Sierra Leone

Theater gegen Unwissen und Stigmatisierung

Abgeschobene kämpfen gegen ihre Stigmatisierung

Aus Deutschland abgeschobene Flüchtlinge kämpfen in Sierra Leone im Netzwerk NEAS gegen ihre Stigmatisierung und die Abschiebepraxis der Europäischen Union. In einem Theaterstück verarbeiten die Aktivistinnen und Aktivisten von NEAS ihre Erfahrungen.

„Ich war zehn Jahre in Deutschland und auf einmal stehe ich vor der Tür meiner Familie mit nichts in den Händen. Da ist es schwer, wieder als Teil der Community akzeptiert zu werden“, erklärt Mustapha im Gespräch mit einer medico-Mitarbeiterin. Nach der traumatischen Erfahrung der Abschiebung aus Deutschland war er mit der ablehnenden Haltung von Familie und Nachbarn in Sierra Leone konfrontiert. In Unkenntnis der Asylgesetzgebung in Europa wird den jungen Männern und Frauen unterstellt, dass sie abgeschoben wurden, weil sie sich in Deutschland etwas zuschulden kommen ließen. Selbst lokale Menschenrechtsorganisationen kennen die restriktive europäische Asylgesetzgebung selten und wissen nicht, dass Menschen abgeschoben werden, ohne dass sie eine Straftat begangen haben.

Die Angst vor Stigmatisierung und Diskriminierung führt dazu, dass die Abgeschobenen versuchen, sich unsichtbar zu machen, und ihre Erfahrungen verschweigen. Für einige waren die Belastungen während und nach der Abschiebung so groß, dass sie psychisch krank wurden. Die Isolation zu überwinden ist das Ziel von NEAS. Die Selbsthilfegruppe bietet die Möglichkeit, sich mit anderen Betroffenen auszutauschen und sich gegenseitig zu unterstützen. In einem geschützten Rahmen können die Abgeschobenen ihre Geschichten erzählen und sich organisieren, um gemeinsam auf eine Verbesserung der Situation von Abgeschobenen hinzuwirken.

2013 hat NEAS in Zusammenarbeit mit dem Tabule Theater aus Freetown ein Drama zum Thema Abschiebung entwickelt. Die Betroffenen spielten ihre eigene Geschichte nach und durchlebten den Prozess der Abschiebung erneut. Indem sie das Theaterstück vor engen Freunden und den Theaterleuten aufführten, brachen sie gleichzeitig das Schweigen über das Thema. Diese Erfahrung war so ermutigend, dass sich die Gruppe entschloss, eine Aufführung des Dramas zu filmen und einem breiten Publikum zugänglich zu machen.

Die kritische Stimme von NEAS ist nicht mehr zu überhören. Regierungsvertreter aus Sierra Leone luden das Abgeschobenen-Netzwerk ein, an einem Ausschuss zu Migration im Außenministerium teilzunehmen, und versprachen, die Anliegen von NEAS eingehend zu prüfen. Tejan Lamboi, internationaler Koordinator und Gründungsmitglied von NEAS, über diese Entwicklung: „Heute erzählen NEAS-Aktivisten ihre Geschichte nicht mehr nur als Opfer. Wir sind vielmehr aktiv daran beteiligt, im Austausch mit anderen Organisationen die gegenwärtigen Bedingungen zu kritisieren und zu verändern.“

Anne Jung

medico international arbeitet seit der Gründung von NEAS mit dem Netzwerk zusammen.

Veröffentlicht am 22. Mai 2014

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