Guatemala

Anders kämpfen

28.05.2025   Lesezeit: 2 min  
#guatemala  #menschenrechte 

Widerstand gegen staatliche Gewalt, Aufrechterhalten der Erinnerung an den Genozid der 1980er-Jahre, Kampf um Territorium und Erhalt der Natur: Darum geht es Lucía Ixchiu und dem Kollektiv „Festivales Solidarios“.

2012 protestierten indigene Gemeinden der Maya K‘iche im westlichen Hochland von Guatemala gegen die hohen Energiepreise. Bei einer Straßenblockade erschossen Soldaten in der Stadt Totonicapan sechs Demonstranten. Für die damals Anfang 20-jährige Lucía Ixchiu brachten diese Morde das Fass zum Überlaufen: Sie beschloss, aktiv zu werden. Um die Geschehnisse zu dokumentieren, gründete sie gemeinsam mit ihrer Schwester Andrea und anderen die Plattform „Festivales Solidarios“, zu Deutsch „Feste der Solidarität“. Gemeinsam organisierten sie eine direkte Berichterstattung aus indigenen Gemeinden, die bis dato kaum andere Verstärker in die Gesellschaft hatten. Gleichzeitig nutzte das Kollektiv künstlerische Ausdrucksformen, um die alten Muster des Protests aufzubrechen.

Das Prinzip der „Übersetzung“ haben Lucía und ihre Mitstreiter:innen seither weiterverfolgt. Mit Workshops für Kinder und Jugendliche, Musik, Akrobatik und künstlerischen Protestformen bauen sie Brücken in marginalisierte indigene Gemeinden, die fernab der Zentren im weiten Hinterland leben, zwischen unberührtem Regenwald und den wachsenden Flächen einer aggressiven Agrarindustrie. Wo viele Menschen eher indigene Sprachen sprechen als Spanisch und weder lesen noch schreiben können, funktionieren die künstlerisch-kreativen Ansätze von Festivales Solidarios wie ein Türöffner. Ihre Arbeit schafft nicht nur sozialen Zusammenhalt, sondern wird auch politisch wirksam, indem das Wissen um indigene Rechte vertieft und so ein kollektives politisches Bewusstsein gestärkt wird.

Doch auch Festivales Solidarios schlug nach 2015 der scharfe Gegenwind des rechten Rollbacks im Land entgegen. „Eine junge indigene Frau zu sein, die ihre Stimme erhebt und davon träumt, dass das Land anders sein kann, hat den Preis von Gewalt, Verfolgung und Diffamierung“, sagt Lucía. In den vergangenen Jahren überzogen Regierungen und Generalstaatsanwaltschaft Protestbewegungen, missliebige Richter:innen und kritische Journalist:innen mit allen Arten der Repression. Viele verließen das Land, auch Lucía, ihre Schwester und ihr Lebensgefährte Carlos Cano gingen ins Exil. Festivales arbeitet weiter, eng vernetzt mit den inzwischen in Mexiko lebenden Mitgliedern.

Inzwischen hat sich der Wind abermals gedreht. Nachdem der progressive Kandidat Bernardo Arévalo im Sommer 2023 überraschend die Präsidentschaftswahlen gewonnen hatte, tat die korrupte Elite des Landes zwar alles, um seinen Amtsantritt Anfang 2024 zu verhindern. Doch mit einer nie dagewesenen Machtdemonstration ermöglichten die indigenen Gemeinschaften die Amtsübernahme. Im ganzen Land hatten indigene Autoritäten zum Protest aufgerufen. Über drei Monate legten Straßenblockaden die Wirtschaft lahm, Hunderte Menschen aus indigenen Gemeinden besetzten Plätze in der Hauptstadt – mittendrin: die Aktivist:innen von Festivales Solidarios. Für ihre Verteidigung der Demokratie haben die Gemeinden viel Anerkennung bekommen. Sie haben deutlich gemacht, dass die Mehrheit des Landes auch eine politische Kraft ist.

Moritz Krawinkel


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