Sierra Leone: Von Konfliktdiamanten zu Diamantenkonflikten

Eine Reise zu den vergessenen Schürfern im Osten von Sierra Leone. Von Anne Jung.

"Wenn ich die Zukunft selbst bestimmen könnte, dann würde ich sofort damit aufhören, nach Diamanten zu suchen und in der Landwirtschaft arbeiten, um meine Familie ernähren zu können." Salomon Magai Kpandewo arbeitet als Diamantenschürfer in Sierra Leone. Anstelle eines festen Lohns für die Fron in der Mine erhält er lediglich zwei Schalen Reis pro Tag. In sengender Sonne arbeitet er auf der verzweifelten Suche nach dem einen großen Stein, der sein Leben verändern soll. Doch die Wirklichkeit sieht anders aus: Seit einem Jahr hat er nicht einmal mehr den kleinsten Diamanten gefunden. Die Region Kono liegt im Osten von Sierra Leone. Hier begann der blutige Bürgerkrieg im Jahr 1991, dort endete er gewaltvolle 10 Jahre später. Mit einer Gruppe Journalisten und Bonn International Center for Conversion (BICC) reisten wir in diese entlegene Provinz, um den Kriegsfolgen nachzuspüren und um herauszufinden, ob aus den Konfliktdiamanten tatsächlich Friedenssteine wurden, wie es die internationale Diamantenindustrie so gerne behauptet.

Jugendinitiative in der Diamantenregion

In Koidu, der Hauptstadt der Region, treffen wir das Network Movement for Justice and Development (NMJD), mit dem medico im Rahmen der Kampagne gegen Konfliktdiamanten zusammenarbeitet. Dieses Netzwerk für Gerechtigkeit und Entwicklung hat bereits während des Bürgerkriegs versucht in den umkämpften Regionen Sierra Leones zivilgesellschaftliche Bewegungen für den Frieden zu initiieren. NMJD war eine der ersten unabhängigen Organisationen in Afrika, die sich mit den Folgen des Handels mit Rohstoffen für die Konflikte im eigenen Land auseinandersetzten. Es wird schnell klar, dass die Interessenskämpfe um die wertvollen Steine auch fünf Jahre nach Ende des Krieges noch immer Anlass für Konflikte sind. Neben den zum Teil sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen sind es vor allem die Transformationsprozesse, die die Region erschüttern. "Die großen Diamantenkonzerne sind auf dem Vormarsch" berichtet Patrick Tongu von NMJD, "sie vertreiben die Menschen aus ihren Häusern, zahlen keine oder nur wenig Entschädigung und immer wieder kommt es zu Menschenrechtsverletzungen seitens der privaten Sicherheitsfirmen, die hier präsent sind." Weil große Diamantenvorräte in tieferen Erdschichten vermutet werden, beginnen die Firmen, darunter Koidu Holdings Ltd. aus Südafrika (die engste Kontakte zu dem ehemaligen Söldnerunternehmen Executive Outcomes pflegen) nun mit Sprengungen. Davon wird die gesamte Region in Mitleidenschaft gezogen. Über 80% der Häuser wurden während des Krieges von der Rebellenbewegung Revolutionary United Front angezündet, nun werden die letzten unversehrten Lehmhäuser durch die Sprengkraft porös. Die Minen fressen sich bis ins Zentrum von Koidu. Immer schwieriger wird es noch Landwirtschaft zu betrieben. "Die Diamantenindustrie verspricht die Schaffung von neuen Siedlungen, aber passiert ist bislang wenig", erzählt uns Patrick Tongu. Lediglich einige Prestigeprojekte wurden bisher errichtet und diese werden uns auch stolz von dem Pressevertreter von Koidu Holding vorgeführt: Einige Familien bekommen neue Häuser, die meisten anderen gingen bislang leer aus. Die zugesprochenen Landflächen sind unterschiedlich groß. Die neuen Siedlungen sind zumeist vom direkten Zugang zu Wasser abgeschnitten. Auch Schulen sind oft nicht in Reichweite. Um ihre Interessen durchzusetzen, setzt die Diamantenindustrie auf die Zusammenarbeit mit der lokalen Regierung. Und diese ist durchaus anfällig für die Bestechung durch die großen Konzerne. Nachweisen läßt es sich nicht, aber es gilt als sicher, dass der Neubau eines Parlamentariers in Koidu finanziell von der Industrie unterstützt wurde. Die Förderlizenzen sind zu Dumpingpreisen zu haben und mit der Diamantensteuer von 3% (entspricht Einnahmen etwas in Höhe von 150 Mio. Euro im Jahr) lässt sich der Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes nicht finanzieren. Zum Vergleich: In Botswana beträgt die Steuer 10%.

Wachsender Unfrieden gegen die Multis

Die fehlenden Wiederaufbaumaßnahmen und die Ungleichbehandlung der Bevölkerung führen zur Verschärfung des sozialen Unfriedens in dieser ärmsten Region des Landes. Schon im Jahre 1991 war die Ungleichheit einer der wichtigsten Gründe für den Ausbruch des Krieges. NMJD unterstützt deshalb all jene, die sich gegen die Vertreibungen zur Wehr setzen. Seit 2004 arbeitet das Netzwerk mit Jugendlichen aus dem Kono-District und baut gemeinsam mit ihnen Selbsthilfegruppen auf. Die Idee dahinter: Die Jugendliche in die Lage zu versetzen, ihre Interessen gegenüber den lokalen Autoritäten zu vertreten und ökonomische Perspektive zu entwickeln. Tambasogbeh Sandor ist der Sprecher der Jugendorganisation. Mit seinen Mitstreitern fordert er die Diversifizierung der Wirtschaft, den Stopp von Vertreibung und Enteignung, zudem bessere Löhne in den Diamantenminen und Wiederaufbaumaßnahmen für alle Bewohner der Region. Dass er sich mit diesen Forderungen nicht beliebt macht, zeigte eine Begegnung mit Koidu Holdings. Ein Mitarbeiter der privaten Sicherheitsfirma hinderte ihn rüde daran, sich mit Vertretern der Journalistendelegation zu unterhalten und schubste ihn mit Schlagstock bewaffnet von uns weg. Im Juni beginnt in Den Haag der Prozess gegen Charles Taylor, einem der Hauptverantwortlichen für den Bürgerkrieg in Sierra Leone. Ein wichtiger Schritt die Aufklärung der Kriegshintergründe und eine Voraussetzung für einen nachhaltigen Frieden in Westafrika. Es bleibt zu hoffen, dass auch die unselige Rolle der Diamantenfirmen dabei zur Sprache kommen wird.

Projektstichwort

Seit 2004 arbeitet das Network Movement for Justice and Development (NMJD mit Jugendlichen aus dem Kono-District und baut gemeinsam mit ihnen Selbsthilfegruppen auf. Die Arbeit des Netzwerks basiert nicht zuletzt auf der Erfahrung, dass gerade aus dieser Region viele Kinder und Jugendliche als Kindersoldaten zwangsrekrutiert worden. Das Stichwort für dieses Netzwerk lautet Spendenstichwort: Sierra Leone.

 

Veröffentlicht am 21. Juli 2007

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