Gesundheitsaktivistin

Wider die Prekarisierung

Juliet Kabe vom Khanya College in Südafrika setzt sich für menschenwürdige Arbeitsbedingungen der Health-Worker und eine Gesundheitsbewegung von unten ein.

„Was tust du als Gemeinde-Gesundheitsarbeiterin, wenn du einen Patienten bei der Medikamenteneinnahme unterstützen sollst, er aber nicht genug zu essen hat und die Medikamente auf leeren Magen nicht verträgt: Gibst du ihm die Medikamente trotzdem oder ziehst du los und besorgst aus der eigenen Tasche Lebensmittel?“

Als Juliet Kabe als Gesundheitsarbeiterin in einem Armenviertel arbeitete, war sie tagtäglich mit dem Widerspruch konfrontiert, ausgleichen zu sollen, was ungleiche Lebensverhältnisse und Armut mit der Gesundheit der Menschen anrichten. Diese Erfahrung hat sie sehr berührt. Sie hat sie dazu gebracht, sich mit der prekären Situation der Gesundheitsarbeiterinnen zu beschäftigen: Für kargen Lohn und weitgehend rechtlos üben die Frauen und wenigen Männer eine extrem wichtige Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst aus.

Inzwischen ist Juliet am Khanya College Johannesburg tätig und kämpft in der Provinz Gauteng für bessere Arbeitsbedingungen der Gesundheitsarbeiterinnen in den Gemeinden. Seit 2014 setzt sich das Khanya College in einem von medico geförderten Netzwerkprojekt gemeinsam mit sechs Partnerorganisationen dafür ein, die Selbstorganisation der Care Worker zu stärken. Mit großem Organisationstalent und viel Herzblut hat Juliet mit dazu beigetragen, dass 2016 ein erster großer Erfolg gelungen ist: Das Arbeitsgericht erkannte am 18. März an, dass Care Worker keine freiwilligen Helferinnen sind, sondern Arbeiter – und damit für sie auch das übliche Arbeitsrecht gilt. Ein wegweisendes Urteil. Doch kaum war es gesprochen, begann das Gesundheitsministerium die Arbeitsverträge kurzerhand an eine Privatfirma auszulagern.

Die Frauen im Gauteng Community Health Care Forum gaben allerdings nicht auf: In fast 80 lokalen Kliniken organisierten sie Komitees. Petitionen, Informationsveranstaltungen und Protestmärsche folgten – bis sich der Gesundheitsminister gezwungen sah, auf den Protest zu reagieren. Noch ist der Ausgang ungewiss.

Unabhängig davon aber hat das Projekt eine Dynamik der Selbstermächtigung der bislang Ausgebeuteten in Gang gesetzt. Es sei eine Plattform entstanden, erzählt Juliet, mit deren Hilfe sich die Gesundheitsarbeiterinnen vernetzen und über ihre Erfahrungen und Sorgen, aber auch über ihren gemeinsamen Kampf sprechen. „Im Alltag sind die Frauen oft auf sich allein gestellt. Hier aber stärken sie sich gegenseitig den Rücken.“ Doch auch sie selbst habe sich durch das medico-Projektnetzwerk verändert. „Ich habe gelernt, wie man Budgets aufstellt, Baselinedaten erhebt, Berichte schreibt und eigenständig Projekte managt. Das macht mich stark.“

Maria Hartmann und Usche Merk

Veröffentlicht am 10. Mai 2017

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