ThyssenKrupp-Stahlwerk

Dunkle Seiten der Globalisierung

Dokumentation der Gesundheitsfolgen des ThyssenKrupp-Stahlwerks

Santa Cruz liegt im Westen von Rio de Janeiro. Hier leben rund 200.000 Menschen unter ärmlichen Bedingungen, fernab jeder öffentlichen Wahrnehmung. Seit Ansiedlung des neuen Stahl- und Hüttenwerks des brasilianischen Ablegers von ThyssenKrupp ist für die Fischer und anderen Anrainer in der Bucht von Sepetiba nichts mehr, wie es war. In Santa Cruz müssen die Bewohner erleben, wie „Ordnung und Fortschritt“ in Brasilien verstanden werden.

Seit Inbetriebnahme des Werks im Jahr 2010 haben sich die Proteste der Anwohner gehäuft. Nicht etwa Werkswohnungen, Ausbildungsstätten und Arbeitsplätze, sondern Verelendung und Krankheit hat es gebracht. Stahlwerksstaub geht regelmäßig als sogenannter „Silberregen“ über die Menschen von Santa Cruz nieder und dringt bis in ihre Häuser ein. Hustenreiz, Augenreizungen, Allergien, Lungenerkrankungen und andere chronische Krankheiten sind die Folge und nehmen zu. Die körperlichen und psychologischen Belastungen der Anwohner sind nicht zu übersehen. Die Gesundheitsversorgung in Santa Cruz ist unzureichend. Das öffentliche Krankenhaus ist häufig auch für längere Zeit geschlossen. Durch die auffällig häufig wechselnden Ärzte im Hospital Pedro II wird eine Nachweislegung der auf die TKCSA zurückzuführenden Krankheiten erheblich erschwert.

Ein Zusammenhang, den ThyssenKrupp in Abrede stellt. Die Unternehmenskommunikation spricht von unschädlichem Graphitstaub. Drei Forscher von Fiocruz, die in Staubproben 24 verschiedene chemische Substanzen, darunter giftige Schwermetalle, gefunden und auf Risiken für die Bevölkerung hingewiesen hatten, wurden vom Konzern sogar verklagt. Störfälle wie jüngst der von Anfang November 2012 führen allenfalls zu Strafzahlungen, die mit der Durchführung sogenannter CSR-Projekte (Corporate Social Responsibility) abgegolten werden. Die Nöte der betroffenen Bevölkerung bleiben jedoch unvermindert groß.

Protest und Perspektiven

Die Unterstützung für die betroffenen Fischergemeinschaften in der Bucht von Sepetiba stand frühzeitig auf der Agenda der Aktivitäten des Instituto Políticas Alternativas Para o Cone Sul (PACS). Der linke Thinktank wurde vor 26 Jahren von nach dem Ende der Militärdiktatur zurückkehrenden Exilanten ins Leben gerufen und konzentriert sich seitdem auf sozioökonomische Forschung, Empowerment von sozialen Bewegungen und Advocacy. Auf NGO-Ebene ist PACS der zentrale brasilianische Akteur in der Stahlwerksproblematik, Partner der Rosa-Luxemburg-Stiftung und hat gemeinsam mit dem Berliner Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika (FDCL) viel Öffentlichkeitsarbeit zu TKCSA geleistet.
Der öffentliche Protest zeitigt erste Erfolge und hat sogar die brasilianische Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen. Die Aussichten, einen Prozeß zu gewinnen, hängen davon ab, ob es gelingt, eine eindeutige Verbindung zwischen den Krankheiten und den Umweltschäden herzustellen. Die brasilianische Regierung hat sich jedenfalls inzwischen bereits gezwungen sehen, die Umweltauflagen zu verschärfen.

 

Projektstichwort

Ziel der Projektförderung durch medico ist es, auf der Grundlage einer Befragung der lokalen Bevölkerung die von offizieller Seite vertuschten, häufigen Haut- und Atemwegserkrankungen, die von den Immissionen der TKCSA verursacht werden, nachzuweisen. Ein Mapping (Kartierung) soll darüber hinaus den sozialräumlichen Zusammenhang zwischen mangelhaftem Zugang zu ärztlicher Versorgung und dem Auftreten von Gesundheitsproblemen verdeutlichen. Damit soll der allgemeine politische Druck auf die Behörden auf allen Ebenen, die Gesundheitssituation der Betroffenen zu verbessern, wirksam erhöht werden. Zugleich soll der Forderung nach einer staatlich finanzierten epidemiologischen Studie Nachdruck verliehen werden.

Sie unterstützen die Arbeit von PACS mit dem Spendenstichwort: Brasilien

 

 

Veröffentlicht am 11. Januar 2013

Jetzt spenden!