Libanon / Syrien

Rückkehr nach Syrien?

Die Hilfsorganisation „Sawa for Development and Aid“ hilft syrischen Geflüchteten im Libanon, die in das Bürgerkriegsland Syrien zurückkehren wollen. Wie geht das?

Gehen oder bleiben? Für viele syrische Geflüchtete im Libanon ist das eine Wahl zwischen zwei Alternativen, die eigentlich keine sind. Die tiefe politische und ökonomische Krise im Libanon verschärft sich immer mehr und auch ein Jahr nach der Explosion im Beiruter Hafen ist keine Aufklärung der Katastrophe in Sicht. Im Gegenteil: jeden Tag wächst die Wut auf die korrupten Eliten des Landes und die wirtschaftliche Situation für die Menschen im Land verschärft sich.

In dieser Gemengelage ist die Situation syrischer Geflüchteter, die seit Jahren in einem Status der Rechtslosigkeit verharren, besonders aussichtslos. Die große Mehrheit der syrischen Geflüchteten lebt illegal oder zumindest ohne vollständige Aufenthaltserlaubnis im Libanon. Die Folge ist eine Entrechtung, die sich dramatisch auf die Lebensbedingungen der Geflüchteten auswirkt: Syrische Flüchtlinge können nicht in offiziellen Flüchtlingscamps untergebracht werden und leben in privaten oder informellen, ungenügenden Unterkünften und Lagern. Sie verfügen über keinen Anspruch auf Asyl oder eine dauerhafte, legale Bleibeperspektive. Sie haben keinen Zugang zu öffentlichen Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen, keinen Zugang zu legaler Arbeit und sie unterliegen den ständigen Gefahren von Übergriffen, Vertreibungen und der Abschiebung.

Rückkehr aus Not, nicht freiwillig

Allerdings ist die Rückkehr nach Syrien, wo sich das Assad-Regime hält und noch immer der Bürgerkrieg tobt, keine Option, die eine Perspektive verspricht. Rückkehrende stehen unter Generalverdacht, denn oftmals war und ist die Flucht politisch begründet. Zusätzlich können Rückkehrer:innen oftmals nicht ihre Besitzansprüche auf ihre alten Wohnungen, Häuser und Grundstücke geltend machen. Einer Rückkehr nach Syrien stehen außerdem die dramatische wirtschaftliche Lage und landesweite Gewalt und Unsicherheit entgegen. Eine Rückkehr ist für sehr viele Menschen lebensbedrohlich. Wer sich dennoch dafür entscheidet tut das aus Not, nicht freiwillig.

Die von medico international unterstützte libanesisch-syrische Hilfsorganisation „Sawa for Aid and Development“ will nun rückkehrwillige Geflüchtete im Libanon beraten und gemeinsam mit ihnen Bleibeperspektiven entwickeln. Familien, die trotz allem zurückgehen, soll bei dieser Entscheidung und dem höchst schwierigen Neubeginn in Syrien bestmöglich geholfen werden. Denn auch dabei haben Menschen ein Anrecht auf Unterstützung. Sawa will sie in ihrer schwierigen Entscheidung nicht alleine lassen, über Gefahren informieren und die erforderliche juristische Begleitung gewährleisten. Dies soll sowohl im libanesischen Grenzgebiet als auch in den syrischen Großstädten Homs und Damaskus geschehen. Gleichzeitig sollen die informellen Migrationsbewegungen zwischen dem Libanon und Syrien, die oftmals unter gefährlichen Bedingungen stattfinden, erstmals dokumentiert werden.

Keine Instrumentalisierung von Rückkehr und Hilfe

Das Recht zu Gehen und zu Bleiben muss gerade in Situationen der Ausweglosigkeit verteidigt werden. Die Grundlagen für die Entscheidung und für die Möglichkeit der Ausübung dieses Rechtes müssen in noch so düsteren Situationen gelegt werden. Und zwar ohne dabei strategische Eigeninteressen zu verfolgen, wie es die humanitäre Hilfe der EU tut, die auf eine Stabilisierung der Elendsverhältnisse vor allem abzielt, um neuen Migrationsbewegungen Richtung Europa zu verhindern. Oder wie die Rückkehrprogramme der Bundesregierung, die mithilfe falscher Versprechungen die Ausreisezahlen erhöhen und Geflüchteten ihre rechtmäßigen Asylansprüche abkaufen. Es gilt das Recht zu Gehen und zu Bleiben zu verteidigen: gegen die Instrumentalisierung von Entwicklungszusammenarbeit und Hilfe, sowie gegen Abschottungs- und Katastrophenkapitalismus. Und nicht zuletzt gegen die Alternativlosigkeit.

Raul Rosenfelder

Die wirtschaftliche Krise im Libanon und die Entrechtung Geflüchteter bringt viele syrische Bürgerkriegsflüchtlinge dazu, über eine Rückkehr nachzudenken. Die von medico unterstützte Hilfsorganisation „Sawa for Aid and Development“ stärkt Bleibeperspektiven stellt denen, die zurückkehren wollen, grenzübergreifend Beratung und Rechtsbeistand zur Seite.

Veröffentlicht am 25. August 2021

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