Sri Lanka

Für eine Kultur des Respekts

28.05.2025   Lesezeit: 2 min  
#sri lanka  #versöhnung 

Auch 15 Jahre nach dem Massaker an der tamilischen Bevölkerung hat der sri-lankische Staat die Verbrechen des Bürgerkrieges nicht aufgearbeitet. Unterdessen setzen sich medico-Partner:innen wie Vasuky Rajendra auf Gemeindeebene für Versöhnung ein.

Vasuky, kurz Vasu Rajendra steht am Strand von Mullaithivu an der Nordostküste Sri Lankas und lässt den Blick über das kristallblaue Meer schweifen. Was wie ein Idyll aussieht, ist mehrfach Ort größten Schreckens gewesen. Ende 2004 sorgte der Tsunami für verheerende Zerstörungen. Vier Jahre später endete hier der jahrzehntelange Bürgerkrieg mit einem beispiellosen Massaker: Das singhalesische Militär kesselte letzte Widerstandsgruppen und Hundertausende tamilische Zivilist:innen am Strand ein und bombardierte sie wochenlang. Zehntausende starben. Als Mitarbeiterin der Organisation SEED hat Vasu geholfen, Verletzte und Überlebende zu versorgen, auch noch, als diese in sogenannten „Rehabilitationslagern“, Hunger, Misshandlung und Folter ausgesetzt waren. Verbrechen, die offiziell nie stattgefunden haben, hat Vasu bewusst festgehalten. Denn: „Zeug:innenschaft dokumentiert das Unrecht und hilft gleichzeitig beim Verarbeiten des Erlebten.“

Dass sie heute, 15 Jahre später, wieder an dem Strand steht, hat einen Grund. Mit Hilfe von medico unterstützt SEED in der Region zwölf Dörfer – tamilische, singhalesische und muslimische – dabei, trotz aller Schrecken der Vergangenheit und gegenwärtiger Schwierigkeiten zu selbstbestimmten Gemeinden zusammenzufinden. Einfach ist das nicht. Das Militär ist noch überall präsent. Wie im gesamten tamilisch geprägten Norden ist die Infrastruktur nur schwach ausgebaut. Hinzu kommt: Die Gewalt- und Vertreibungsgeschichten stecken noch in den Menschen. So gibt es Konflikte zwischen den Dörfern, in Konkurrenz um knappe Ressourcen wie Trinkwasser kochen auch alte Spannungen hoch. Umso wichtiger ist die Wiederaufbau- und Versöhnungshilfe von SEED, die auch den Schmerz und die Traumata des Krieges überwinden will. Zum Beispiel haben Frauen eine Kooperative gegründet und sich darüber Einkommensmöglichkeiten erschlossen. Solche Erfahrungen ermutigen auch andere, ihr Leben zu gestalten und ihre Interessen zu vertreten – nicht gegeneinander, sondern gemeinsam, etwa gegenüber der korrupten lokalen Verwaltung.

Damit das gelingt, braucht es eine Kultur des Respekts und gruppenübergreifende Verständigung. Auf ihrem Handy startet Vasu ein Video. Es zeigt Szenen, die sich wenige Wochen zuvor hier am Strand von Mullaithivu ereignet haben: Bei dem von SEED organisierten Drachenfestival haben Jugendliche und Erwachsene aus den Dörfern trotz verschiedener Zugehörigkeiten zusammen gefeiert und sich über die Nöte des Alltag ausgetauscht. Sie haben auch erinnert – an Gewalt, Diskriminierung und persönliche Verluste, während des Krieges oder 2009 hier am Strand. Manche haben erstmals offen darüber gesprochen, andere erst mal hin- und zugehört. Die Bedeutung dessen beschreibt Vasu so: „Für mich und viele andere wird dieser Ort nun auch mit der Erinnerung an das Drachenfestival verbunden sein. Die Gerechtigkeit, nach der wir suchen, stellt sich nicht nur über Verurteilungen von Kriegsverbrechern vor Gericht her. Sie tut es auch in Momenten des Sehens, des Gesehenwerdens und des Sich-Begegnens.“

Karin Zennig

Für Friedens- und Versöhnungsarbeit, aber auch für die Stärkung von Frauenrechten und ökologischer Landwirtschaft unterstützt medico die Partnerorganisationen in Sri Lanka.


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