Brief aus Bangladesch

In den Lagern der Rohingya

„Das Leiden der Leute ist unbeschreiblich“, schreibt Dr. Kadir vom medico-Partner GK in Bangladesch. Seine Organisation leistet mit medico-Mitteln Nothilfe für tausende vertriebene Rohingya.

An medico international

Von Dr. Manzur Kadir Ahmed, Koordinator von medico-Partner Gonoshasthaya Kendra (GK)

Entschuldigung für die späte Antwort, ich bin gerade erst aus den Rohingya-Lagern nach Cox’s Bazar zurückgekehrt. Wir waren die ganze Zeit im Feld, und natürlich gab es da kein Netz. Angekommen sind wir am 3. September, gleich am nächsten Tag haben wir mit der Arbeit begonnen.

Ich hoffe, ihr könnt euch ungefähr ein Bild der Situation machen. Wir schätzen, dass mittlerweile 400.000 Rohingya in Bangladesch sind. In den ersten Tagen hat sich außer dem bangladeschischen Grenzschutz und ein paar Privatleuten niemand um sie gekümmert. Tausende lagern noch immer ungeschützt unter freiem Himmel, am Straßenrand, auf kleinen Inseln, in Moscheen und Schulen, suchen verzweifelt Zugang zu bereits völlig überfüllten Lagern.

Stündlich kommen weitere Vertriebene, auch sie nur mit ärmlichen Bündeln letzter Habseligkeiten. Sie alle brauchen Unterkunft, sanitäre Einrichtungen, Nahrung, Kleidung, Wasser, medizinische und psychosoziale Hilfe. Unsere Regierung kommt ihren Verpflichtungen nicht im Ansatz nach. Erst seit gestern wird versucht, die verschiedenen Aktivitäten des Staates wie der nationalen und internationalen Organisationen irgendwie zu koordinieren.

Die Nothilfe in Bangladesch läuft an

Das Leiden der Leute ist unbeschreiblich, es ist ein vollkommenes Desaster, allen voran natürlich für die Kinder, die schwangeren Frauen. Selbst in Bangladesch haben die wenigsten begriffen, wie schlimm es hier zugeht. Wir von GK haben erst einmal Trockennahrung und Trinkwasser verteilt und damit begonnen, medizinische Hilfe zu leisten. Aktuell sind drei medizinische Teams im Einsatz, zu denen fünf Ärzte und 15 Basisgesundheitsarbeiterinnen und -arbeiter gehören. So können wir etwa 700 Patientinnen und Patienten versorgen. Die Hilfsgüter werden von zehn weiteren Mitarbeitern verteilt. Morgen geben wir Nahrungsmittelpakete aus, Reis, Linsen, Salz, Kartoffeln, Nüsse, Zwiebeln, Chili, Öl; die Kinder erhalten ihre eigenen Päckchen. Außerdem wird ein viertes medizinisches Team seine Arbeit aufnehmen, das von Psychologen verstärkt werden wird.

Nicht nur, doch besonders in der Solidarität mit den Rohingya habe ich das Gefühl, eine Arbeit zu leisten, die wohl nie aufhören wird. Wir haben den Rohingya zuerst 1978 zur Seite gestanden, haben den Überleben der Massaker während der „Operation Königsdrachen“ mit Trinkwasser und dem Bau sanitärer Anlagen geholfen – das war gerade sieben Jahre nach unserem eigenen Unabhängigkeitskrieg, GK war noch immer im Aufbau. Dann wieder in den Jahren 1992-1994, als sich über 200.000 Rohingya in letzter Not nach Bangladesch retten mussten. Wir haben damals sechs Lager mit aufgebaut und mit Nahrungsmitteln, Wasser, sanitären und Gesundheitseinrichtungen versorgt. Weil alle diese Lager in Waldgebieten angesiedelt wurden, haben wir uns dann auch an der Wiederaufforstung beteiligt und tausende neuer Bäume gepflanzt.

Hauptaugenmerk: Basisgesundheitsversorgung

Wenn wir genügend Unterstützung bekommen, wollen wir versuchen, 40.000 Menschen bei Whykong, Shamlapur und Putibonia eine Unterkunft zu schaffen. Das sind etwa 8000 Familien. In Whykong betreiben wir bereits ein Gesundheitszentrum und können auch auf die Unterstützung des Gesundheitszentrums zurückgreifen, das wir in Cox’s Bazar unterhalten.

Wie überall in Bangladesch, wird unser Hauptaugenmerk auf der Basisgesundheitsversorgung und der psychosozialen Unterstützung liegen. Gelingen wird das aber nur, wenn die Leute überhaupt einen Platz zum Wohnen haben. Aktuell verteilen wir Plastikplanen – das kann aber nur ein Anfang sein. Zugleich planen wir den Bau von 500 Latrinen und die Anlage von Brunnen und Wassertanks. Für die umfassende Nahrungsmittelhilfe einschließlich der Vergabe von Haushaltsgerätschaft zum Kochen richten wir uns zunächst einmal auf einen Zeitraum von sechs Monaten ein. Außerdem brauchen die Leute Schlafmatten, Decken, Kleidung. Für diese Arbeit werden wir 60 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter brauchen.

Für all das sind wir natürlich selbst auf Unterstützung angewiesen – wie für all die Arbeit, die wir in den vom Monsun überfluteten Gebieten leisten, ebenfalls für tausende von Menschen, und natürlich muss auch die Arbeit in unseren Gesundheitszentren überall im Land weitergehen.

Eilige Grüße aus Cox’s Bazar

Dr. Kadir
 

Unterstützen Sie die solidarische Nothilfe von medico-Partner GK für die Rohingya unter dem Spendenstichwort "Bangladesch"!

Veröffentlicht am 12. September 2017

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