Nachruf

Zum Tod von Dr. Amit Sengupta

Amit Sengupta war eine der wichtigsten Stimmen des People's Health Movement. Sein Tod hinterlässt eine große Lücke für die kritische Gesundheitsbewegung in Indien und weltweit.

Eben noch, vor einer Woche, saßen wir zusammen nach der großen, vierten People’s Health Assembly (PHA) in Bangladesch und planten die weitere Zukunft dieses weltweiten Netzwerks aus vielen tausenden  Basisgesundheitsaktivist*innen, NGOs, Akademiker*innen, Gewerkschafter*innen und Expert*innen, an dem medico aktiv beteiligt ist.

Amit Sengupta war eine der wichtigsten Stimmen in dieser Bewegung, er hatte wesentlichen Anteil an der Realisierung dieser Versammlung, ebenso wie an anderen wichtigen Unternehmungen des PHM.

Das People’s Health Movement ist die deutlich vernehmbare Stimme in der globalen Gesundheitspolitik, die sich dem Ziel „Gesundheit für Alle“ verschrieben haben und nicht locker lässt, die strukturellen Ursachen von Ungerechtigkeit und Ungleichheit anzuprangern. Das PHM lässt sich nicht in die harmonische Welt der Public Private Partnerships einbinden und versteht Gesundheit als die hochpolitische und nicht etwa rein technische Sache, die sie ist.

Amit koordinierte von Delhi aus den regelmäßig erscheinenden alternativen Weltgesundheitsbericht, den Global Health Watch, ohne ihn wären die International People’s Health Universities, das Nachwuchsförderprogramm des PHM nicht möglich gewesen, und auch in Genf beim Sitz der Weltgesundheitsorganisation war er eine der treibenden Kräfte der „WHO-Watchers“, die das Geschehen für ein breites zivilgesellschaftliches Spektrum zugänglich machen und mit eigenen Statements in die Debatten eingreifen.

Nach den hektischen und aufregenden Wochen, in denen die vierte PHA mit über 1.400 Teilnehmenden geplant und organisiert wurde und trotz mancher Widrigkeiten erfolgreich stattfinden konnte, gönnte Amit sich einen kurzen Urlaub mit seiner Familie am Indischen Ozean in Goa. Hier ertrank er am 28. November 2018 beim Schwimmen und hinterlässt nicht nur seine Familie in Trauer und Schock, sondern auch seine Freund*innen und Mitstreiter*innen in der globalen Gesundheitsbewegung.

Engagement gegen die Kommerzialisierung von Gesundheitsversorgung

Aus dem Indischen „All India People’s Science Network“ kommend, hatte Amit Sengupta – schon lange bevor das PHM im Jahr 2000 aus der Taufe gehoben wurde – für den Zugang aller Menschen zu unentbehrlichen Medikamenten gekämpft, ebenso wie für ein allen zugängliches Gesundheitssystem. Dem Kampf gegen die Folgen einer unregulierten Privatisierung und Kommerzialisierung von Gesundheitsversorgung galt sein Engagement ebenso wie die Verteidigung der Rolle von lokalen GesundheitsaktivistInnen, die im repressiven Klima der aktuellen indischen Regierung für ihren Einsatz für die Gemeinden unter Druck geraten.

In der globalen Arena der Gesundheitspolitik war seine Stimme ebenso deutlich zu vernehmen, wenn er die Weltgesundheitsorganisation vor dem zunehmenden Einfluss der großen philanthokapitalistischen Stiftungen warnte und die gesundheitsschädlichen Folgen von Freihandelsabkommen und multinationaler Konzernmacht analysierte und kritisierte.

Auch wir bei medico international profitierten vielfach von seinen Kenntnissen und seiner Präsenz bei Veranstaltungen wie Armut & Gesundheit in Berlin oder dem Geneva Global Health Hub in Genf, wir diskutierten mit ihm in Frankfurt Strategien für das PHM in einer Welt, in der kritische Stimmen der Zivilgesellschaft zunehmend unter Druck geraten und Geberorganisationen auch bei Kampagnen und Öffentlichkeitsarbeit mehr an „quick impacts“ als an nachhaltigen Strukturen interessiert sind.

Wir kooperierten bei der Erstellung der Global Health Watches und diskutierten und feierten mit ihm bei den Treffen des People’s Health Movement. Wir werden seine Beharrlichkeit und auch seinen großen Humor, den er bei allem Zorn über die Ungerechtigkeit der herrschenden Verhältnisse nicht verlor, schmerzlich vermissen. Sein Tod hinterlässt eine große Lücke für die kritische Gesundheitsbewegung in Indien und weltweit. Wir trauern mit den Angehörigen und seinen Freund*innen und Mitstreiter*innen um eine mächtige Stimme für die Gesundheitsrechte für alle Menschen.

Andreas Wulf, Projektkoordinator Globale Gesundheit

Veröffentlicht am 29. November 2018

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