Heute wurde vor dem Oberlandesgericht in Hamm über die Verantwortung des Energiekonzerns RWE für die Klimakrise verhandelt. Der peruanische Bauer Lliuya hatte mit Unterstützung der Umweltorganisation Germanwatch auf die Kostenbeteiligung des Unternehmens an Schutzmaßnahmen geklagt, die vor Klimakrisenschäden schützen sollen.
Obwohl die Klage abgewiesen wurde, hat sie Rechtsgeschichte geschrieben, denn das Gericht erkennt die Verantwortung des Unternehmens für die Klimakrise an.
80 Prozent aller zwischen 2016 und 2022 ausgestoßenen CO2-Emissionen stammen von nur 57 Konzernen – RWE ist einer von ihnen. Der Ende des 19. Jahrhunderts gegründete Konzern steht wie kein anderer für das deutsche Industrialisierungs- und Fortschrittsmodell, dessen Erfolg (und auch der Profit von RWE) darauf basiert, die Kosten durch von ihm verursachter Schäden auf die Allgemeinheit auszulagern. In diesem Fall auf die am meisten von der Klimakrise betroffenen Menschen und Regionen im Globalen Süden, deren Lebensgrundlagen zunehmend durch Extremwetter zerstört werden.
Dieses Wirtschaftsmodell kennen wir bereits von der Kernenergie, die RWE horrende Profite ermöglicht hat, weil die öffentliche Hand die komplette Haftung für Schäden und die Entsorgung der Brennelemente übernommen hat. So wird nicht nur die Verantwortung verlagert, sondern gesellschaftlicher Reichtum umverteilt und privatisiert. Im Fall der Klimakrise ist das ähnlich – nur in noch größerem Maßstab.
Bekannt ist das auch aus der Diskussion um das deutsche wie das europäische Lieferkettengesetz. Die Vehemenz, mit der sich Wirtschaftsvertreter:innen dagegen wehren, macht deutlich: Deutsche Unternehmen sind nur auf der Basis verletzter Arbeits- und Menschenrechte, Gesundheits- und Umweltschutzstandards konkurrenzfähig. Eine Einhaltung von Standards, wie sie vom Lieferkettengesetz eingefordert werden, wird als bürokratisch und wettbewerbsverzerrend dargestellt.
RWE seinerseits argumentierte vor Gericht, sich stets an rechtliche Regelungen gehalten zu haben. Der Verweis auf die seit Jahren von der Klimabewegung und zivilgesellschaftlichen Organisationen geforderte Verantwortung des Gesetzgebers entlastet RWE allerdings keineswegs davon, nicht all das zu tun, was nicht verboten ist. Seit Jahrzehnten sind RWE und den anderen großen CO2-Emittenten wie Shell und Exxon Mobile die Folgen ihres Geschäftsmodells für Umwelt und Klima bekannt.
Das Gericht hat in der heute zu Ende gegangenen Klage des peruanischen Bauern alle zentralen juristischen Argumente des RWE-Konzerns demontiert und prinzipiell einer vollumfänglichen Verantwortung von Unternehmen für die von ihnen verursachten Klimaschäden juristisch zugestimmt. Gescheitert ist die Klage allein an der Einschätzung des tatsächlichen Risikos einer durch Gletscherschmelze verursachten Überschwemmung am Wohnort des Klägers. Weil das Eintreten dieses Ereignisses für das Gericht nicht mit Sicherheit festzustellen war, wird jetzt erst mal weitergemacht wie bisher – eine Praxis, deren Ergebnis sich an den sich häufenden Extremwettern des Katastrophenjahres 2024 gut ablesen lässt.
RWE kritisierte öffentlich, dass die Klage auf einen Präzedenzfall gezielt habe. Und tatsächlich ging und geht es um nicht weniger als das: die Durchsetzung des Verursacherprinzips. Mit dem heutigen Urteilsspruch des Oberlandesgerichts in Hamm ist das Risiko für Unternehmen, für die Konsequenzen ihres Geschäftsmodells zur Verantwortung gezogen zu werden, um ein Vielfaches gestiegen. Das bedeutet Rückenwind für die nächsten Klagen und ist ein Zeichen der Hoffnung in Zeiten ausbleibender Klimagerechtigkeit.