Schlagende Verbindung

In Kapstadt vernetzt sich der Widerstand gegen die Raubökonomie transnationaler Rohstoffkonzerne

Zum Abschluss der People’s Health Assembly ergreift Patrick Lamin-Tongu das Wort. Tagelang hatten er und andere Aktivisten an einer Abschlussresolution gearbeitet, um sie der Generalversammlung vorzustellen. Jetzt hören dem medico-Partner aus Sierra Leone die mehreren Hundert Teilnehmer aus über 90 Ländern zu, als dieser das Problem benennt, weshalb er die aufwendige Reise aus Sierra Leone nach Kapstadt antrat: „Wir haben uns über unsere Erfahrungen im Einsatz gegen die Auswirkungen des Rohstoffabbaus ausgetauscht. Über alle Grenzen hinweg verbindet uns die Erfahrung von Vertreibung und Unterdrückung, der Verlust sozialer Dienste, der Raub von Wasser und Land.”

Patrick Lamin-Tongu berichtet den Versammelten, wie der Rohstoffkonzern Koidu Holdings seinen Heimatort ruiniert hat. Koidu ist der Hauptort von Kono, der diamantenreichsten Region Sierra Leones. Nach über zehn Jahren Krieg hofften die Bewohner, dass sie nun eine Chance hätten von dem Reichtum unter ihren Äckern zu profitieren. Aber weit gefehlt, auf die bewaffneten Milizen folgten die ausländischen Konzerne, die in den Friedenszeiten begannen, die Diamantenvorkommen im großen Stil auszubeuten. Für die Bevölkerung blieb weiterhin nichts. In Sierra Leone leben etwa 70% der Bevölkerung in extremer Armut und müssen mit weniger als einem US-Dollar am Tag auskommen, Kono gilt als die ärmste Region. Krankenhäuser, Schulen und Straßen sind in einem miserablen Zustand, denn die Erträge aus den Schürfungen verschwinden ins Ausland oder in die Taschen korrupter Politiker.

Die Abbaumethoden belasten Mensch und Umwelt. Nahe am Ortskern stattfindende Sprengungen wirbeln große Staubmengen auf, die zu Atemwegserkrankungen, ständigem Tränenfluss und dauerhaften Kopfschmerzen führen. Von den 90.000 Einwohnern in Koidu wurden mittlerweile fast 10.000 aus ihren Häusern vertrieben, da der Diamantenabbau sich förmlich durch die Stadt frisst. Wer dagegen protestiert, lebt gefährlich. Mit Unterstützung von medico beteiligt sich Patrick Lamin-Tongu seit Jahren als Mitglied der lokalen Menschenrechtsorganisation Network Movement for Justice and Development (NMJD) an Demonstrationen - und der Gegner ist mächtig: „Koidu Holdings hat sehr einflussreiche Kontakte zur Polizei und in die Politik“.

Verbindungen schaffen

Dass Koidu kein Einzelfall ist, wusste der Menschenrechtsaktivist immer schon. Dennoch hat er bislang nur selten die Möglichkeit, sich mit Gleichgesinnten aus anderen Ländern zu treffen. Auf der People’s Health Assembly berichteten Delegierte aus Ecuador, Malaysia, Indien, Simbabwe, Peru von ähnlichen Problemen. Überall zeigen sich Regierungen unwillig, die sozialen und gesundheitlichen Auswirkungen des Rohstoffabbaus einzudämmen. Und immer wieder führt der vermeintliche Reichtum nicht zu einer Verbesserung der Lebenssituation, sondern wird zu einer existenziellen Belastung der Menschen vor Ort.

Für Patrick Lamin-Tongu hat auf der Versammlung ein konkreter Vernetzungsprozess begonnen. In den nächsten Jahren werden er und andere Aktivisten versuchen, sich gemeinsam gegen die Repressalien zu wehren, die eine unerbittliche Koalition aus Rohstoffkonzernen und willfährigen Politikern immer an jenen Orten einsetzt, wo der Protest der Bevölkerung die Profitmaximierung stört. Geht es doch längst nicht mehr nur um einzelne Regionen, wie etwa Koidu, sondern um ein globales Problem. „Wir werden die Auswirkungen des Rohstoffabbaus weiter kritisieren, bis die Regierungen endlich Verantwortung für ihre Menschen übernehmen.” Dazu gehört auch die Einführung des Verursacherprinzips für die transnationalen Konzerne: „Wir fordern, dass die sozialen, ökologischen und gesundheitlichen Kosten von denen getragen werden, die sie verursacht haben.” Am Ende seiner Rede interpretiert Patrick Lamin-Tongu einen alten Schlachtruf neu: „Der Kampf für Gesundheit ist ein Kampf gegen die Agenda der weltweit operierenden Rohstoffindustrie - lasst uns gemeinsam kämpfen!” Die Versammlung applaudiert:

Am Kap der Guten Hoffnung meinen es alle sehr ernst. Geht es dem People’s Health Movement doch weniger um die klinische und individuelle Dimension von Krankheiten, als vielmehr um die politischen und die sozialen Voraussetzungen eines guten Lebens.

Paul Klieme

Veröffentlicht am 13. September 2012

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