Brasilien

Grüne Insel im Amazonas

Bei den indigenen Ka’apor im brasilianischen Amazonas-Regenwald kann man nicht einfach anrufen. Dafür gibt es Jose Andrade. Er koordiniert mit einer Außenwelt, die normalerweise vor allem eine Bedrohung ist

Jose Andrade wohnt eigentlich in Belem, aber er ist oft für einige Tage ein gern gesehener Gast in den 17 indigenen Dörfern, die im geschützten Territorium der Ka’apor liegen. Manchmal bleibt er auch außerhalb des Reservats, in den Unterkünften der kleinen Städte nahe des geschützten Territoriums. Dann bespricht er dort mit Vertreter*innen des Conselho, dem siebenköpfigen Rat der Ka’apor, die Umsetzung von Hilfsangeboten, die Bedarfe in den Dörfern und die politische Lage. Der Conselho ist zuständig für alle Aktivitäten und Außenbeziehungen der Ka‘apor, für Bildung, Schule, Kultur und Gesundheit der geschätzten 2.000 Menschen, die hier leben. Das klingt klein, aber das Gebiet umfasst 600.000 Hektar und ist damit doppelt so groß wie das Saarland. Und die Ka’apor müssen nicht nur ihr Leben und ihre Kultur schützen, sondern auch ihr Land.

Über 90 Prozent des indigenen Territoriums zwischen den beiden Bundestaaten Pará und Maranhão sind vom Amazonas-Regenwald bedeckt. Als es 2019 brannte, war es hier trotzdem vergleichsweise ruhig, denn außerhalb des geschützten Territoriums gibt es schon lange keinen Wald mehr, der brennen könnte. Das Territorium der Ka’apor ist die letzte verbliebene grüne Insel in einer Welt der Rinderweiden, für die bereits alles abgeholzt wurde, was nicht von den Ka’apor verteidigt wird. Und weil es eben deswegen draußen nichts mehr zu holen gibt, dringen immer wieder Holzfäller in das geschützte Territorium ein, klauen Holz und roden illegal den geschützten Wald. Dabei kommt es häufig zu Gewalttaten gegen die Ka‘apor, mehrere ihrer Anführer wurden bereits ermordet. Als Gegenmaßnahme werden indigene Dörfer an die Grenze des Reservats verlegt, um die Eingänge besser schützen und überwachen zu können.

Von Januar bis August 2019 gab es fast 40.000 registrierte Brände im brasilianischen Amazonas – und auch in den Nachbarstaaten brannte es. Viele der Brände sind auf Brandstiftung zurückzuführen, das Mittel der Wahl, um geschützte Gebiete für die Agrarindustrie zu erschließen. Der brasilianische Staat reagierte nach massiver internationaler Kritik zwar verspätet auf die Brände. Aber selbst danach und in den ersten Monaten des Jahres 2020 hat die Abholzung des Regenwaldes wieder neue Rekordwerte erreicht. Kein Wunder: „Captain Chainsaw“ (Kapitän Kettensäge) nannte sich Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro einmal selbst in Bezug auf seine neue Amazonas-Politik. Ausnahmsweise sagte er da die Wahrheit: Brasilien hatte über Jahre eine Vorreiterrolle beim Schutz vor weiteren Waldrodungen gespielt. Doch nun werden Geldstrafen für Umweltverbrechen gesenkt, die jahrzehntelang eingeübte Indigenen-Politik infrage gestellt und neue Großprojekte geplant. Die Ka‘apor kämpfen derweil um den Erhalt ihrer Rechte und ihres Waldes, der nicht nur für sie Lebensgrundlage ist. Menschen zerstören die Natur, doch es sind auch Menschen, die sie schützen.

Mario Neumann

Veröffentlicht am 12. Mai 2020

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