Solidarität

Häuser der Hoffnung

Aufruf zur Unterstützung der Kurdinnen und Kurden in der Türkei, die um ihr Recht zu bleiben ringen.

Verhaftete Journalist*innen, Schriftsteller*innen, Wissenschaftler*innen, Oppositionspolitiker*innen und Menschenrechtsaktivist*innen füllen weiter die Gefängnisse in der Türkei. Die internationale Solidarität mit den Opfern der antidemokratischen Wende in der Türkei ist von entscheidender Bedeutung. Ebenso wichtig aber ist, auch das Schicksal von Hunderttausenden vertriebener Kurdinnen und Kurden in der Südosttürkei wahrzunehmen. Ihre Situation droht in Vergessenheit zu geraten, obgleich die Anerkennung der ethnischen und religiösen Pluralität des Landes der Schlüssel für eine demokratische Zukunft der Türkei ist.

Im Nachhinein betrachtet war die Aufkündigung der Friedensbemühungen mit den Kurden ein wesentlicher Markstein in der Entwicklung hin zu einer durch Mehrheitswahl legitimierten Autokratie. Die verheerenden islamistischen Bombenanschläge gegen kurdische Jugendliche im Südosten der Türkei, die demonstrative Ignoranz der Regierung gegenüber Opfern und Angehörigen und schließlich die Bombardierung ganzer Stadtviertel zur Niederschlagung der bewaffneten Rebellion verzweifelter Jugendlicher lassen den Eindruck entstehen: Erdogan führt Krieg gegen die kurdische Bevölkerung. Bombardiert wurden Städte wie Diyarbakır, Yüksekova, Cizre und Şırnak. Schon wenige Tage später machten Planierraupen die zerstörten Stadtteile dem Erdboden gleich, darunter auch Sur, die Altstadt Diyarbakırs, von der UNESCO zum Weltkulturerbe erhoben. Der Neubau soll völlig umstrukturierte Orte unter Ausschluss der ursprünglichen Bevölkerung schaffen. Die Bewohnerinnen und Bewohner der zerstörten Stadtteile wurden vertrieben, mussten in eilig errichteten Lagern oder bei Verwandten Unterschlupf suchen. Die demokratisch gewählten Bürgermeisterinnen und Bürgermeister konnten ihre Gemeinden nicht verteidigen, weil sie rechtswidrig abgesetzt, viele von ihnen verhaftet wurden.

Häuser eines ersten Neubeginns in Selbsthilfe

Insgesamt haben über 500.000 Menschen ihr Haus, ihre Wohnung verloren. Den meisten von ihnen widerfährt das Schicksal der Obdachlosigkeit nicht zum ersten Mal. Anfang der 1990er Jahre wurden sie schon einmal vertrieben, damals verloren sie die Häuser, die sie in den Dörfern ihrer Herkunft besaßen und sie flohen in die Stadt. Die militärische und stadtplanerische Zerstörung der Städte zwingt sie nun, fast 25 Jahre später, erneut zu gehen. Es ist auch dieses Mal wieder ein prekäres und immer gefährdetes Unterfangen. Viele von ihnen besitzen noch die Grundstücke ihrer alten Häuser, auch ihre alten Gärten und Felder. Zunächst wird es darum gehen, 1.000 Familien ein neues Heim zu schaffen. In gemeinschaftlichem Eigenbau, unter professioneller Anleitung, entstehen Häuser in den ländlichen Gebieten. Das Baumaterial konnte auch durch Unterstützung von medico international angeliefert werden. Trotz Präsenz der türkischen Sicherheitsbehörden und regelmäßigen Einschüchterungsversuchen werden die Fundamente gegossen und Wände hochgezogen.

Häuser für eine kommende Demokratie

Mit diesem Text rufen die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner zur Unterstützung dieses Wiederaufbaus auf. Das Ansinnen auf Wiederansiedlung, das sich in den Häusern manifestiert, formuliert zugleich den Anspruch der vertriebenen Kurdinnen und Kurden auf das Recht zu bleiben wie den Anspruch auf eine demokratisch verfasste Türkei. Wie der Hausbau kann auch das nur gemeinsam gelingen, unter Anerkennung der ethnischen und religiösen Vielfalt, unter Anerkennung der Freiheit und Gleichheit in dieser Vielfalt. Das erfordert die Solidarität aller Menschen - in der Türkei und überall mit den Betroffenen.

    Unterstützer*innen

    Dogan Akhanli (Schriftsteller)

    Dr. Kemal Bozay (Erziehungs- und Sozialwissenschaftler)

    Gazi Çağlar (Politikwissenschaftler)

    Leyla Imret (ehemalige HDP Bürgermeisterin von Cizre)

    Ismail Küpeli (Politikwissenschaftler und Historiker an der Ruhr-Universität Bochum)

    Matthias Lilienthal (Dramaturg und Intendant)

    Peter Ott (Filmemacher und Filmproduzent)

    Michael Ramminger (Institut Theologie und Politik)

    Milo Rau (Regisseur, Theaterautor)

    Philipp Ruch (Philosoph und Künstler)

    Kerem Schamberger (Kommunikationswissenschaftler)

    Hito Steyerl (Filmemacherin und Autorin)

    Wolfgang Tillmanns (Fotograf und Künstler)

    Jan van Aken (Parteivorstand Die Linke und Kurdistanhilfe Hamburg)

    Ragıp Zarakolu (Verleger und Schriftsteller)

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    Veröffentlicht am 14. Mai 2018

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