Kunst und Jugendkultur im Norden Iraks

Der Gewalt trotzen

Als Dilawar Noori und Ali Fouad in Kifri ein Jugend- und Kulturzentrum mitgründeten, ahnten sie nicht, wie erfolgreich das Projekt werden würde.

Dilawar Noori und Ali Fouad waren von Anfang an dabei: Gemeinsam mit anderen jungen Künstlerinnen und Künstlern haben sie das Jugendkulturzentrum in Kifri aufgebaut, einer Stadt mit 40.000 Einwohnerinnen und Einwohnern im Süden der Kurdischen Region Iraks. Und das ist durchaus wörtlich zu verstehen: Alles haben die jungen Leute selbst in die Hand genommen, die Renovierung, Gestaltung und Ausstattung von Räumen ebenso wie das Kursangebot. Dilawars Leidenschaft ist der Film. Nach einem Studium der kurdischen Sprache und Literatur an der Universität Khanaqin arbeitete er als Kameramann für einen kurdischen TV-Sender. Am Zentrum betreibt er ein Kino und dreht gemeinsam mit der Filmgruppe „Gunay “ Dokumentarfilme über das Leben in Kifri, über die Gewalterfahrungen der Vergangenheit und die Schwierigkeiten des Wiederaufbaus. Ali ist Schauspieler und Theaterregisseur und hat Kunst am Kolleg der Schönen Künste in Kifri studiert. Am Kunst- und Kulturzentrum in Kifri wirkt er in der Theatergruppe mit und führt Theaterworkshops mit Kindern in Schulen und Geflüchteten-Camps durch. Das Ziel von Dilawar und Ali ist es, mit ihrer Kunst Räume zu schaffen, in denen junge Menschen jenseits ethnischer, religiöser und parteipolitischer Zugehörigkeiten zusammenkommen und sich austauschen.

Gegründet hat sich das Jugend- und Kulturzentrum Kifri 2014 mitten in der Krisensituation, als der Islamische Staat bis in die unmittelbare Nähe von Kifri vorrückte. Damals kamen zahlreiche arabische Geflüchtete aus den vom IS besetzten Provinzen nach Kifri. Einige fanden im ehemaligen Postgebäude der Stadt Zuflucht. Als sie später in andere Unterkünfte umzogen, gründete eine Gruppe Studierender der örtlichen Kunsthochschule eine Initiative zur Nutzung des Gebäudes als Jugendkulturort. Mit Unterstützung der Vereine Haukari und medico wurde das Zentrum ausgebaut. Inzwischen konnte es in ein größeres von der Stadtverwaltung zur Verfügung gestelltes Gebäude umziehen. Es hat sich zu einem Begegnungsort für lokale und geflüchtete Jugendliche entwickelt und wurde zu einem Anziehungspunkt für Künstlerinnen und Künstler. Verschiedene Kunst- und Kulturgruppen treffen sich hier, und es gibt eine Vielzahl von Literaturabenden, Ausstellungen und Diskussionsveranstaltungen. Die jungen Künstlerinnen und Künstler begrünen und gestalten auch öffentliche Plätze in der Stadt und entwickeln Kulturpatenschaften mit lokalen Schulen. Im Oktober 2018 organisierte das Jugendkulturzentrum Kifri mit Unterstützung von Haukari und medico das erste Kunst- und Friedensfestival der Stadt – mit unglaublicher Resonanz. Regisseure, Schauspielerinnen und Künstler aus unterschiedlichen Teilen Iraks nahmen teil und erweckten die ganze Stadt mit Straßentheater, Kinovorführungen und Kunstausstellungen zum Leben. Drei Tage wurde das Leben gefeiert und die ersehnte friedliche Zukunft vorweggenommen. Der hier angestoßene gesamtirakische Austausch hat andere Realitäten vorstell- und lebbar gemacht und wird noch lange nachwirken.

Karin Mlodoch und Anita Starosta

Das Jugendkulturzentrum unterstützen wir über den Verein Haukari e.V. Wir bitten um Spenden unter dem Stichwort: Irak.

Veröffentlicht am 26. Juni 2019

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