Libanon

Mit Dachgärten durch die Krise

Corona, Lockdown, Explosion in Beirut: Im palästinensischen Flüchtlingslager Ein El Hilweh werden die Dachgärten immer wichtiger.

Von Anita Starosta

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Die Anträge für neue Dachgärten stapeln sich auf dem Schreibtisch von Hanan, die als Koordinatorin der Frauenkooperative im palästinensischen Flüchtlingslager Ein El Hilweh arbeitet. „Es sind 150 Blätter“, erzählt sie stolz. Die anhaltende ökonomische Krise im Libanon und der Lockdown wegen der Covid19-Pandemie ließ die Anfragen in die Höhe schnellen. Selbstversorgung und ökonomische Unabhängigkeit sind in Krisenzeiten wichtiger denn je und beweisen, dass die Frauenkooperative schon vor einem Jahr, als sie mit medico-Unterstützung das Projekt begann, genau richtig lag.

Nicht nur der Zusammenhalt und das Netzwerk unter den Frauen sind stärker geworden, es gibt reale Gewinne: Das Gemüse wächst, gemeinsam stellen die Kooperativen-Mitglieder verschiedene Produkte her und verkaufen sie auf dem Markt. Und die Frauen verbessern ihr Konzept stetig: Statt langer Plastikrohre benutzen sie auf den Dächern nun halbierte Plastiktonnen, berichtet Wafaa während sie in einem der inzwischen 23 existierenden Dachgärten steht. Die Konstruktionen vorher waren zu teuer, aufgrund der ökonomischen Krise steigen die Materialpreise an und es muss immer wieder überprüft werden, was möglich ist.

Dennoch gehen die Pläne für weitere Dachgärten stetig voran. Auf einem Whiteboard im Büro planen die Frauen eine gerechte Verteilung der nächsten Dachgärten in dem jahrzehntealten Lager. Auch aus anderen Camps haben sie schon Anfragen erhalten. Auch die libanesische Regierung habe dazu aufgerufen, Gärten für die Selbstversorgung anzulegen.

Nach der Explosion im Beiruter Hafen am 4. August hat sich die Situation im Land erneut verschärft, die Versorgung mit Lebensmitteln ist prekär. Die wieder aufflammende Demokratiebewegung hat die Regierung zum Rücktritt gezwungen, es wird Neuwahlen geben. Hunderttausende haben ihre Wohnung verloren, leben in Massenunterkünften. Die Bedrohung durch die Covid19-Pandemie wird in den nächsten Wochen weiter zunehmen – das marode Gesundheitssystem kann das nicht auffangen. Besonders für die Bewohner*innen im Ein El Hilweh, die kaum Zugang zur Gesundheitsversorgung haben.

Als wir gemeinsam mit der Frauenkooperative unserer Partnerorganisation Nashet die Dachgärten-Kampagne gestartet haben, war uns noch nicht klar, wie wichtig die Versorgung mit Lebensmitteln durch die Dachgärten im Ein El Hilweh werden würde. Nun geht es darum, den Bau von weiteren Gärten zu ermöglichen. Die Frauenkooperative plant außerdem eine eigene Kompostieranlage im Lager, auch dafür bedarf es der nötigen Unterstützung.

Veröffentlicht am 20. August 2020

Anita Starosta

Anita Starosta leitet die Öffentlichkeitsarbeit von medico international. Außerdem ist die Historikerin für die Türkei, Nordsyrien und den Irak zuständig.

Twitter: @StarostaAnita


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