Kein Frieden ohne Gerechtigkeit

Drei ehemalige Kommandanten der Rebellengruppe Revolutionary United Front (RUF) zu Gefängnisstrafen verurteilt

Wie der Sondergerichtshof für Sierra Leone in Freetown am 08. April 2009 entschied, werden drei ehemalige Kommandanten der Revolutionary United Front (RUF), Issa Hassan Sesay, Morris Kallon und Augunstine Gbao zu 52, 40 und 25 Jahren Gefängnis verurteilt. Ihnen wurde unter anderem vorgeworfen, Zivilisten ermordet, zu Tode geprügelt, lebendig verbrannt, zerhackt, vergewaltigt, verstümmelt und versklavt zu haben. In der Urteilsbegründung heißt es dazu, dass mit diesem Urteil der schwere der Schuld und der Gräueltaten dieser Männer Rechnung getragen wird. Vor allem aber werde das Leiden der Opfer, tausender Männer, Frauen und Kinder Sierra Leones anerkannt, die unter den Entscheidungen und Taten dieser Männer zu leiden gehabt hätten.

Der Bürgerkrieg zwischen der Rebellenorganisation Revolutionary United Front (RUF) und der sierra leonischen Armee, der 1991 begann und 2002 beendet wurde, kostete mindestens 75.000 Einwohnerinnen und Einwohner das Leben. Der massenhafte Einsatz von Kindersoldaten und massive Greueltaten an der Zivilbevölkerung, vor allem Frauen und Mädchen, waren charakteristisch für diesen Krieg.

Vor diesem Hintergrund gilt es nun, demokratische und sozial gerechte Verhältnisse aufzubauen, um den Weg zu einem stabilen Frieden zu ebnen.

medico-Partner organisiert „Zugang zu Gerechtigkeit“ in Sierra Leone

Hier engagiert sich auch die medico- Partnerorganisation in Sierra Leone, Network Movement for Peace and Development (NMJD). Sie arbeitet unter anderem unter dem Stichwort „Zugang zu Gerechtigkeit“ an dem Aufbau eines Rechtssystems, das lokale Rechtsinstanzen stärken soll und der Bevölkerung ein Bewusstsein für ihre Rechte vermittelt und Hilfe bei deren Durchsetzung leistet. Dahinter steht die Erkenntnis, dass es keinen Frieden geben kann ohne Gerechtigkeit, keine Entwicklung ohne Frieden.

Ihre Arbeit setzt auf der untersten lokalen Ebene an und bietet konkrete Unterstützung und Beratung bei juristisch gelagerten Problemen und Konflikten. Aber auch die Durchsetzung von Rechten gegenüber Unternehmen wie zum Beispiel Koidu Holdings, Betreiber einer der größten Diamantenminen in Sierra Leone, war Teil ihrer Arbeit. Auch hier zeigte sich, dass institutionelle Veränderung eng verknüpft ist mit juristischer und politischer Selbstermächtigung von unten. Die Schaffung eines Rechtsbewusstseins ist die Vorraussetzung für deren Organisierung und Einforderung.

Bei ihrer Arbeit sahen sie sich in der Vergangenheit jedoch mit zahlreichen Schwierigkeiten konfrontiert: so waren lokale Autoritäten oft skeptisch, da sie eine Infragestellung ihrer Machtpositionen vermuteten. Ebenso schwierig war die Zusammenarbeit mit der Polizei, da hier die Gehälter so gering sind, dass ihr Überleben nur mit Hilfe von Schmiergeldern überhaupt möglich ist.

Im Kono- Distrikt jedoch, auf den sich in der ersten Phase viele Bemühungen konzentrierten, gab es einen enormen Erfolg zu verzeichnen: hier wurde das Projekt auf allen Ebenen unterstützt.

Von besonderer Bedeutung ist die juristische Basisaufklärung für Frauen und Jugendliche, die oftmals keinen Zugang zu Bildung und keine Erfahrung in der Einforderung ihrer Rechte haben. Traditionell sind es die männlichen Familienmitglieder, die deren Rechte vertreten, wobei den Frauen oftmals ihre Rechte verweigert werden.

Darüber hinaus sollen vor dem Gesetz ökonomischer oder sozialer Status keine Rolle spielen, in der Realität fehlt es aber genau denen, die am meisten betroffen sind von Menschenrechtsverletzungen, an den sozialen und ökonomischen Möglichkeiten, sich zu verteidigen. Ein Grossteil der Bevölkerung in Kono- Distrikt hat zum Beispiel keinen Zugang zu rechtlichem Beistand, einfach weil sie ihn sich nicht leisten können. Das führt wiederum dazu, dass Konflikte selbst in die Hand genommen werden und den zerbrechlichen Frieden gefährden. Daher gilt es, auch weiterhin daran zu arbeiten, basisorientierte juristische Hilfs- und Aufklärungsarbeit zu leisten, Zugang zu Gerechtigkeit zu schaffen, im Interesse eines tragfähigen, in der Gesellschaft verankerten Friedensprozesses in Sierra Leone. medico international unterstützte die Arbeit von NMJD im Jahr 2008 mit 17.600 Euro.

 

Projektstichwort

Das sierra-leonische Netzwerk für Gerechtigkeit und Entwicklung hat bereits während des Bürgerkrieges in den umkämpften Regionen Sierra Leones, darunter auch in dem beschriebenen Kono-Distrikt, begonnen, unabhängige zivilgesellschaftliche Bewegungen für den Frieden zu initiieren. NMJD war eine der ersten unabhängigen Organisationen in Afrika, die sich mit den Folgen des Handels mit Diamanten und mit anderen Rohstoffen für die Konflikte im eigenen Land auseinander setzten. Seit dem Jahr 2000 betreibt das Netzwerk Aktionen unter dem Titel „Für gerechte Minenprogramme“, mit denen es sich dafür einsetzt, dass die Erlöse aus den Rohstoffen der regionalen Bevölkerung zugute kommen. Das Spenden-Stichwort für dieses Netzwerk lautet:Sierra Leone

 

(Autorin: Annika Mildner)

Veröffentlicht am 10. April 2009

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