Pandemievertrag

Zu unverbindlich

20.05.2025   Lesezeit: 2 min  
#globale gesundheit 

Endlich wurde der globale Pandemievertrag bei der WHO beschlossen – doch Entscheidendes bleibt ungeklärt.

Von Felix Litschauer

Ohne Zweifel, die Verabschiedung des Pandemievertrages bei der 78 Weltgesundheitsversammlung in Genf ist ein Erfolg für die multilaterale Zusammenarbeit. Insbesondere in einer Zeit, in der sich viele Länder aus internationalen Foren zurückziehen oder deren Legitimität aktiv untergraben. Oft tun sie das aus chauvinistischen Motiven wie Argentinien, Israel oder Ungarn und allen voran die USA, deren Austritt aus der Weltgesundheitsorganisation diese in eine tiefgreifende Krise gestürzt hat. Deshalb ist die Verabschiedung des Pandemievertrags auch ein Sieg für die Beharrlichkeit der WHO, unter deren Schirmherrschaft die Verhandlungen der letzten 3 Jahre abliefen.

Die Euphorie über die einheitliche Abstimmung – es gab lediglich 11 Enthaltungen – darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Einigung nur zustande kam, weil der größte Streitpunkt des Vertrags aufgeschoben wurde: die Frage, wie im Pandemiefall das verbindliche wissenschaftliche Teilen der Krankheitserreger, die Voraussetzung für die Entwicklung und Produktion von Medikamenten und Impfstoffen, einhergeht mit einem ebenso verbindlichen, gerechten Teilen der aus diesen Erregern entwickelten Produkte Dass das im Fall der Covid-19-Pandemie sträflich misslang hat das Vertrauen der ärmeren Länder in freiwillige Lösungen massiv untergraben. Die Einigung über das sogenannte Pathogen Access and Benefit-Sharing (PABS) könnte noch Jahre dauern und den Ratifizierungsprozess weiter verzögern.

Das People’s Health Movement, die globale Gesundheitsbewegung, in der medico seit langem aktiv ist, kritisiert zurecht die Unverbindlichkeit des Textes, die besonders auf Druck der Industrie jegliche verpflichtende Maßnahme auslässt – etwa die Aufhebung des Patentschutzes auf Medizinprodukte im Pandemiefall. Auch das Prinzip der gleichen, aber geteilten Verantwortung, wie es in den Klimaverhandlungen Eingang fand und das vor allem Länder des globalen Nordens finanziell in die Pflicht nimmt, die Länder des globalen Südens bei den Präventionsmaßnahmen zu unterstützen, wurde aus dem Abschlussdokument gestrichen. Immerhin konnte das Prinzip verteidigt werden, dass Produkte, die mit öffentlichen Mitteln entwickelt wurden, auch mit Regeln zur gerechteren Zugänglichkeit (etwa offenen Lizenzen) verbunden werden sollten.

Es bleibt abzuwarten, ob es in den Verhandlungen des PABS gelingt, die Pharmaindustrie darauf zu verpflichten, Anteile der Chargen ihrer Medizinprodukte und Impfstoffe im Pandemiefall an die WHO abzugeben. Dasselbe gilt für den Ausbau von Produktions- und Forschungskapazitäten in Ländern des globalen Südens um diese eklatante Ungleichheit besonders auf dem afrikanischen Kontinent anzugehen. Auch hier beharrten gerade die EU und ihre Mitgliedsländer auf Formulierungen der Freiwilligkeit, die ihre Untauglichkeit hinlänglich bewiesen haben.

Vor einem Jahr haben die Mpox-Ausbrüche gezeigt, dass einkommensschwache Länder bei der Verteilung von Impfstoffen wieder leer ausgehen, wenn den Herstellern keine verpflichtenden Maßnahmen zum Verzicht auf geistige Eigentumsrechte und zum Transfer von Technologien und Wissen auferlegt werden, die eine schnelle lokale Produktion ermöglichen. Der PABS-Verhandlungsprozess wird dies adressieren müssen, denn in seiner jetzigen Form wird der Pandemievertrag dem Anspruch auf Prävention und Bekämpfung zukünftiger Pandemien nicht gerecht.

Felix Litschauer

Felix Litschauer ist Referent für Globale Gesundheit bei medico und setzt sich mit unseren Partner:innen für solidarische Versorgungsmodelle ein.

Bluesky: @litschauerfelix


Jetzt spenden!