Türkei

Brief aus Diyarbakır

Liebe Lehrende und WissenschaftlerInnen, seit Tagen sind Ihre Namen hier in den Mündern der Mütter und Schulkinder - eigentlich aller Menschen.

Wen erreicht ein Aufruf für den Frieden? Lohnt es sich für einen Professor, durch eine Erklärung gegen den Krieg Anstellung und Karriere zu verlieren? Gut 2000 AkademikerInnen in der Türkei sprachen sich unlängst gegen den Krieg im kurdischen Südosten des Landes aus, sie forderten ein Ende der Gewalt und eine Rückkehr zu politischen Verhandlungen.

Die Regierung hat mit Diffamierungen, Strafverfahren und Entlassungen geantwortet. Aber die Stimmen für den Frieden werden gehört. Nicht nur unzählige JournalistInnen, Filmschaffende und RechtsanswältInnen, ja, sogar Fussballfans haben sich mit öffentlichen Erklärungen solidarisiert, sondern auch gerade da, wo der Krieg tagtäglich stattfindet, wurden die Worte der Intellektuellen gehört. Etwa in den kurdischen Gebieten des Landes.

Dort wurden folgende Zeilen geschrieben, die ein renommierter Wissenschaftler und Unterzeichner des Friedensaufrufes von einer Jugendfreundin bekam. Die Verfasserin lebt in Diyarbakır, wo in dem Altstadtviertel Sur seit Wochen kein normales Leben mehr möglich ist, so wie in den kurdischen Städten Cizre und Silopi. In Sur herrscht offener Krieg. Niemand kommt hinein, Zehntausende sind bereits geflohen, es herrscht militärische Ausgangssperre. Tote, die nicht geborgen werden können, liegen in den engen Gassen.

Brief an die #AcademicsForPeace

„...Liebe Lehrende und WissenschaftlerInnen, seit drei Tagen [seit dem Tag des Terroranschlags von Istanbul und der infamen Rede von Staatspräsident Erdogan am 12.01.16, in denen er die Unterzeichnenden zu „Landesverrätern“ erklärt hat] sind Ihre Namen in den Mündern der Mütter, der Studierenden und SchülerInnen – eigentlich aller Menschen hier.

Unter Artilleriebeschuss und inmitten einer Wüste aus Leichen, die auf den Straßen und in den Tiefkühltruhen auf ihre Beerdigung warten, hatten wir ihnen, nicht ohne Angst, gesagt, "Ihr seid eigentlich nicht allein". Sie haben das bestätigt. Nie zuvor hat das Unterzeichnen einer Erklärung in diesem Land eine so große Bedeutung bekommen. Seien Sie versichert, dass auch Jahre später unsere Kinder noch diese Liste lesen werden; Ihre Namen sind Samen des Friedens. Wir waren so weit, dass wir unseren eigenen Kindern, die unversehrt zuhause saßen, kaum mehr Zuneigung entgegen bringen konnten, da wir sahen, wie andere gejagt wurden.

Sie haben unsere Herzen dort erreicht, wo sie anfingen, Schwielen zu bilden. Hier geht es nicht nur um die Menschen, die hingerafft werden; der Beschuss, der die ganze Nacht andauert, soll auch die Überlebenden zur Strecke bringen. Die Botschaft der Massaker, die in Suruç [20. Juli 2015: 34 Tote] und Ankara [10. Oktober 2015: 102 Tote] geduldet wurden, lautete: "Mischt Euch nicht ein! Schweigt, reicht ihnen nicht die Hand!"

Und wir dachten, jetzt wäre das geschehen, was sie wollten. Wie gut, dass wir uns geirrt haben! Wieder sind sie sehr wütend; die neuen Verteidiger der "Einheit" [Verweis auf das „Komitee für Einheit und Fortschritt“, wichtigste jungtürkische Partei, verantwortlich für den Völkermord an den Armeniern 1915-16], wieder beginnen sie eine neue Hexenjagd. Sie suchen aus, wer Reue zeigen und abdanken soll und wen sie als warnendes Beispiel einsetzen wollen.

Wir möchten, dass Sie alle wissen, dass wir durch das Lesen Ihrer Texte und Ihrer Namen unsere Herzen nähren. Wir sind dankbar dafür, dass wir Ihre SchülerInnen, LeserInnen, FreundInnen, KindheitsfreundInnen, Schwestern und Brüder sind. Wir prägen uns Ihre Namen fest ein, denn für uns bedeuten sie: Würde…“.

Seit zwei Jahren leistet medico mit dem Rojava-Hilfsverein(Rojava Yardımlaşma ve Dayanışma Derneği) medizinische Nothilfe im syrischen Kobanê. Jetzt hat der Hilfsverein begonnen, auch im türkischen Teil Kurdistans – in Sur, in Cizre und in Silopi – die ausgebombte Zivilbevölkerung mit Decken, Nahrungsmitteln und Arzneimitteln zu versorgen. medico bereitet gerade eine Unterstützungsmaßnahme für unseren Partner vor Ort vor. Es ist sehr kalt in der Region und die Menschen brauchen dringend Hilfe.

#BarışİçinAkademisyenleri

„...Sevgili hocalarımız, Diyarbakır'da 3 gündür kadınların hele hele annelerin, öğrencilerin, insanların ağzında isimleriniz... biz bu havan topu sesleri arasında, sokakta ve buzlukta bekleyen cesetler çölünde, biraz da korkarak, „yapayalnız değilsiniz aslında“ diyorduk onlara. bizi haklı çıkardınız... bu ülkede bir çağrıya imza atmak hiç bu kadar anlamlı olmamıştı... hiç şüpheniz olmasın, çocuklarımız da okuyacaklar yıllar sonra bu listeyi... adlarınız birer barış tohumu oldu artık... avlanan çocukları gördükçe evdeki sağ salim evlatlarımızı sevemez olmuştuk neredeyse... tam nasırlaşırken yakaladınız yüreklerimizi... burada sadece insan kıyımı yok. Sabaha kadar süren bombalamalarla ölmeyenlere de had bildiriyorlar... Suruç ve Ankara'da yol verdikleri kıyımın batı'ya mesajı, ‘karışmayın, konuşmayın, el uzatmayın onlara’ idi... biz istedikleri oldu sandık. ne güzel, yanılmışız! ...yine çok kızdılar, bir cadı avı daha başlatıyor Yeni-İttihatçılar. Kimleri pişman, kimleri ibretlik yapacaklarını seçiyorlar... yazdıklarınızı okuyarak aklımızı, adlarınızı o listede okuyarak yüreğimizi besliyoruz bunu bilin... sizlerin öğrencisi, okuyucusu, dostu, çocukluk arkadaşı, kardeşi olduğumuza şükrediyoruz... adlarınızı sımsıkı aklımızda tutuyoruz. çünkü adlarınız onur...”

Veröffentlicht am 19. Januar 2016

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