medico: Die Klimakrise schreitet voran, gleichzeitig erleben wir eine weltweite Zunahme des Autoritarismus. Cara, du argumentierst, dass diese Entwicklungen zusammenhängen. Inwiefern?
Zunächst einmal hat die Industrie der fossilen Brennstoffe schon immer eine autoritäre Seite. Seit dem Imperialismus des 19. Jahrhunderts, als die fossilen Brennstoffe an Bedeutung gewannen, speist sich die Wohlstandsakkumulation aus der Ausbeutung von Kohle, Öl und Gas. Dies führte zur Entstehung von Petrokulturen, in denen fossile Brennstoffe die materielle Grundlage sowohl der westlichen Vorherrschaft als auch ihrer liberalen Freiheiten und Werte bilden. Das fossile Kapital ist auf den unbegrenzten Zugriff auf Rohstoffe angewiesen. Dieser ging immer schon auf Kosten der Natur, basierte auf Ausbeutung und wurde mit Macht durchgesetzt. Die USA und Europa haben eng mit autoritären Regimen in Öl- und Gasförderländern zusammengearbeitet. Sie haben sie unterstützt und manchmal auch mit Gewalt an die Macht gebracht. In dieser Hinsicht haben sich unsere „Kohlenstoffdemokratien“ mit dem Autoritarismus und in Abhängigkeit von ihm entwickelt. Neu ist, dass Teile der Gewalt, die weitgehend ausgelagert und unsichtbar gemacht worden war, nun in den imperialen Zentren selbst präsent ist. Es ist ein „gewaltiger Bumerang“ – so hat Aimé Cesaire einst beschrieben, wie die imperiale Gewalt im Ausland die Grundlagen für den Faschismus in Europa legte.
Warum ist das so?
Die Klimakrise ist eine existenzielle Bedrohung, und letztlich ist man sich weitgehend einig, dass der Westen historisch gesehen die Hauptverantwortung dafür trägt. Der „American Way of Life“ und seine Privilegien sind öl-getränkt und kohleverschmutzt. Es sollte auf der Hand liegen, dass sich diese Lebensweise ändern muss. Den politischen Liberalismus führt das in eine Sackgasse: Da er nicht bereit ist, über eine Alternative zur kapitalistischen Produktion nachzudenken, hat er – zumindest in den USA – keine überzeugende Antwort auf die wachsende soziale Ungerechtigkeit oder die globalen Probleme. Es gibt keine liberale Vision für eine Umstellung der Lebensweise weg vom intensiven Energie- und Materialverbrauch. Was dem Liberalismus bleibt, ist das Hoffen auf technologische Lösungen und ein von Scham- und Schuldgefühlen geprägtes Konsumverhalten. Diese politische Lücke wird von der extremen Rechten besetzt. Ihre Botschaft ist einfach, aber wirkungsvoll. Sie lautet: „Niemand braucht sich für diese Lebensweise zu schämen oder sich schuldig zu fühlen. Wir machen weiter wie bisher.“ Der neue Autoritarismus ist also die reaktionäre Antwort auf die Verteidigung des gefährdeten Status quo und unserer Freiheiten mit allen Mitteln. Und zu dieser Freiheit zählt in den westlichen Gesellschaften wesentlich, unbegrenzt konsumieren zu können – und die all-zeitige Verfügbarkeit von Energie mit allen erdenklichen Mitteln sicherzustellen.
Trump hat den alten republikanischen Slogan „Drill, baby drill“ in den Mittelpunkt seines Wahlkampfes gestellt.
Ja, er hat einen nationalen Energienotstand ausgerufen und dazu aufgerufen, die Förderung fossiler Brennstoffe zu entfesseln. Natürlich kommt dies den Profiten der Manager fossiler Brennstoffe zugute, die seine Kampagne finanziert haben. Aber es ist auch auf einer emotionalen und narrativen Ebene verlockend. Trump bietet eine willkommene Abwechslung von den Schuldgefühlen, der Resignation und der Lähmung, die sich mit der Klimakrise breitmachen. Die Petrokultur als ungerecht und gewalttätig in Frage zu stellen, bedeutet in diesem Sinne, den US-amerikanischen Exzeptionalismus und die amerikanische Identität in Frage zu stellen. Es gibt hier eine Parallele dazu, wie die neue Rechte antirassistische, indigene und feministische Forderungen nach einem kritischeren Verständnis der amerikanischen Geschichte ablehnt: Sie will sich einfach nicht schuldig fühlen. Entsprechend bejaht und feiert der Trumpismus fossile Brennstoffe.
Gleichzeitig demonstrieren Milliardäre dies mit ihren Superjachten und Flügen ins All – weil sie es können.
Diese Form des verschwenderischen Verhaltens ist nicht auf die Eliten beschränkt. Der auffällige Verbrauch fossiler Brennstoffe kann auch für die arbeitende Bevölkerung und die Mittelschicht von symbolischer Bedeutung sein. In den USA gibt es das bemerkenswerte Phänomen der „Rolling Coal“: Menschen bauen den Dieselmotor ihrer Lastwagen extra so um, dass er besonders rußige Abgaswolken produziert. Das zeigt, wie sehr die Erotik der Herrschaft mit der Industrialisierung der fossilen Brennstoffe verknüpft ist. Es sind symbolische Formen der Macht, die vielen ein Gefühl von Handlungsfähigkeit in einem System vermitteln kann, das ansonsten nur wenig Sicherheit bietet.
Insofern ist der neue Autoritarismus auch eine Reaktion auf eine verunsicherte Männlichkeit?
Diesen Zusammenhang haben ich mit dem Begriff Petromaskulinität zu fassen versucht. Die fossile Brennstoffindustrie ist nicht nur ein wirtschaftlich-technisches System. Sie ist Teil eines umfassenden Geflechts von Privilegien und Hierarchien, das seit Jahrzehnten kulturelle Bedeutung prägt. Geschlecht und Energietechnologien bedingen sich gegenseitig. Sie führten zu neuen Formen der Arbeits- und Wohnorganisation, die eine moderne Geschlechterordnung mit industriellen „Ernährer“-Ehemännern, die von Hausfrauen unterstützt werden, stärkten. Dies ist Teil dessen, was die deutsche Ökofeministin Maria Mies die „Hausfrauisierung“ der Welt nannte. Petromaskulinität bezeichnet die Konvergenz von Autoritarismus, fossilen Brennstoffen und patriarchaler Macht. Diese politische Formation begreift die Welt als Rohstoff und maßt sich das Recht an, auf ihn zuzugreifen, ihn auszubeuten und zu vernutzen. In diesem Sinne feminisiert Petromaskulinität die Natur und naturalisiert die Reproduktionsarbeit.
Die Stunde des Autoritarismus schlägt in dem Moment, in dem beide Systeme in der Krise sind: Die fossile Energiewirtschaft wegen der Klimakrise, die Geschlechterhierarchie und -binarität wegen der feministischen und queeren Selbstbehauptung?
Genau. Misogynie und Klimaleugnung sind strukturell miteinander verbunden. Sie verteidigen gewohnte Hierarchien und privilegierte Freiheiten. Psychopolitisch gesehen, sind es gewaltsame Kompensationen für aufkommende Ängste und Ohnmacht angesichts der Komplexität globaler Systeme, einschließlich der Ökosysteme. Tatsächlich sind die lautstärksten Klimaleugner und führenden Befürworter fossiler Brennstoffe in der Regel weiße, konservative Männer. Sie unterstützen den Trumpismus, weil er ihnen Sicherheit gibt: Sie dürfen wieder „richtige Männer“ sein, sie dürfen so viel Energie verbrauchen, wie sie wollen, und sie dürfen ihre Macht über Frauen geltend machen.
Dieses Muster zieht sich durch die neue Rechte weltweit: Das war bei Bolsonaro in Brasilien so und ist jetzt bei Milei in Argentinien so. Auch die AfD will nichts von Gender Trouble oder der Klimakrise wissen.
Der Punkt ist, dass die extreme Rechte die Klimakrise nicht einfach ignoriert – sie wehrt sich aktiv dagegen und gegen alles, was damit zusammenhängt, einschließlich der Verweigerung der Verantwortung für diejenigen, deren Lebensgrundlagen durch die globale Erhitzung zerstört werden.
Ein Einwand liegt auf der Hand: Im Zentrum der Macht hüpft jetzt ein Elon Musk über die Bühne, der mit dem E-Auto Tesla eine andere Art von Energiewirtschaft vertritt.
Hier zeigt sich die Schwäche des technikzentrierten Ansatzes: Tausche einen Verbrennungsmotor gegen ein E-Auto aus, nichts anderes muss sich ändern. Die Versuchung, sich so „freizukaufen“, ist verlockend, zumal dann, wenn keine kollektiven Alternativen angeboten werden. Interessant ist, dass Elektroautos anfangs als elitär und weiblich vermarktet wurden. Inzwischen hebt Elon Musk allerdings die Härte von Tesla hervor – versinnbildlicht in seinem extrem robusten EV-Truck. Damit unterstreicht er, dass sich auch an der patriarchalischen Macht nichts ändern muss. Musk steht heute für einen Ökomodernismus, der vorgibt, dass alle Probleme durch technologische Innovationen gelöst werden können. Bestes Beispiel sind Projekte des Geoengineering und Emissionsspeicher unter der Erdoberfläche. Dies bricht jedoch nicht mit der Logik des Wachstums. Im Gegenteil: Die technologiegetriebene Ökomoderne à la Musk verewigt das umweltzerstörerische Wachstum. Auch jenseits von Öl und Gas bleibt der Hunger nach unbegrenzter Verfügbarkeit von Energie gewaltig.
Die Petrokultur verlängert sich in der „Lithiumkultur“?
Ja, der Wettlauf um kritische Mineralien verweist auf das zugrunde liegende Problem: die Fantasie der unbegrenzten Energieexpansion. Solar- und Windenergie und Elektrifizierung sind von entscheidender Bedeutung, müssten aber mit einem viel tieferen Wandel in der Bewertung von Energie einhergehen: Wie viel Energie ist für das kollektive Wohlergehen ausreichend? Für wen und wofür ist das Energiewachstum gedacht? Das Versäumnis, auf diese Weise über Energie nachzudenken, lässt sich am Boom der künstlichen Intelligenz ablesen. Sie verbraucht astronomische Mengen an Energie. Aber das hält niemanden auf und schreckt niemanden ab.
Als medico sind wir mit der Tatsache konfrontiert, dass die verheerenden Folgen der Klimakatastrophe in anderen Teilen der Welt hierzulande kaum auf Interesse stoßen. Unsere Erklärung dafür ist meist, dass es den Menschen einfach zu viel ist: dass sie lieber wegschauen, weil es unerträglich ist.
Viele Menschen sind sich bewusst, dass etwas grundlegend falsch ist. Und ja, manchmal bedeutet dies, dass sie wegschauen, weil sie keine wirkliche Handlungsmöglichkeit und keine Alternative sehen. Die liberale Antwort erweist sich als Pflaster auf einer klaffenden Wunde. Im Gegensatz dazu greifen petromaskuline und faschistische Bewegungen dies direkt auf. Es geht allein um die Belange „der eigenen Leute“ und der ethnonationalistisch definierten Heimat. Das Leiden anderer wird zu einem natürlichen Phänomen gemacht, zu einem notwendigen Teil einer rauen Welt – letztlich zur Mahnung, was einem selbst zustoßen könnte, wäre man ohne Macht.
Gerade weil die Klimakrise global ist und wir die Auswirkungen selbst spüren, könnte dies auch ein Gefühl der Empathie oder Solidarität wecken.
Von Studien über Autoritarismus wissen wir, dass es schwierig wird, wenn Menschen glauben, dass sie die Dinge nicht mehr unter Kon- trolle haben. Und die Klimakrise ist eine Situation, in der die Dinge zunehmend außer Kontrolle geraten. Das erklärt den autoritären Wunsch nach einer Führung, die behauptet, alles im Griff zu haben. Das ist es, was Trump ständig tut: Er gibt vor, enorme Macht zu haben und alles unter Kontrolle zu haben. Das hat er aber nicht. Aber es ist die Performance, die zählt.
In deinem Buch schreibst du, dass sich der globale Norden auf eine militarisierte Version der Klimasicherheit vorbereitet, und verweist dabei auf das Bild einer Politik des „bewaffneten Rettungsboots“.
Im Gegensatz zur vermeintlichen Heuchelei des Liberalismus sagt die extreme Rechte genau das: „Hey, es ist ein gewalttätiges System, aus dem einige als Gewinner hervorgehen. Also lasst uns alles tun, was wir können, um ‚unsere‘ Leute und Dinge zu schützen.“ Und sie geht aggressiv gegen jeden vor, der ihnen ihren Platz in diesem Boot streitig machen könnte.
Im Bild des bewaffneten Rettungsbootes wird das Eintreten der Katastrophe eingeräumt. Ein Rettungsboot ist ja keine positive Vision, es ist nicht einmal eine sichere Insel oder eine Festung, in der man sich niederlassen und überleben kann.
Die faschistische Weltanschauung ist von einem Gefühl der Apokalypse motiviert. Das drohende Unheil ist die Rechtfertigung für die Gewalt. Und wenn die Flut kommt, ist das Rettungsboot sehr wohl der Ort, an dem man sein möchte – also muss man es verteidigen. Dies zeigt die zerstörerische Kraft des fossilen Autoritarismus: Er macht sich die Tatsache zu eigen, dass der Verbrauch fossiler Brennstoffe unbestreitbar zerstörerisch ist und in einer Katastrophe enden wird. Vielleicht zeigt dies, wie nahe wir dem Faschismus sind: Der Faschismus hatte schon immer einen inhärenten Todestrieb.
Das Gespräch begann düster, jetzt ist es pechschwarz geworden. Was würdest du dem Ganzen entgegenstellen?
Zunächst einmal sollten wir uns darüber im Klaren sein, was nicht funktioniert. Die Leugnung des Klimawandels kann nicht als Versagen der wissenschaftlichen Kommunikation und der Vernunft verstanden werden. Man muss das autoritäre Begehren begreifen, das hinter der Leugnung des Klimawandels und der breiten Akzeptanz dieser Narrative steht. Zweitens sollten wir uns von der in Umwelt-kreisen immer noch weit verbreiteten Vorstellung verabschieden, dass die Folgen der Klimakrise automatisch zu der Erkenntnis führen werden, dass wir unsere Energiewirtschaft ändern müssen. Die Energiewende muss eine Energietransformation sein, es geht nicht nur um einen Wechsel der Brennstoffe, sondern auch darum, für wen und was Energie verbraucht wird. Dies könnte wie eine Kombination aus Degrowth – für diejenigen, die in materialintensiven Kulturen leben – und einer Abkehr von extraktiven Wirtschaftssystemen aussehen, die den Aufbau ökosozialistischer und anderer ökologisch großzügiger Systeme ermöglicht. In meiner feministischen Perspektive müsste das aufgewertet werden, was die Petromaskulinität abwertet, sei es Sharing oder Care-Arbeit, sei es die Nutzung von Wind-oder Solarenergie in Gemeinschaftsbesitz, sei es die Anerkennung unserer Abhängigkeit von anderen Menschen und unseren Ökosystemen. Die größte Angst der Petromaskulinität besteht schließlich darin, abhängig zu sein.
Wer will schon abhängig sein?
In der Welt, wie sie sich derzeit darstellt, bedeutet abhängig zu sein, ausgebeutet zu werden, weder anerkannt noch geschützt zu sein. Diese Art der Abhängigkeit ist schrecklich. Die Frage ist, wie man sie löst: Befreit man sich, indem man danach strebt, selbst „Herr“ oder „Herrin“ zu werden? Genau das ist allzu oft das Problem des liberalen weißen Feminismus: „Ich will nicht mehr auf die Hausarbeit festgeschrieben sein, also gehe ich arbeiten und lasse dafür eine andere Frau – oft eine Woman of Colour – putzen, kochen und sich um die Kinder oder die Älteren kümmern.“ Die Frage ist also, wie wir Systeme schaffen können, in denen Abhängigkeit nicht beängstigend, sondern unterstützend und schützend ist. Dies ist das Prinzip der gegenseitigen Hilfe...
… und des Multilateralismus. Zum Schluss: Was bedeutet für dich vor diesem Hintergrund Klimagerechtigkeit?
Für mich bedeutet es, darauf zu bestehen, dass soziale Ungerechtigkeit und die Klimakrise untrennbar miteinander verbunden sind. Konzepte des nachhaltigen Wachstums oder des grünen Kapitalismus geben immer noch vor, dass man eine klimaneutrale Wirtschaft betreiben kann, ohne grundlegende Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnisse zu verändern. Das wird nicht funktionieren.
Das Interview führten Karin Zennig und Christian Sälzer.
Dieser Beitrag erschien zuerst im medico rundschreiben 02/2025. Das Rundschreiben schicken wir Ihnen gerne kostenlos zu. Jetzt abonnieren!