Überflutete Dörfer, ausgetrocknete Böden, Menschen auf der Flucht vor Wasser oder Hitze – die Bilder der Klimakrise sind omnipräsent und doch droht diese stärker denn je in der Flut weltweiter Kriegs- und Krisenberichterstattung unterzugehen. Während die ausbleibende politische Regulierung die Treibhausgasemissionen fortlaufend ansteigen und das 1,5-Grad-Ziel in weite Ferne rücken lässt, eskalieren die durch die Klimakrise verursachten Schäden – und das besonders in jenen Ländern, die kaum zur Erderhitzung beitragen.
Eines dieser Länder ist Pakistan, das – nach dem Klima-Risiko-Index 2025, der die Auswirkungen von Extremwetterereignissen auf Länder und Regionen auswertet – selbst weniger als ein Prozent der globalen Treibhausgase emittiert hat, jedoch zu einem der zehn am stärksten von der Klimakrise betroffenen Staaten zählt. Damit steht das Land nicht nur beispielhaft für das enorme globale Ungleichgewicht hinsichtlich der Urheberschaft und der Auswirkungen der Erderhitzung, sondern ist auch Kristallisationspunkt der Kämpfe um einen angemessenen Umgang der internationalen Gemeinschaft mit den Schäden und die Übernahme globaler Verantwortung.
Seit Jahren häufen sich in dem südasiatischen Land Extremwetterereignisse. Dazu zählen Rekordtemperaturen jenseits der 50 Grad Celsius, massive Überschwemmungen und Dürren. Die Flut von 2022 sorgte im Land für die bisher größte von der Klimakrise hervorgerufene Zerstörung. Die durch Starkregen ausgelöste Überschwemmung traf mehr als 33 Millionen Menschen, forderte mindestens 1739 Todesopfer und hinterließ flächendeckend zerstörte Straßen, Schulen und Felder sowie ganze Gemeinden ohne Obdach. In den überfüllten Notlagern grassierten in der Folge Krankheiten wie Durchfall, Malaria oder Atemwegsinfektionen und forderten zahlreiche stille Opfer.
Nur zwei Jahre später, 2024, wiederholte sich das Muster: Erst ächzte das Land unter sengender Hitze, dann kam es zu sintflutartigen Regenfällen. Und wieder verloren Menschen ihre Existenzgrundlage – nicht selten zum zweiten oder dritten Mal innerhalb weniger Jahre. Die wiederkehrenden Katastrophen sind in Pakistan mittlerweile Teil eines „neuen Normalzustands“ geworden, der das Leben von Millionen Menschen bestimmt. In dem Land mit seinen knapp 250 Millionen Einwohnern hat sich die Zahl extremer Wetterereignisse in den vergangenen 30 Jahren mehr als verdreifacht. Laut dem IPCC-Bericht von 2021 wird deren Häufigkeit und Intensität durch die fortlaufende Erderhitzung weiter stark zunehmen. Die Klimakrise ist für Pakistan somit längst keine hypothetische Zukunftsbedrohung mehr, sondern alltägliche Realität – die Verhältnisse dort führen uns schon heute vor Augen, was mit fortschreitender Erderhitzung und sich häufenden Extremwetterereignissen auch andernorts droht.
Dramatisch ist dabei nicht nur die unmittelbare Zerstörung, sondern sind auch deren langfristige Folgen, die die ohnehin große soziale Ungleichheit noch verstärken und neue hervorbringen. Denn die durch die Klimakrise hervorgerufenen Extremwetter zerstören die Lebensgrundlage von Millionen Menschen. Über Monate konnten in weiten Teilen Pakistans nach den Fluten von 2022 und 2024 weder die Ernte eingebracht noch neues Saatgut ausgesät werden, landwirtschaftliche Kanäle und Bewässerungssysteme waren zerstört. Langfristig senken die durch die Überflutung verursachte Verschmutzung und Versalzung der Böden deren Qualität und damit den Ertrag. Auch Speicher für Saatgut und Ernten, mit denen sich insbesondere Kleinbauern bislang eine minimale Unabhängigkeit von Marktkonjunkturen und dem Druck von Großgrundbesitzern verschaffen konnten, wurden zerstört. Tausende einfache Farmer und ihre Familien wurden dadurch in eine tiefe Schuldenkrise getrieben, die teils gar die Form von Leibeigenschaft annimmt, wie eine Untersuchung direkt nach der Flut von 2022 zeigt.
In der Provinz Sindh trägt die extreme Hitze zur Versalzung des Indusdeltas durch in den Fluss nachlaufendes Meerwasser bei und reduziert gleichzeitig die Zeitfenster für Fischfang auf dem Meer. Weil sich Fischschwärme durch die ansteigenden Wassertemperaturen in immer tiefere und weiter von der Küste entfernte Gewässer zurückziehen, steigt zudem der Aufwand des Fischfangs derart an, dass er für kleine Fischer jenseits der Großindustrie zunehmend unrentabel wird. In den tausenden Textil- und Chemiefabriken Karatschis, Lahores und Faisalabads wiederum führen die extremen Temperaturen dazu, dass die Arbeit nur noch schwerlich ohne Gesundheitsschädigungen möglich ist. Ob in den überschwemmten Dörfern in Sindh oder den Armenvierteln Karatschis, überall zeigt sich: Am härtesten trifft die Klimakrise diejenigen Menschen, die arm und prekär beschäftigt sind, wenig oder keinen Zugang zu Klimaanlagen oder schattigen Arbeitsplätzen haben, sich Mobilität nicht leisten können und zudem auf die unzureichende öffentliche Infrastruktur wie Schulen, Transport und Gesundheitseinrichtungen angewiesen sind. Die Zerstörung der Häuser durch die Fluten bedeutet für viele Familien das Zusammenschrumpfen oder gar die Vernichtung ihres Lebensraums; die wachsende Armut wiederum lässt die Anzahl der täglichen Mahlzeiten sinken und führt dazu, dass – wenn überhaupt – nur noch Jungen in die oft weit entfernte Schule geschickt werden.
95 Millionen Menschen in Armut
Durch die Extremwetter ihrer Lebensgrundlagen beraubt, müssen sich Fischer:innen wie Bäuer:innen als Arbeitskräfte und Tagelöhner:innen in den nahe gelegenen Städten verdingen, wo der Preis für ihre Arbeitskraft durch die Menge der Zuziehenden immer weiter sinkt – mit der Folge, dass viele als verarmte Surplusbevölkerung von Suppenküchen leben müssen. Von 2021 bis heute ist die Zahl der Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, von 55 auf 95 Millionen gestiegen.
Doch das sind nur die offenkundigen Auswirkungen, viele indirekte Folgen bleiben unsichtbar. So werden in Pakistan laut einem kürzlich von Amnesty International publizierten Bericht weniger als fünf Prozent aller Todesfälle überhaupt statistisch erfasst. 2022, als die Temperaturen in vielen Teilen der Provinz Punjab, in der über 120 Millionen Menschen leben, 50 Grad Celsius erreichten, gab es keine offiziell registrierten hitzebedingten Todesfälle. Eine tatsächliche Abbildung gesundheitlicher Auswirkungen der Klimakrise ist so nur schwer möglich. Todesursachen wie Infektionskrankheiten nach Überflutungen oder Hitzschläge in Armenvierteln tauchen kaum in den offiziellen Daten auf und lassen sich so auch nicht als klimabedingt zuordnen. Die in der hiesigen Berichterstattung unterrepräsentierten Weltregionen des Globalen Südens werden somit doppelt unsichtbar: Was nicht gezählt wird, existiert auch nicht. Und was nicht existiert, wird auch nicht besprochen.
Wozu es hingegen Zahlen gibt, sind die wirtschaftlichen Schäden. So wurden die Kosten allein der unmittelbaren Zerstörung infolge der Flut von 2022 auf 30 Mrd. US-Dollar geschätzt. Wie der Asia-Pacific Climate Report 2024 prognostiziert, droht das Bruttoinlandsprodukt Pakistans durch den Klimawandel bis 2070 um bis zu 17 Prozent zu sinken, die Weltbank spricht gar von 20 Prozent für den gleichen Zeitraum. Die Prognosen beziehen die erwarteten Einbrüche in der Landwirtschaft ein, die einen Großteil des pakistanischen BIP erwirtschaftet und deren Schädigung infolge der Flut 2022 bereits zu einer massiven Versorgungskrise geführt hat. Zwar befindet sich Pakistans Wirtschaft auch ohne Klimakrise seit längerem in einer Polykrise, das Ausmaß bereits eingetroffener und fortlaufend drohender klimakrisenbedingter Schäden wäre aber auch für eine stabile Volkswirtschaft kaum zu bewältigen und verweist das Land auf internationale Unterstützung.
Angesichts der eklatanten Diskrepanz zwischen der Verantwortung für die Klimakrise und der Betroffenheit von ihr hatte die damalige pakistanische Klimaministerin Sherry Rehman auf der Weltklimakonferenz 2022 im ägyptischen Sharm el-Sheikh statt auf Hilfe auf Reparationszahlungen durch Industrienationen und große Treibhausgasemittenten bestanden. Doch ihre Forderung verhallte kläglich und blieb von den anderen Regierungsdelegationen gänzlich unkommentiert.
Ausbleibende Klimafinanzierung
Auch die geleistete internationale Hilfe zum Wiederaufbau in Pakistan blieb unzureichend. Im Januar 2023 wurden auf einer UN-Geberkonferenz in Genf neun Mrd. US-Dollar gesammelt. Ein Großteil davon sollte später aber nicht als Aufbauhilfe, sondern in Form konditionierter Kredite nach Pakistan fließen. Erst kürzlich hat der Internationale Währungsfonds (IWF) dem Land eine Tranche von 1,4 Mrd. US-Dollar für Projekte zur Herstellung von Klimaresilienz zur Verfügung gestellt. Aber auch dabei handelt es sich nicht um Zuschüsse, sondern um Kredite, die das ohnehin hoch verschuldete Land weiter belasten und weder die individuellen noch die gesellschaftlichen Kapazitäten zur Bewältigung der Klimakrise tatsächlich strukturell verbessern.
Damit ist Pakistan nicht allein. Die Bilanz internationaler Klimafinanzierung ist ernüchternd. Laut dem Klima-Risiko-Index 2025 ereigneten sich zwischen 1993 und 2022 weltweit über 9400 klimakrisenbedingte Katastrophen. Sie forderten mehr als 765 000 Menschenleben und verursachten, inflationsbereinigt, Schäden von fast 4,2 Bill. US-Dollar. Einem Expertenbericht zufolge belaufen sich die jährlichen Kosten für den Kampf gegen die Klimakrise allein in den Schwellen- und Entwicklungsländern auf jährlich 2,4 Bill. Euro, Tendenz steigend. Doch zwischen dem Finanzierungsbedarf und der tatsächlich geleisteten Unterstützung klafft eine erhebliche Lücke. Der im Rahmen der Weltklimakonferenzen entstandene Fonds für Verluste, Schäden und Klimaanpassung ist bisher nicht mehr als geduldiges Papier. Die in Aussicht gestellten Beträge decken nur einen Bruchteil der bereits entstandenen und zu erwartenden Schäden ab. Die wiederholten Zusagen von Staaten, insbesondere im Rahmen des Pariser Abkommens, sind freiwillig und bisher weitestgehend unentrichtet. Fehlende Regelungen und Auszahlungsmechanismen tragen zudem dazu bei, dass die Finanzierung für die Klimaanpassung und die Behebung von Schäden für besonders betroffene Staaten nur schwer zugänglich ist. Individuen und dörfliche Gemeinschaften kommt in all diesen Mechanismen ohnehin kein Anrecht auf Entschädigung zu.
Für Pakistan bedeutet das: Dringend notwendige Rehabilitierungsmaßnahmen, etwa beim Wiederaufbau zerstörter Infrastruktur oder zur Stärkung von Katastrophenschutzsystemen, können nicht umgesetzt werden. Zugleich sind die betroffenen Dörfer in Sindh bei der Bewältigung der Schäden der Geschwindigkeit und Korruption staatlicher Strukturen unterworfen. Und die mit der Jahrhundertflut von 2010 ins Leben gerufenen Behörden für Katastrophenschutz und -prävention agieren aufgrund der Dominanz des Militärs über zivile Schutzstrukturen, von Korruption und fehlender Einbindung der Zivilgesellschaft oft dysfunktional.
Dass Pakistan vergleichsweise geringe Kapazitäten zur Bewältigung der Klimakrise und zur Anpassungsfähigkeit aufweist, erklärt sich, wie in der Mehrzahl der Katastrophenregionen weltweit, zu einem signifikanten Teil aus den historischen Hinterlassenschaften der Kolonialzeit. In Pakistan errichtete das British Empire gigantische Staudämme und Kanalsysteme, arrangierte Landnutzung wie Besitzverhältnisse neu und legte damit den Grundstein nicht nur für massive soziale, sondern auch für ethnisch-kulturell strukturierte Machtverhältnisse, die bis heute die Lebensperspektiven der Menschen beeinflussen.
Die Illusion des Wiederaufbaus
In Ländern wie Pakistan wird angesichts der Normalisierung des Dauerkrisenzustands Wiederaufbau zunehmend zur Illusion. An dem Land zeigt sich beispielhaft, was passiert, wenn politische Regulierung und die Durchsetzung des Verursacherprinzips insbesondere gegenüber privaten Großemittenten weiter ausbleiben: Menschen verlieren nicht nur ihre Häuser, ihre Lebensgrundlage oder ihre Gesundheit – sie verlieren ihre Zukunft. Die Klimakrise produziert eine neue Ordnung zukünftig bewohnbarer und perspektivisch unbewohnbarer Weltregionen, zwischen denen und in denen Katastrophenwarn- und Schutzvorkehrungen nicht für alle gleichermaßen zugänglich sein werden. Doch auch wenn sich mittlerweile die historische Emissionsverantwortung von Staaten, Unternehmen und Superreichen berechnen lässt, werden diese weiterhin nicht zur Rechenschaft gezogen.
Die Klimakrise ist mehr als eine ökologische Herausforderung – ihre Bearbeitung ist auch eine politische Frage nach der Inanspruchnahme grundlegender Menschenrechte auf ein Leben in Würde und Selbstbestimmung. Pakistans Realität ist ein eindringlicher Appell: Ohne massive, koordinierte und sozial gerechte Klimapolitik ist die Bewältigung der Krise nicht möglich. Klimagerechtigkeit darf dabei kein moralischer Bonus bleiben – sie ist die Voraussetzung dafür, dass das Recht auf ein Leben in Gesundheit und Würde für alle Menschen auch in Zukunft universell geschützt werden kann.
Dieser Beitrag erschien zuerst in den Blättern für deutsche und internationale Politik, August 2025.