Rohstoffkonflikte und Rohstoffgerechtigkeit

Rohstoffhandel und Krieg in Afrika. Zu den Ursachen und Folgen bewaffneter Konflikte

Im Jahr 2010 wurden weltweit 363 politische Konflikte ausgetragen, 85 davon im subsaharischen Afrika (www.hiik.de). Meist wurde um den Erhalt oder das Erringen nationaler Macht gekämpft, oft in Verbindung mit dem Zugriff auf die natürlichen Ressourcen, darunter Öl, Gold, Diamanten, Kupfer und fruchtbares Land. Die Ausbeutung von und der Handel mit natürlichen Ressourcen trägt oftmals zur Verfestigung von Konflikten bei. Konfliktverschärfend wirken strukturelle Gewaltverhältnisse wie ungerechte Freihandelsabkommen sowie ökonomische und geostrategische Interessen der Industrienationen.

Zahlen

  • 10 % der weltweiten Ölvorkommen befinden sich in Afrika mit erwarteten Gewinnen von über 180 Mrd. US$
  • 50 % der Diamantenvorkommen und
  • 25 % der Goldvorkommen (Zahlen Süddeutsche Zeitung 2.11.2009).

Viele weitere natürliche Ressourcen wie Mangan für die Stahlerzeugung, Kobalt und Chrom für die Leichtmetalllegierungen vor allem in der Luftfahrtindustrie sowie der Abbau von Tantal (Coltan) für Mobiltelefone und sind für Europa und die USA von Bedeutung.

Einige rohstofffinanzierte Konflikte wurden inzwischen beendet. In Sierra Leone waren UN-Truppen beteiligt, in anderen Ländern trugen erfolgreiche Friedensverhandlungen, die Kriegsmüdigkeit der Bevölkerung und im Fall von Angola der Tod des Rebellenführers und der Rückgang des Handels mit Konfliktressourcen zum Ende der Kampfhandlungen bei. Mit dem Friedensschluss wurden und werden in Ländern wie Sierra Leone die Konflikte um den Zugriff auf Rohstoffe weiter geführt, in Simbabwe entstehen neue Rohstoffkonflikte als Verteilungskampf um die Ressourcen. In weiteren rohstoffreichen afrikanischen Ländern wie Sudan, Nigeria oder der Demokratischen Republik dauern die Kriege an oder entstehen aufs Neue. Die Liste der Konfliktakteure rund um den Rohstoffhandel ist lang. Sie umfasst reguläre Armeen, Kriegsfürsten (Warlords), private Sicherheitsfirmen, Waffenhändler, afrikanische Nachbarländer, Regierungen aus den Industriestaaten, Schmuggler und internationale Konzerne. In Netzwerk-Konflikten (Mark Duffield) bekämpfen sie sich oder machen miteinander Geschäfte – je nachdem, was für ihre jeweiligen Interessen vorteilhaft erscheint.

Dieses Netzwerk verfestigte sich in der postkolonialen Ära, denn mit dem Ende der Kolonialherrschaft hat sich in vielen afrikanischen Ländern keine souveräne Staatlichkeit herausbilden können. Diese endete z.T. erst vor wenigen Jahrzehnten, in Angola z.B. 1974, in Simbabwe erst1980. In vielen Ländern übernahmen die neuen Regierungen die Privilegien der kolonialen Machthaber und führten – teilweise notgedrungen - die verheerende Wirtschaftspolitik weiter, die lediglich den Metropolen Wachstumschancen eröffnet. Die in der Kolonialzeit entstandene Abhängigkeit von den Rohstoffpreisen aufgrund einer nicht diversifizierten Wirtschaft sowie die Notwendigkeit, fast alle Güter des täglichen Bedarfs zu importieren, hat zu einer immensen Zunahme der Verschuldung in den 1980er Jahren beigetragen. In dieser Phase ging auch Afrikas Anteil am Welthandel stark zurück. Dies hat sich in den 1990er Jahre gewandelt durch das neu erweckte Interesse an dem Rohstoffreichtum des Kontinents:

• Dieser Geldfluss eröffnet den afrikanischen Regierungen neue Handlungsspielräume und macht sie zugleich unabhängig von ihrer eigenen Bevölkerung, weil die Regierungen nicht auf die politische Unterstützung und Steuerzahlungen angewiesen sind. Ressourcenreichtum schafft oft die Rahmenbedingung für extreme Ungleichheit, brutale Repression und Bürgerkrieg.

• Der Zugriff auf wirtschaftlich verwertbare Ressourcen ist eine wichtige Voraussetzung für die Entstehung und Verfestigung von Gewaltökonomien durch die Konfliktparteien.

• Der afrikanische Reichtum an natürlichen Ressourcen hat finanziert Konflikte und verhindert in vielen Ländern den Aufbau demokratischer Strukturen.

• Die Kooperation mit internationalen Konzernen ermöglicht erst die Zugänge zu den globalen Märkten. Ohne Käufer wären die natürlichen Ressourcen wertlos.

Allen aufgezählten Ländern ist eines gemeinsam: Die Bevölkerung profitiert kaum von Handel mit natürlichen Ressourcen, im Gegenteil werden oftmals die Lebensgrundlagen zerstört, ökologische Langzeitschäden machen das Land für lange Zeit unbenutzbar. In vielen Ländern regt sich in der Bevölkerung inzwischen Widerstand gegen den Ausverkauf ihrer Länder.

ÖLHANDEL

Von weltweitem strategischem Interesse sind die afrikanischen Ölvorkommen. Bedingt durch die unkontrollierbare Lage im Nahen und Mittleren Osten seit den Anschlägen vom 11.9. und dem Irakkrieg begann die US-Administration ihren Einfluss auf die Importquelle entlang der westafrikanischen Küste geltend zu machen.

Zu den afrikanischen Ölboomländern gehören einige der autoritärsten und korruptesten Länder des Kontinents: Angola, Südsudan oder Äquatorialguinea. Die Förderlizenzen sind dort zu Dumpingpreisen zu haben, weil die ölreichen Länder Afrikas meist nicht Mitglied der OPEC (Organisation Erdöl exportierender Länder) sind. Das Öl wird zudem nur selten von staatlichen Firmen, sondern meist direkt von internationalen Konzernen gefördert.

Weil dort gigantische Erdölvorkommen vermutet werden mit einem Marktwert von ca. 160 Mrd. US$, kommt Äquatorialguinea eine Schlüsselrolle zu. ExxonMobil und Texaco fördern das Öl – beide Konzerne sind eng mit der Familie des seit 1979 diktatorisch regierenden Präsidenten und Multimillionärs Teodore Obiang verbandelt (FR 29.09.04). Äquatorialguinea gilt als eines der repressivsten Regimes weltweit. Der IWF hatte 2001 einen kritischen Bericht über den kleinen Inselstaat (600 000 Einwohner/innen) vorgelegt, den er später relativierte – ohne dass sich an der Politik etwas geändert hätte. Dies war vermutlich den politischen und wirtschaftlichen Interessen der USA geschuldet (KfW 2004). „Das Öl liegt so weit vor der Küste, dass die Afrikaner gar nicht merken, wenn es abtransportiert wird“ zitiert die Zeitschrift „New Yorker“ einen US-Beamten (FR 3.6.2004).

Befindet sich das Land hinsichtlich des Pro Kopf Einkommens weltweit auf Platz 28, ist es auf dem Rang der menschlichen Entwicklung nur auf Platz 118 zu finden (Human Development Index 2009). „Die Regierung von Äquatorialguinea verschwendet Milliarden Dollar aus Öl-Einnahmen durch politisch und wirtschaftlich rechtswidriges Verhalten, anstatt das Leben der Einwohner des Landes zu verbessern“, so Human Rights Watch.

Die USA wollen in Äquatorialguinea nicht nur ein Konsulat eröffnen, sondern auch im ihre Militärstützpunkte ausbauen. Ökonomische Interessen und sicherheitspolitische Erwägungen sind untrennbar miteinander verbunden. „Erdöl bringt den afrikanischen Eliten Geld und Macht. Die Verfügungsgewalt über den Rohstoff wird in den kommenden Jahren der wichtigste innenpolitische Konflikt in den ölreichen Ländern Afrikas“ (Johnson).

Rohstoffreichtum – dies gilt vor allem für den Ölhandel – den Handlungsspielraum der Regierungen afrikanischer Exportländer vergrößert: Diese sind zwar abhängig von internationalen Konzernen, zugleich jedoch unabhängig von der eigenen Bevölkerung, weil die Rohstoffe ein breit gefächertes Steuersystems, wie es meist in diversifizierten Wirtschaften zu finden ist, überflüssig macht. Sie brauchen das Geld schlichtweg nicht. Auch existiert nur selten ein demokratisches System, das die Regierenden in ihrem Handeln legitimiert und vor dem sie sich rechenschaftspflichtig fühlen müssten – der Machterhalt wird durch Korruption und Bereicherung und nicht durch Wahlen oder demokratische Mitbestimmung gesichert. Der gesellschaftliche Verteilungsmodus Korruption – in vielen Fällen entstanden aus auf den Außenhandel ausgerichtete Ökonomien, Verschuldung, Zollschranken des Nordens und Strukturanpassung – schließt jene aus, die nicht über diese Mittel verfügen.

DIAMANTENHANDEL

In westafrikanischen Sierra Leone herrschte von 1991 bis 2002 ein Bürgerkrieg. Die Rebellenbewegung Revolutionary United Front und die Regierung finanzierten diesen Konflikt durch den Handel mit Diamanten. Während des Krieges kamen mindestens 20.000 Menschen zu Tode, Tausende wurden grausam verstümmelt.

Internationale Diamantenkonzerne machten lukrative Geschäfte in Sierra Leone und so die Kriegsökonomie stabilisiert. Die Kriegsparteien waren für ihren Waffennachschub auf Geldmittel angewiesen. Die Diamantenkonzerne sicherte die Finanzierung, indem sie den Kriegsparteien den Zugang zu globalen Märkten eröffneten. Im Gegenzug profitierten die internationalen Konzerne von günstigen Preisen für die begehrten Rohdiamanten. Diamanten waren der Motor des Krieges, nicht dessen Ursache, die in der krassen ökonomischen und sozialen Ungleichheit im Land zu suchen war.

Sierra Leone ist auch nach Kriegsende eines der ärmsten Länder der Welt, im Index für menschliche Entwicklung (HDI) belegt Sierra Leone den drittletzten Platz der Welt. Mit dem Friedensschluss hat sich die wirtschaftliche und soziale Lage der Menschen nicht entscheidend verbessert. Aus den Konfliktdiamanten wurden keine Friedensdiamanten. Sie finanzieren keinen Krieg, aber die teils sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen, die Zwangsvertreibungen und willkürliche Gewalt verhindern einen nachhaltigen Frieden im einstigen Bürgerkriegsland.

Das Ende der Kampfhandlungen erlaubte es den Diamantenkonzernen, ihre wirtschaftlichen Strukturen vor Ort auszubauen. „Die großen Diamantenkonzerne sind auf dem Vormarsch“, bestätigt Patrick Tongu vom Network Movement for Justice and Development (NMJD), der medico Partnerorganisation vor Ort. Das Netzwerk hat bereits während des Bürgerkrieges in den umkämpften Regionen Sierra Leones zivilgesellschaftliche Bewegungen initiiert und sich für eine gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums eingesetzt. Zu den unterstützen Gruppen gehört die „Affected Property Owners Association”, die sich seit Kriegsende gegen Vertreibungen als Folge der Sprengungen in den Minen zur Wehr setzt. „Die Diamantenfirmen vertreiben die Menschen aus ihren Häusern, zahlen keine oder nur eine geringe Entschädigung und immer wieder kommt es zu Menschenrechtsverletzungen seitens der privaten Sicherheitsfirmen, die hier präsent sind“ berichtet Patrick Tongu.

„Bei der Diamantenförderung im großen Stil werden nachhaltige Schäden für die Bevölkerung und die Umwelt billigend in Kauf genommen“, bestätigt auch der Journalist Alexander Göbel, der längere Zeit in Kono recherchierte. Schon aus der Ferne ist sichtbar, dass bei den Sprengungen der Diamantenkonzerne die gesamte Region in Mitleidenschaft gezogen wird. Die entstandenen Krater fressen sich bis ins Zentrum der Provinzhauptstadt Koidu. In der Folge schrumpfen die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen, was die Abhängigkeit von der Arbeit in den Minen erhöht. Die Menschen in Koidu berichten, dass die Anwohner zu spät oder gar nicht über die bevorstehenden Sprengungen informiert würden. Hier verschränkt sich schlechte Regierungsführung mit einem krassen Machtgefälle. Die Kombination aus extremer Ausbeutung, Rechtsunsicherheit und mangelnder Versorgung der Opfer schafft schlimmstenfalls die Vorraussetzungen für einen Wiederausbruch des Konfliktes.

NEUER AKTEUR CHINA

China ist der der größte Wirtschaftspartner des afrikanischen Kontinents. Zwischen 2000 und 2008 hat sich das Handelsvolumen zwischen China und Afrika von 10,6 Mrd. auf 106,8 Mrd. USD verzehnfacht (Tagesspiegel 20.5.2010). Das rasante Wachstum der chinesischen Wirtschaft vervielfacht den Ölbedarf des Landes. Die Kontrolle der Ölvorräte und ihrer Transportwege ist nicht nur für China, sondern für alle Industrienationen von Bedeutung: Einerseits um den eigenen Zugang zu sichern, aber auch, um gegebenenfalls andere Länder durch den Stopp von Öllieferungen politisch unter Druck setzen zu können.

China versucht, mit Maßnahmen wie Schuldenerlass, der Erhöhung von Entwicklungshilfe und der Ausbildung von Fachkräften seine Akzeptanz in Afrika weiter auszubauen. Politisch ist China bei afrikanischen Politikern hoch angesehen, weil es keine koloniale Vergangenheit hat und nicht mit Sklavenhandel und Besatzung assoziiert wird (fahamu 2007).

Zudem mischt sich China nicht in die inneren Angelegenheiten ihrer Partner ein und knüpft die Zusammenarbeit nicht an die strenger werdenden Konditionen westlicher Geberländer, die in Afrika oft als Erpressung empfunden werden. Dies macht China für Länder wie Angola, Sudan oder Simbabwe, die international in die Kritik geraten sind, zum interessanten Partner.

In Angola hat China langjährige Konzessionen für die Ölförderung und Verträge zum Ausbau des Straßennetzes erhalten. Die Intransparenz finanzieller Transaktionen durch die autoritäre angolanische Regierung ist für China nicht relevant. Damit stabilisiert China das undemokratische Regime und schwächt die Zivilgesellschaft, die seit Jahren gegen Korruption kämpft – die angolanische Regierung unterschlägt Milliardenbeträge aus dem Öl- und Diamantensektor – und für die gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums kämpft.

Dies ist nichts grundlegend neues, auch die USA und Europa interessieren sich nicht so sehr für die inneren Angelegenheiten. Und Chinas Einstieg in den Waffenhandel wurde zum Beispiel von den USA und Europa übernommen (Inkota 2006). Der Handel mit Afrika dient allen Akteuren primär der Schaffung und Verfestigung von Allianzen und Einflusssphären (Kößler).

China forciert die Partnerschaft auch, weil Afrika sich zum wichtigen Absatzmarkt für Billigwaren entwickelt. Die Importschwemme billiger Waren führt zum Zusammenbruch ganzer Wirtschaftszweige, wie beispielsweise der Textilindustrie in Sambia (Die Zeit 18.09.06) In Afrika mehrt die Kritik an den immer stärker werdenden Asiaten: „China saugt uns aus und gibt wenig zurück“, kritisiert Mor Talla Kane, Direktor des senegalesischen Arbeitgeberverbandes. China hat für die eigenen selten vorkommenden Rohstoffe strenge Förder- und Ausfuhrquoten beschlossen und plant den Aufbau einer strategischen Reserve (Frankfurter Rundschau 11.8.2010). Exportgebühren von bis zu 25% sollen den Export zusätzlich verhindern helfen.

Chinesische Firmen werden bei der Ausschreibung von Infrastrukturprojekten unterstützt und können die die einheimische Konkurrenz mit Dumpingpreisen ausstechen. (Handelsblatt 18.1.2010).

FREIHANDEL

Diese Strategie hat Parallelen zur europäischen Afrikapolitik. Mit ihrer Rohstoffinitiative plant die Europäische Union den ungehinderten Zugriff auf wertvolle Bodenschätze. Als Rohstoffimporteur und Exporteur von weiterverarbeiteten Produkten bezieht Deutschland Energierohstoffe, Metallrohstoffe und viele Industriemineralien aus mehr als 160 Ländern. Die Europäische Union (EU) fordert in ihrer neuen Rohstoffinitiative (2011) den schrankenlosen Zugang zu Rohstoffen und übt dabei massiven Druck auf die Exportländer aus.

Kritische Rohstoffe Die EU zählt zwei Gruppen von Metallen zu den Kritischen Rohstoffen: (1) Seltene Erden, eine Gruppe von 17 Metallen, darunter Yttrium oder Dysprosium, die vor allem in der Technologiebranche Verwendung finden, auch für die Herstellung moderner Waffen. (2) Weitere 13 Metalle wie z.B. Tantalum (besser bekannt ist als Coltan) oder Kobalt. Als kritisch gelten sie, weil sie ein hohes Risiko für Lieferengpässe bergen, weil der Abbau nur in wenigen Ländern stattfindet, und die für die Wertschöpfungskette von strategischer Bedeutung sind.

Die EU-Rohstoffinitiative beruht im Kern auf drei Säulen: Dem Zugang zu Rohstoffmärk¬ten weltweit, dem Abbau von Rohstoffen in der EU und Recycling innerhalb der EU. Die Interessen europäischer Konzerne und des einflussreichen Bundesverbandes der Industrie (BDI) sind in der Initiative unübersehbar. Viele Länder des globalen Südens sind reich an Bodenschätzen. Die Europäische Union, mit Deutschland in der Vorreiterrolle, nötigt sie jetzt, Handelsbegrenzungen wie Exportsteuern für Rohstoffe abzuschaffen und ausländische Direktinvestitionen zu ermöglichen.

Begründet wird das aggressive Vorgehen der EU mit der Konkurrenz zu den Schwellenländern, deren wachsender Rohstoffbedarf europäische Interessen untergrabe. In der geostrategisch ausgerichteten Initiative der EU finden ökologische, soziale, politische sowie entwicklungsbezogene Belange kaum Beachtung.

Freihandelszonen bringen vor allem den dominanten Ländern Vorteile: Die Handelsliberalisierung hat zu massiver Armut und Arbeitslosigkeit geführt, selbst die Weltbank hat daraus den Schluss gezogen, nicht mehr ausschließlich auf den freien Markt zu setzen. Dennoch drängt die EU die afrikanischen Regierungen, die Auszahlung von Finanzhilfen zu stoppen.

In vielen afrikanischen Ländern bilden sich neue Abhängigkeiten heraus, die auch durch die Erweiterung der globalen Handelspartner bisher nicht gestoppt wurden. Das strategische Interesse an natürlichen Ressourcen verhindert die Durchsetzung von transparenten und fairen Abkommen und schließt somit die Bevölkerung von den Gewinnen aus. Von neokolonialen Abhängigkeiten zu sprechen führt jedoch in die falsche Richtung, denn die Verträge basieren auf der staatlichen Souveränität der afrikanischen Handelspartner. Diese stellen auch Instanzen bereit, die Konzessionen für Bergbau und Ölförderung oder zur großflächigen Nutzung von Land erteilen können (Kößler).

LANDNAHME

Neben den bekannten Rohstoffen wie Öl, Diamanten oder Coltan ist es seit einigen Jahren vor allem der fruchtbare Boden Afrikas, der für die Industrienationen und deren Konzerne und Finanzmärkte von verwertbarem Interesse ist. „Internationale Banken und Investmentfonds, Industrieländer, Agrarkonzerne und reiche Einzelunternehmer wollen auf Riesenflächen gigantische industrielle Großfarmen aufziehen, die Nahrungsmittel und Biosprit produzieren sollen - für den Export und den Profit“ (Baxter 2010). Ausländische Direktinvestitionen in die Landwirtschaft, so wird die neue Form der großflächigen Landnahme (land grabbing) auf dem afrikanischen Kontinent genannt. Allein seit 2006 wurden 40 Millionen Hektar Land an ausländische Investoren verkauft oder verpachtet, um dort Nahrungsmittel oder Energiepflanzen für den Export anzubauen (www.inkota.de/landgrabbing)

Viele Präsidenten aus Ländern, die über landwirtschaftlich nutzbaren Boden verfügen, verpachten riesigen Flächen, ohne dabei die hohe Bedeutung von kleinbäuerlicher Subsistenzwirtschaft zu berücksichtigen, auch Entschädigungszahlungen nach erzwungenen Umsiedelungen sind nur selten vorgesehen.

In Sierra Leone baut die Firma Addax Bioenergy baut Ethanol für europäischen Biosprit an, gefördert von der europäischen Entwicklungsbank. Über 40.000 Hektar Land wurden bereits verpachtet (100 ha = 1 km²). Die ökologischen Folgen sind noch unübersehbar; es werden große Mengen Wasser abgezapft und gelangen als Abwasser in den Fluss zurück. Zudem werden die Böden durch Monokultur ausgelaugt. Die Bevölkerung verliert ihr Land, ihre Ernährungssicherheit, ihre Umwelt, damit die Menschen in Europa mit Biosprit fahren können (Baxter). Ökoimperialismus? (taz 31.7.2010)

EINSCHLUSS UND AUSSCHLUSS

Der Einschluss Afrikas in das globalisierte Weltsystem – vor allem bedingt durch den immensen Rohstoffreichtum des Kontinents – trägt gleichzeitig zum systematischen Ausschluss einer täglich wachsenden „Überschussbevölkerung“ aus jeder Entwicklungsperspektive bei: Millionen Menschen sind als künftige Konsument/innen, erst recht als Produzent/innen gar nicht mehr vorgesehen, ihre Arbeits- und Kaufkraft wird zur Aufrechterhaltung des kapitalistischen Systems kam mehr benötigt: „Überflüssigkeit umschreibt einen neuartigen Normalzustand – bedrohliche Zustände, die wohl von Dauer sein werden“ (Baumann 2005). Um dort ihr Auskommen zu suchen, wandert die Landbevölkerung in die großen Städte des subsaharischen Afrika aus. Mike Davis spricht in von einer Urbanisierung ohne Urbanität, denn das Wachstum afrikanischer Städte geht nicht mit einer Re-Industrialisierung einher (Davis 2007). Diese ausschließende Globalisierung ist eine Folge der Liberalisierungspolitik, sie nimmt der Bevölkerung ein zentrales politisches Druckmittel, weil sich angesichts der fehlenden Jobs und des Überangebots von Arbeitskräften mit Streiks kaum mehr Verbesserungen durchsetzen lassen.

WAS TUN?

In diesem System struktureller Gewalt und Ausgrenzung müssen Konzepte für Veränderungen global gedacht und umgesetzt werden. Auf lokaler Ebene kämpfen Organisationen in den rohstoffreichen Ländern für die Transparenz des Handels, gegen Korruption und für den Schutz der afrikanischen Märkte. Faire und transparente Verhandlungen und Implementierungsprozess von Lizenzvergaben und Minenverträgen sind eine wichtige Voraussetzung für die Umverteilung des gesellschaftlichen Reichtums.

Ein großes Bündnis afrikanischer Gruppe, bestehend aus Bauernverbänden und Wissenschaftlern, setzt sich für die Ernährungssouveränität ihrer Länder und gegen die Landnahme ein. Diese Kämpfe richtigen sich primär an die Regierungen der jeweiligen Länder und werden in Europa von zahlreichen Kampagnen unterstützt, die den Handel mit Konfliktressourcen wie Diamanten, Holz oder Kakao durch Konzerne aus den Industrienationen öffentlich kritisieren und mit der sog. „Naming and Shaming-Strategie“ Konzerne unter Druck setzen und für politische Kontrollen eintreten.

Ein Beispiel für die Kooperation von lokalen Organisationen in Afrika und sozialen Bewegungen in den Industrieländern ist die von medico mit gegründete Kampagne Fatal Transactions. Die Kampagne zielt darauf, den Handel mit Diamanten und anderen natürlichen Ressourcen aus Krisengebieten zu unterbinden, um Konflikten auf diese Weise die materielle Basis zu entziehen. Transnationale Unternehmen werden – wenn dies von den lokalen Gruppen in Afrika unterstützt wird – aufgefordert, sich aus den Geschäften mit sog. Konfliktressourcen zurück zu ziehen. Auf Druck der Kampagne Fatal Transactions und anderer Organisationen kam der Kimberley Prozess gegen Konfliktdiamanten zustande, in dem Regierungen, Konzerne und zivilgesellschaftliche Gruppen nach Wegen zur Beendigung des Handels mit den blutigen Steinen suchen.

Das Kimberley Prozess Zertifizierungssystem (KPCS) verpflichtet Staaten seit 2003 zu innerstaatlicher Kontrolle und zur Sicherstellung, dass Rohdiamanten ein anerkanntes Zertifikat beiliegt. In der Folge sank der Anteil von Konfliktdiamanten von zehn auf unter drei Prozent. Das Network Movement for Justice and Development aus Sierra Leone, medico international und andere Organisationen halten das Zertifizierungssystem jedoch für unzureichend.

• Als freiwilliges Selbstverpflichtungsabkommen ist das KPCS kein juristisch bindendes Abkommen und kann schwer kontrolliert werden. Sanktionen gegen Länder, die gegen die Regelung verstoßen, sind nur schwer umsetzbar. Selbstverpflichtungsabkommen bergen grundsätzlich das Risiko, dass sie von Industrieunternehmen zur Imageaufbesserung instrumentalisiert werden, ohne dass solche Vereinbarungen zu spürbaren und nachhaltigen politischen Veränderungen beitragen.

• Die Definition von Konfliktdiamanten greift zu kurz, da sie auf die von illegitimen Akteuren wie Rebellenbewegungen gehandelte Diamanten beschränkt ist.

• Weil das KPCS auf Freiwilligkeit basiert, ist die Effektivität vom politischen Willen des jeweiligen Landes abhängig. Ineffektiv ist das KPCS in jenen Ländern, die selbst in den illegalen Handel mit Diamanten involviert sind. Hier ist keine externe Kontrolle möglich.

Die neu entstandenen Konflikte um Diamanten in Simbabwe mit Hunderten Toten und Tausenden Vertriebenen zeigen die Notwendigkeit der Verschärfung der Kimberley-Kriterien (Grill). Das Kimberley Process Certification Scheme wird inzwischen als Vorbild für eine allgemeine Definition von Konfliktressourcen gehandelt. Um ein Vorbild zu sein für einen effektiven Kontrollmechanismus, für eine nachhaltige und verantwortliche Ressourcenpolitik, gegen Korruption und Patronage ist eine höhere Rechtsverbindlichkeit von besonderer Bedeutung.

Faire Handelsbedingungen können auch durch die Stärkung des innerafrikanischen Handels erreicht werden, die afrikanische Länder vor dem ungeschützten Zugriff durch Europa bewahren kann. Der senegalesische Ökonom Sanou Mbaye hierzu: „Wenn Afrika aus seinem Reichtum an Bodenschätzen etwas machen will, müssen die Länder auch Industriebetriebe gründen und den innerafrikanischen Handel ausbauen.“ (Süddeutsche Zeitung 2.11.09)

KRITISCH KONSUMIEREN

Es ist nicht unbedingt notwendig, sich aktiv an einer Kampagne zu beteiligen, um einen Beitrag zur Rohstoffgerechtigkeit zu leisten. Durch alltägliche Maßnahmen wie sie auch von der Gruppe Rohstoffgerechtigkeit empfohlen werden (www.rohstoffgerechtigkeit.de), ist es möglich, einen Beitrag für mehr Rohstoffgerechtigkeit zu leisten:

• Faire Schokolade kaufen, deren Kakao nicht aus der Elfenbeinküste stammt

• Papierverbrauch reduzieren, damit keine Konflikte mehr um den Zugriff auf Holz geführt werden

• Weniger Energie verbrauchen, z.B. durch Radfahren, zum Ökostrom-Anbieter wechseln, um den Ölkonzernen einen Teil ihrer Macht zu nehmen.

• Gerne können Sie uns zu Vorträgen oder Workshops einladen.

• Bestellen Sie unser kostenlos erhältliches Informationsmaterial

• Abonnieren Sie kostenlos das medico Rundschreiben und unseren Newsletter unter www.medico.de. Hier informieren wir Sie über unsere Projekt- und Kampagnenarbeit.

„Die Geächteten des Imperiums haben die Götter des Chaos auf ihrer Seite“ (Mike Davis).

LITERATUR

  1. Zygmunt Baumann: Verworfenes Leben. Die Ausgegrenzten der Moderne. Hamburg 2005
  2. Joan Baxter: Sierra Leone: Protecting investors, but what about the people? Dissecting the contradictions of agricultural investment. In: Pambazuka. 6.5. 2010
  3. Joan Baxter: Wie Gold, nur besser. Fette Dividenden aus Afrikas Böden. In: Le Monde Diplomatique 15.1.2010
  4. BICC: Digging for Peace. Private Companies and Emerging Economies in Zones of Conflict. Bonn 2009
  5. Bündnis Entwicklung hilft (Hg.): Dokumentation „Die Rohstoffe Afrikas. Konflikt- und Entwicklungspotential. Bonn 2007
  6. Civil Society Organizations (Hg.): To mine or not to mine? Freetown 2006
  7. Mike Davis: Planet der Slums. Berlin 2007
  8. Marc Engelhardt und Johannes Gernert: Die neue Fernwärme aus Liberia. In: taz 31.7.2010
  9. Fahamu (Hg.): African Perspectives on China in Africa. Nairobi and Oxford 2007
  10. global witness: Return of the Blood Diamond. The deadly race to control Zimbabwe’s new-found diamond wealth. London 2010
  11. Bartholomäus Grill: Bling! Bling! Die Neureichen der Welt gieren nach Diamanten. Das hat verheerende Folgen für Afrika. In: Die Zeit 12.8.2010
  12. Inkota Brief Nr. 137 Sep. 2006
  13. Dominic Johnson: Ölreichtum schafft Armut. In amnesty journal 10/2007
  14. David Keen: Conflict and Collusion in Sierra Leone. London 2005
  15. Kreditanstalt für Wiederaufbau: Erdölländer in Afrika – Konsequenzen des Ölbooms am Golf von Guinea. August 2004
  16. Reinhard Kößler: Was ist neu am Neokolonialismus? Formelle und informelle Herrschaft im unabhängigen Afrika. In: iz3w Nr. 319/2010
  17. Christoph Marischka und Jürgen Wagner: Europas Platz an Afrikas Sonne. In: Tobias Pflüger u.a. (Hg.): Weltmacht Europa. Auf dem Weg in weltweite Kriege. Hamburg 2006
  18. Partnership Africa Canada: Killing Kimberley? Conflict diamonds and Paper Tigers. Toronto 2006
  19. politische ökologie. Ressourcen. Kampf um knappe Schätze. Juni 2009
  20. Stiftung Entwicklung und Frieden: Globales Ressourcenmanagement. Policy Paper 27. 2007
  21. www.fataltransactions.de
  22. www.medico.de
  23. www.rohstoffgerechtigkeit.de

 

Veröffentlicht am 18. August 2010

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