Hungerkrise

Hinter der Dürre

In Zentral- und Ostafrika herrscht erneut eine Hungersnot. Eine Katastrophe mit Ansage, da sich an den Ursachen nichts geändert hat.

Im Südsudan, am Horn von Afrika, im Jemen und im Nordosten Nigerias droht eine Katastrophe: Laut den Vereinten Nationen sind rund 20 Millionen Menschen in diesen Ländern akut von Hunger bedroht. Auch in Somalia und im Nord- osten Kenias ist die Situation zurzeit wieder extrem angespannt, berichtet Dr. Abdullahi Hersi, Geschäftsführer vom medico-Partner Nomadic Assistance for Peace and Development (NAPAD).

Im vom Krieg zerrütteten Somalia kämpfen die radikal-religiösen islamischen Al-Shabaab-Milizen gegen eine fragile Regierung, in einigen Regionen dominieren bewaffnete Milizen die politische Ordnung. Das hat auch in Normalzeiten zur Folge, dass Felder nicht bewirtschaftet werden können. Hinzu kommt die Trockenheit. Nun verdorren auch die erwarteten Ernten und stirbt das Vieh.

Der medico-Partner NAPAD, 2006 von somalischen NGO- und UN-Mitarbeitern gegründet, ist seit vielen Jahren im Südwesten des Landes unter großen Gefahren für Leib und Leben aktiv. Während sich internationale Helfer aus Somalia weitgehend zurückgezogen haben, kennen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von NAPAD die Bedingungen vor Ort und verfügen über ein etabliertes Netzwerk. Aktuell versorgen sie in der Gedo-Region Haushalte mit Nahrungsmitteln und gewährleisten den Zugang der Menschen zu Wasser.

In Kenia versucht die Regierung über ein Notprogramm, die Menschen zu unterstützen. Allerdings sind die bereitgestellten Gelder zu gering, um alle Regionen abzudecken und oft spielen politische Kriterien eine Rolle bei der Verteilung. Die kenianische Gesundheitsorganisation KAPLET (Kamukunji Paralegal Trust) leistet derzeit Nothilfe in den besonders betroffenen Counties im Osten, in Garissa und Tana River. Dort verteilen die Aktivistinnen und Aktivisten Bohnen, Reis, Öl und Trinkwasser – vor allem an diejenigen, die bisher von Hilfe abgeschnitten waren.

Außerdem unterstützt der medico-Partner die Menschen in der Region in der Wahrnehmung ihrer demokratischen Rechte. „Alle Bürger dieser Welt haben das Recht auf Gesundheitsversorgung, sauberes Wasser, Bildung, soziale Sicherheit und ein Leben frei von Hunger. Der Zufall, an einem bestimmten Ort der Welt geboren worden zu sein, darf nicht zum Todesurteil werden“, sagt Dan Owalla von KAPLET, deren Kampagnen für die Bekämpfung der strukturellen Ursachen der Hungerkrisen, medico schon seit der ostafrikanischen Katastrophe von 2011 unterstützt.

Auch jetzt ist praktische Hilfe das Gebot der Stunde. Doch die akute Not ist Folge eines krisenhaften Dauerzustandes – und globaler Unverantwortlichkeit. Zwar ging dem Hunger die Dürre voraus, doch gehört Dürre zu den Folgen des Klimawandels, der von den Ländern des Nordens und den Schwellenländern verursacht wird. Die Knappheit an Getreide ist auch Resultat der internationalen Nahrungsmittelspekulationen, gegen die sich ostafrikanische Regierungen selbst dann nicht erwehren könnten, wenn sie dazu den Willen hätten. Wegen des Zusammenbruchs der Finanzmärkte sind die Hedgefonds und andere Großspekulanten auf die Agrarrohstoffbörsen umgestiegen. Nahrungsmittelvorräte anzulegen ist teuer geworden. Dazu kommt: Die Länder des Horns von Afrika werden von ihren Auslandsschulden erdrückt. Für Investitionen in Infrastruktur und Bewässerung fehlt das Geld.

Die Armut der ganzen Region resultiert nicht zuletzt aus den Kriegen um regionale Vorherrschaft, die nur dann internationale Aufmerksamkeit auf sich ziehen, wenn sie globale Sicherheitskalküle aus der Balance bringen. So ist es denn auch kein Wunder, dass die Länder, in denen die akute Not am größten ist – Südsudan, Somalia, Jemen und der Nordosten Nigerias – eines gemein haben: Sie stecken in einem Strudel aus schwacher Staatlichkeit, internationaler Abhängigkeit und gewaltsamen Auseinandersetzungen um den Zugang zu den Ressourcen, die auf dem Weltmarkt gefragt sind und die Besitzer reich machen. Es sind Gesellschaften in der Dauerkrise. Bleibt dann noch der Regen aus, bricht eine ohnehin fragile Versorgungssituation vollends zusammen.

Christian Sälzer
 

Damit die medico-Partner in Somalia und Kenia einen wirksamen Beitrag zur Linderung der Not und zur langfristigen Bekämpfung der Ursachen leisten können, brauchen sie unsere Unterstützung.

Spendenstichwort: Hilfe für Ostafrika


Dieser Artikel erschien zuerst im medico-Rundschreiben 1/2017. Das Rundschreiben schicken wir Ihnen gerne kostenlos zu. <link material rundschreiben rundschreiben-bestellen>Jetzt abonnieren!

Veröffentlicht am 10. April 2017

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