Rechtshilfe und Konfliktprävention

Network Movement for Justice and Development (NMJD)

Der medico-Partner Network Movement for Justice and Development (NMJD) gehört zu den zentralen Akteuren der sierra-leonischen Zivilgesellschaft, die sich für strukturelle Veränderungen in Sierra Leone einsetzen.

Die Aktivist/innen streiten zum Beispiel dafür, dass die Einnahmen aus dem Rohstoffabbau auch den betroffenen Gemeinden zugute kommen. Die Kolleg/innen waren maßgeblich am Zustandekommen des Rahmenabkommens für internationale Unternehmen beteiligt.

Die Grundidee des Netzwerkes ist dabei – mit nationalen Gesetzen, ihrer aktiven Durchsetzung durch juristische Begleitung vor Ort und internationalen Abkommen – dafür Sorge zu tragen, dass die Ausbeutung der einheimischen Rohstoffe soziale Entwicklung befördert. Sierra Leone ist auch 10 Jahre nach Kriegsende ein extrem armes Land und zählt nach dem Index für Menschliche Entwicklung von 2011 zu den am wenigsten entwickelten Ländern überhaupt. Das Pro-Kopf-Einkommen beträgt etwa 340 USD pro Jahr. 70 % der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze mit einem Einkommen von unter zwei USD pro Tag.

Die Folgen der extremen Armut werden vor allem im Gesundheitsbereich sichtbar. 17 % der Kinder sterben noch vor ihrem ersten Geburtstag. Jede achte Frau stirbt während oder nach der Geburt (amnesty, Der Standard 24.9.11). Die Ursachen liegen neben der geringen Krankenhausdichte auch daran, dass Frauen und Mädchen oft keinen Zugang zu lebensrettenden Behandlungen bekommen, da sie nicht dafür bezahlen können. Der fehlende Zugang zu lebensrettenden Medikamenten und die schlechte Bezahlung von Gesundheitsarbeiter/innen führen zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. In Interviews wurde uns berichtet, dass Patient/innen oft von überforderten und unzufriedenen Gesundheitsarbeiter/innen geschlagen werden, zudem kommt es aus Frust über die schlechte Versorgung zu Gewalt gegenüber dem Personal in Krankenhäusern und Gesundheitsstationen.

Diese Situation gilt in besonderer Weise für die ländliche Regionen. Network Movement arbeitet seit vielen Jahren in der abgelegenen Provinz Kono, in der oft andere Regeln gelten als in der Stadt. Die Provinz Kono war ein zentraler Schauplatz des Bürgerkrieges, weil es hier erhebliche Diamantenvorräte gab. Der einstige Brotkorb Sierra Leones wurde durch den Kampf um die Rohstoffe und ihre potentiellen Verwertungsmöglichkeiten auf dem Weltmarkt zum Armenhaus des Landes. Auch heute überleben die Menschen unter unerträglichen Lebens- und Arbeitsbedingungen.

Die nationalen und internationalen Rohstoffförderer/innen bestimmen das Leben der Menschen. Enteignungen von Land sind an der Tagesordnung. Es herrscht vielerorts ein System der Willkür. Der südafrikanische Diamantenkonzern Koidu Holdings hat die Schürfrechte von der Regierung erworben und führt immer häufiger Sprengungen durch, um an die tieferen Gesteinsschichten zu gelangen. Koidu hat knapp 90.0000 Einwohner/innen, von den Vertreibungen aus dem Konzessionsgebiet sind inzwischen mehr als 7000 Menschen betroffen. Durch die Sprengungen, die im unmittelbaren Lebensraum durchgeführt werden, wird extrem viel Staub aufgewirbelt: Die Menschen klagen über starke Kopfschmerzen, die Augen tränen und es kommt zu starken Atemwegserkrankungen.

Die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen schrumpfen und erhöhen die Abhängigkeit von der Arbeit in den Minen. Die Menschen in Koidu berichten, dass die Anwohner/innen zu spät oder gar nicht über die bevorstehenden Sprengungen informiert werden.

In Kono stehen die Mitarbeiter/innen des NMJD Ratsuchenden, die in Landfragen und Schürfrechten, aber auch bei häuslicher Gewalt und Unterhaltsverpflichtungen Hilfe brauchen, mit Laienjurist/innen und Beratungsbüros zur Seite. „Denn“, so Patrick Tongu vom NMJD, „die Kontrolle über den Besitz natürlicher Ressourcen war und bleibt eine Konfliktquelle in Sierra Leone. Aufgrund der Unwilligkeit der Regierung, ihre Bergbaupolitik zu verändern und besser zu koordinieren, können die Gemeinden in den Diamantenregionen nicht von ihrem Reichtum profitieren.“

Dem setzt das Netzwerk eine exemplarische Arbeit entgegen. Es bildet Laienjurist/innen („Paralegals“) aus und richtet Büros ein, in denen die Menschen kostenlos juristische Beratung erhalten. Die Lai/innen aus den Gemeinden werden in elementaren rechtlichen Fragen sowie in Konfliktlösungsmethoden ausgebildet, damit sie Ratsuchenden beistehen können, einen Weg zur Verteidigung ihrer Rechte und zur Klärung von Konflikten zu finden. Die Themen, die sie dabei bewältigen müssen, sind höchst unterschiedlich. Eine Enteignung von Land durch große Unternehmen kann genauso dazu gehören wie die Klärung von Familienstreitigkeiten und Unterhaltsverpflichtungen.

Zudem sollen die Paralegals darauf hinwirken, dass staatliche Stellen ihren Verpflichtungen gegenüber den Kommunen nachkommen. Um ihre Position in den traditionellen Gemeinden zu stärken, gibt es ein Aufsichtskomitee aus erfahrenen und weithin anerkannten Respektspersonen, das bei Konflikten vermittelt.

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Veröffentlicht am 16. April 2014

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