El Mozote

Keine Gerechtigkeit

03.12.2020   Lesezeit: 3 min

In wenigen Tagen jährt sich das größte Kriegsverbrechen des salvadorianischen Bürgerkriegs zum 39. Mal.

Von Moritz Krawinkel

Für die ca. 900 Menschen, die bei dem größten von vielen Kriegsverbrechen im Bürgerkrieg getötet wurden, gibt es bis heute keine Gerechtigkeit.

Am 10. Dezember 1981 fiel das Batallón Atlácatl in der Siedlung El Mozote, im Nordosten von El Salvador, ein. Vom US-Militär zur Aufstandsbekämpfung ausgebildet, sollte die Einheit die Region von der linken Befreiungsbewegung FMLN säubern. In El Mozote trafen die Soldaten nicht nur auf die Bewohner:innen der dreißig Häuser, aus denen El Mozote bestand, sondern auch auf Menschen aus dem Umland, die hier Zuflucht gesucht hatten. Die Soldaten blieben über Nacht und zwangen die Menschen in die Häuser.

Am nächsten Morgen, dem 11. Dezember, ließ das Bataillon die Menschen antreten, trennte die Männer von den Frauen und Kindern, brachte die Gruppen in unterschiedliche Häuser und verhörte die Menschen einzeln und unter Folter. Mittags begannen die Soldaten, Frauen und Mädchen zu vergewaltigen und zu töten. Anschließend erschossen sie die in der Kirche eingesperrten Kinder. Nachdem die gesamte Bevölkerung ermordet worden war, setzten die Soldaten das Dorf in Brand. Nachdem die Mörder eine weitere Nacht in den Überresten von El Mozote verbracht hatten, zogen sie weiter. Auch in umliegenden Gemeinden töteten sie unterschiedslos, immer unter dem Vorwand, Teil der Guerilla zu sein oder ihr zu helfen.

Wenige Tage nach dem Massaker berichteten Journalist:innen der New York Times und der Washington Post über die Gräuel, die sie in El Mozote vorfanden. Armee und Regierung leugneten, die Reagan-Administration sprach von „krassen Übertreibungen“.

El Mozote ging 1980 die Ermordung von 30-50 Menschen beim Begräbnis von Óscar Romero sowie das Sumpul-Massaker voraus, bei dem 300-600 Flüchtlinge von Soldaten getötet wurden. 1982 folgten das Massaker in El Calabozo mit ca. 200 Toten und viele weitere Kriegsverbrechen. 1989 war das Batallón Atlácatl auch an der weltweit mit Empörung aufgenommenen Ermordung von sechs Jesuitenpatern, einer Hausangestellten und ihrer Tochter in der Universidad Centroamericana von San Salvador beteiligt.

Im Zuge der Friedensverträge 1992 wurde eine Wahrheitskommission eingesetzt, die die Vorkommnisse in El Mozote aufarbeitete. Sie bestätigte ohne jeden Zweifel den Tod hunderter Zivilist:innen. Aufmerksamkeit erfuhr auch die aktive US-Unterstützung für das brutale Vorgehen. 1993 verabschiedete El Salvador ein Amnestiegesetz für alle Personen, die in UN-Untersuchungen verwickelt waren, wodurch die Armee effektiv von der Strafverfolgung ausgenommen wurde. Anfang 2012 Jahre bat der FMLN-Präsident Funes im Namen des Staates für das Massaker von El Mozote um Vergebung. Gleichzeitig setzte er sich über den Friedensvertrag hinweg, indem er die höchsten Sicherheitsposten des Landes mit Militärs besetzte.

Im Jahr 2016 schließlich wurde das Amnestiegesetz gekippt und ein Verfahren wegen El Mozote eröffnet. Die Mörder sind jedoch bis heute auf freiem Fuß und ungeklärt bleibt nach wie vor, ob das Massaker von höchster Stelle angeordnet worden war. Bis in die jüngste Gegenwart weigert sich das salvadorianische Verteidigungsministerium, der Justiz des Landes den juristisch erwirkten Zugang zum Militärarchiv zu gewähren, um weitere Beweise für das Massaker von El Mozote zu sichern. Präsident Bukele ist entgegen früherer Versprechen „ein weiterer Präsident der Straflosigkeit“ hieß es nach der letzten Verweigerung des Zugangs zum Archiv im Herbst dieses Jahres. Die Mörder von El Mozote bleiben straffrei, den Opfern wird Gerechtigkeit verweigert.

medico unterstützt seit Jahren das Museo de la Palabra y la Imagen (MUPI) in San Salvador, wo in Ausstellungen und Bildungsprojekten die Erinnerung auch an El Mozote wachgehalten und die Forderung nach historischer Gerechtigkeit aufrechterhalten wird. Zur Erinnerungsarbeit im MUPI gehört auch die Erinnerung an La Matanza: 1932 töteten salvadorianische Soldaten systematisch zehntausende Menschen indigener Herkunft im Westen des Landes, die sich gegen die soziale Ungerechtigkeit wehrten.

Im vergangenen Jahr veröffentlichte das investigative Nachrichtenportal El Faro einen 30-minütigen Dokumentarfilm (engl. UT), der den Überlebenden von El Mozote eine Stimme gibt:

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Moritz Krawinkel

Moritz Krawinkel leitet die Öffentlichkeitsarbeit bei medico international. Außerdem ist der Soziologe in der Redaktion tätig und für die Öffentlichkeitsarbeit zu Zentralamerika und Mexiko zuständig.

Twitter: @mrtzkr


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