschutz, der Gilead das Monopol über den Vertrieb des Medikaments beschert, ist die zweifelhafte Belohnung für ein Produkt, das nur auf Grundlage jahrzehntelanger öffentlicher Forschung und Entwicklung existiert. Angesichts der Tatsache, dass aufgrund der Kürzungen von Geldern in der weltweiten HIV-Bekämpfung laut UNAIDS mit derzeit täglich 600 AIDS-Toten zusätzlich gerechnet wird, ist das Ziel von Gilead, Gewinne mit einem lebensrettenden Medikament zu erzielen, nichts anderes als menschenverachtend.