Editorial
medico-rundschreiben 04/2025
"Wir träumen von Frieden – doch erst müssen wir gewinnen", heißt es zynisch bei K.I.Z. Man kann die Lage kaum besser auf den Punkt bringen.

Liebe Leser:innen,
acht Kriege hat US-Präsident Donald Trump in seiner zweiten Amtszeit angeblich schon beendet. Das verkündete er kürzlich bei einer Waffenstillstandszeremonie zwischen den von ihm frisch versöhnten Regierungen Thailands und Kambodschas. Den Friedensnobelpreis hätte er bekanntermaßen auch gerne bekommen – und angesichts der zumindest im Kreis der Mächtigen recht dürftigen Kandidatenlage sowie der diesjährigen Preisträgerin lacht man schon beim zweiten Nachdenken nicht mehr über diesen Vorschlag. Die realexistierende Alternative zum Kriegstaumel in Ost und West ist derzeit ein Frieden Trumpscher Prägung. Wiener Kongress oder Schlachtfeld.
Die Leerstelle, in der sich der selbst ernannte Friedensengel Trump breitmacht, sagt mehr über seine politischen Gegner als über ihn. Weit und breit ist nämlich, zumindest im freien Westen, niemand in Sicht: Der einzige Frieden, den viele Linke und Liberale derzeit noch zu kennen scheinen, ist der militärische Sieg ihrer eigenen Nationen oder ihrer Verbündeten. „Wir träumen von Frieden – doch erst müssen wir gewinnen“ heißt es zynisch bei K.I.Z., die neulich bei der von medico mitorganisierten Gaza-Kundgebung All Eyes on Gaza in Berlin auftraten. Man kann die Lage kaum besser auf den Punkt bringen.
In Gaza war der US-Präsident tatsächlich erfolgreich, zumindest im Schaufenster. Doch ob das brüchige Waffenstillstandsabkommen den Palästinenser:innen wirklich „ewig währenden Frieden“ bringt, ist eher eine rhetorische Frage. Riad Othman beschreibt in diesem rundschreiben, das den Raum zwischen Krieg und Frieden als etwas Graduelles erkundet, wie das Abkommen einerseits dem Alltag gewordenen Massenmord ein Ende setzt, der politische Geist aber bruchlos fortgesetzt wird, der ihn möglich machte.
In Deutschland setzt man nach der „Beruhigung“ der Lage in Gaza traditionsbewusst auf Vergessen und Verdrängen: Übergang zur Tagesordnung statt Aufarbeitung des innen- wie außenpolitischen Totalversagens, das der Bundesrepublik erheblichen Schaden zugefügt hat. Wie die antifaschistische Erinnerungskultur in Deutschland sich in ein Medium deutschen Wiedererstarkens verwandeln konnte und warum sie ein wesentlicher Baustein deutscher Außenpolitik wie ihres Scheiterns ist, darüber schreibt Katja Maurer in einem längeren Essay zum Auftakt unseres Heftes. Er kündigt zugleich eine Konferenz in Zürich an, die von medico mitorganisiert wird und zu der viele internationale Redner:innen kommen, die in den letzten Jahren in Deutschland Sprechverbot erteilt bekommen haben.
In der Ukraine wird derweil einfach weitergekämpft. Während die Diskurse über die „Solidarität mit der Ukraine“ hierzulande vor allem westliche Omnipotenz suggerieren, hat ihre Realität bislang zu nicht viel mehr geführt als der endlosen Verlängerung eines Stellungskrieges mit Tausenden Toten pro Woche. Meine Kollegin Karoline Schaefer und ich schreiben über unsere Eindrücke von einem Krieg, der vielen mittlerweile endlos scheint.
Der zweite Teil des Heftes erzählt davon, wie eine neue Generation von Aktivist:innen aufbegehrt und wie andere, solidarische Formen des Zusammenlebens verteidigt werden. Berichte über die Arbeit von Partner:innen in Brasilien, Mexiko, Namibia und Bangladesch geben Einblicke, was nicht zuletzt mit Ihrer Hilfe möglich wird.
Dies ist die letzte Ausgabe des rundschreibens im Jahr 2025. Wir möchten diese Gelegenheit nutzen, uns bei Ihnen für Ihre Unterstützung und Treue zu bedanken. Das tun wir jedes Jahr, aber in den letzten Monaten haben sie uns und unseren Partnerorganisationen noch einmal unendlich mehr bedeutet. Es sind insofern gute Zeiten, um weiterzumachen.
Ihr Mario Neumann
