„Wir wagen nicht uns auszumalen, was passiert, wenn die Flüchtlinge begreifen, dass es tatsächlich kein Weiterkommen mehr für sie gibt“, sagt Marc Speer vom medico-Partner MovingEurope, der die Menschen am griechisch-mazedonischen Grenzübergang in Idomeni mit Informationen versorgt und die Menschenrechtslage beobachtet. „Die Gefahr, dass hier Panik ausbricht, ist groß.“ Schon jetzt herrscht Chaos. Kinder verlieren ihre Eltern in der Menschenmenge und immer wieder kollabieren einzelne Flüchtlinge vor Erschöpfung und Verzweiflung.
Derzeit sitzen um die 15.000 Flüchtlinge in Idomeni fest, in einem Lager, das ursprünglich auf 1.500 Menschen ausgelegt war. Bereits in den letzten Wochen wurde der Grenzübergang nach schwer durchschaubaren Kriterien nur noch für einige wenige Syrer und Iraker am Tag geöffnet. Inzwischen greifen weitere Filter wie zum Beispiel die Abweisung von Menschen, deren Papiere einen türkischen Stempel enthalten, der älter als ein Monat ist. „Im Grunde ist es reine Willkür, die hier herrscht. Es geht darum, die Hoffnung bei den Flüchtlingen aufrechtzuerhalten, selbst am Ende zu den wenigen Auserwählten zu gehören, die die Grenze passieren dürfen. So soll ein Aufstand verhindert werden“, so Speer.
Proteste der Flüchtlinge gegen die Segregations- und Hinhaltepolitik wurden in den letzten Tagen mit Schockgranaten und Tränengas von mazedonischer Seite beantwortet. Ein Kleinkind wurde in der entstandenen Massenpanik schwer verletzt und ein Wortführer des Protestes sowie eine weitere Person in seiner Begleitung bei ihrem legalen Grenzübertritt von mazedonischen Sicherheitskräften schwer misshandelt, wie das MovingEurope-Team in einem ausführlichen Bericht darlegt.
700 Millionen Euro soll Griechenland an humanitärer und logistischer Unterstützung für die Versorgung der Flüchtlinge erhalten. „Was diese Menschen vor allem brauchen, sind legale Reisemöglichkeiten. Familienzusammenführungen müssen wieder ermöglicht werden“, sagt medico-Migrationsreferentin Ramona Lenz. „Eine komplette Schließung der Grenze ist ohnehin nicht möglich. Sie ist vor allem der innenpolitischen Motivation geschuldet, Handlungsfähigkeit zu beweisen. Die Flüchtlinge werden dadurch auf andere, gefährlichere Routen verwiesen. Die einzigen, die davon profitieren, sind die Schlepper.“
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- Dr. Ramona Lenz, Migrationsreferentin medico international: Tel. 069 94438-23 oder lenz@ medico.de