"In America it is bling, bling. Here it is bling, bang!" (Danny Archer Blood Diamond)

Von Konfliktdiamanten zu Diamantenkonflikten

Der Hollywood Blockbuster "Blood Diamond" zeigt, wie der Handel mit Diamanten den Bürgerkrieg in Sierra Leone befeuert hat. Die Industrie zeigte sich empört: Das Thema "Blutdiamanten" sei doch längst Geschichte. Dass dies nicht der Fall ist, zeigt ein Blick auf die Geschehnisse seit Kriegsende im Jahr 2002: Charles Taylor, Warlord und ehemaliger Präsident Liberias, wird seit Sommer 2007 in Den Haag der Prozess gemacht, weil er den Krieg 1991 entfachte, indem er die sierraleonische Rebellenbewegung Revolutionary United Front (RUF) aufbaute und aus dem Erlös des Diamantenhandels die Waffenkäufe finanzierte.

Die Diamantenkonzerne sicherten die Finanzierung, indem sie den Kriegsparteien den Zugang zu globalen Märkten eröffneten. Im Gegenzug profitierten die internationalen Konzerne von günstigen Preisen für die begehrten Steine. In der Diamantenregion Sierra Leones brachte der Friedensschluss kein Happy End. Denn heute sorgen Diamantenkonzerne mit sklavenähnlichen Arbeitsbedingungen in den Förderregionen dafür, die besten Voraussetzungen für einen Wiederausbruch des Krieges zu schaffen.

Ein Bericht von Anne Jung

"Wenn ich die Zukunft selbst bestimmen könnte, dann würde ich sofort damit aufhören, nach Diamanten zu suchen. Ich würde in der Landwirtschaft arbeiten, um meine Familie ernähren zu können." Salomon Magai Kpandewo arbeitet als Diamantenschürfer in Kono, der östlichsten Provinz Sierra Leones. Anstelle eines Lohns erhält er für die schwere Arbeit in der Mine zwei Schalen Reis pro Tag. Seit über einem Jahr hat er nicht mal den kleinsten Stein gefunden. Dennoch sucht er in der sengenden Sonne knietief im Wasser stehend nach dem einen großen Diamanten, der endlich sein Leben verändert. Sein Schicksal teilt Kpandewo mit Hunderten von Diamantenschürfern, die seit über 70 Jahren tagein tagaus nach den wertvollen Steinen graben. Die Hoffnung, dass sich mit dem Ende des Bürgerkrieges die Lebenssituation der Bürger in Sierra Leone verbessern würde, hat sich nicht erfüllt. Die Arbeitsbedingungen in den Diamantenminen sind weiterhin schlecht. Die Provinz Kono ist die rohstoffreichste Gegend des Landes. Die Erlöse aus dem Handel mit den Edelsteinen kommen jedoch nicht bei der Bevölkerung an. Die Konfliktdiamanten, deren Verkauf beiden Kriegsparteien – der RUF und den Armeen der wechselnden Regierungen – den Waffennachschub sicherte, sind nach 2002 nicht plötzlich zu Friedensdiamanten geworden, auch wenn dies die Diamantenindustrie gerne behauptet. Die neuen Konflikte um die wertvollen Steine finden weitgehend unbeachtet von der internationalen Öffentlichkeit statt.

Reichtum, der Armut schafft

Während des elfjährigen Bürgerkrieges haben internationale Diamantenkonzerne lukrative Geschäfte in Sierra Leone gemacht und die Kriegsökonomie stabilisiert. Das Ende der Kampfhandlungen erlaubte es den Diamantenkonzernen, ihre wirtschaftlichen Strukturen vor Ort auszubauen. "Die großen Diamantenkonzerne sind auf dem Vormarsch", bestätigt Patrick Tongu vom Network Movement for Justice and Development (NMJD). Das Netzwerk hat bereits während des Bürgerkrieges in den umkämpften Regionen Sierra Leones zivilgesellschaftliche Bewegungen initiiert und sich für eine gerechtere Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums eingesetzt. Zu den unterstützen Gruppen gehört die "Affected Property Owners Association”, die sich seit Kriegsende gegen Vertreibungen als Folge der Sprengungen in den Minen zur Wehr setzt. "Die Diamantenfirmen vertreiben die Menschen aus ihren Häusern, zahlen keine oder nur eine geringe Entschädigung und immer wieder kommt es zu Menschenrechtsverletzungen seitens der privaten Sicherheitsfirmen, die hier präsent sind" berichtet Patrick Tongu. Bislang war es ausreichend, dass die obersten Steinschichten nach den wertvollen Steinen abgesucht wurden. Inzwischen sind diese buchstäblich abgegrast. Weil in den tieferen Erdschichten große Diamantenvorräte vermutet werden, begannen die drei großen Konzerne im Land – "Milestone", "Sierra Leone Diamond Mining Company" (SLDC) und "Koidu Holdings Ltd."1 – mit dem so genannten "Kimberlite Mining", das sich mit Sprengungen Zugang zu den tieferen Erdschichten verschafft. Dazu ist schweres Gerät nötig und das ist teuer. Die kleineren Minenbesitzer können sich das schwere Gerät nicht leisten und sind deshalb genötigt, ihr Land an die drei großen Unternehmen zu verkaufen. Auch die lokalen Abbau-Kooperativen, die versuchten, ein besseres Lohnniveau zu gewährleisten und faire Preise für die Diamanten zu erzielen, sind an den hohen Kosten für schweres Gerät weitgehend gescheitert. Die Kosten für die großen Konzerne bleiben trotz der notwendigen Investitionen in das Kimberlite Mining gering, weil die Förderlizenzen für Diamanten zu Dumpingpreisen zu haben sind und die sierraleonische Regierung lediglich eine Exportsteuer von drei Prozent erhebt (in Botswana liegt die Steuer bei 10%). Damit kommt die Regierung gerade einmal auf Einnahmen in Höhe von 120 Millionen Euro im Jahr – zu wenig um den Aufbau des kriegszerstörten Landes zu bewerkstelligen.

"Bei der Diamantenförderung im großen Stil werden nachhaltige Schäden für die Bevölkerung und die Umwelt billigend in Kauf genommen" bestätigt auch der Journalist Alexander Göbel, der längere Zeit in Kono recherchierte. Schon aus der Ferne ist sichtbar, dass bei den Sprengungen der Diamantenkonzerne die gesamte Region in Mitleidenschaft gezogen wird. Die entstandenen Krater fressen sich bis ins Zentrum der Provinzhauptstadt Koidu. In der Folge schrumpfen die landwirtschaftlich nutzbaren Flächen, was die Abhängigkeit von der Arbeit in den Minen erhöht. Die Menschen in Koidu berichten, dass die Anwohner zu spät oder gar nicht über die bevorstehenden Sprengungen informiert würden. Hinzu kommt, dass die wenigen vom Krieg unversehrten Lehmhäuser der Stadt durch die Sprengkraft porös werden. Über 80 Prozent der Häuser wurden während der Kämpfe von der RUF niedergebrannt. Mit der Zerstörung der letzten Häuser verschwindet gleichsam die architektonische Erinnerung an die Vorkriegszeit. "Die Diamantenindustrie verspricht immerzu die Schaffung von neuen Siedlungen, aber passiert ist bislang wenig", berichtet Patrick Tongu. Die Verteilung von Landflächen erfolgt oft nach ungleichen Maß, die neuen Siedlungen sind zumeist vom direkten Zugang zu Wasser abgeschnitten und auch Schulen sind häufig nicht in Reichweite.

Nachkriegskonflikte um Diamanten

Die Bevölkerung fühlt sich nicht nur von den Diamantenunternehmen im Stich gelassen, sondern auch von der Lokalregierung, die sich nur wenig für die Belange der Menschen vor Ort einsetzt. Die Diamantenindustrie kann sich hingegen auf die politisch Verantwortlichen verlassen: Familien, die sich weigern, ihr Land zu verkaufen, werden von Regierungsvertretern immer wieder unter Druck gesetzt und Verträge mit kleineren Firmen oder Einzelpersonen werden nicht verlängert, um den Einfluss der größeren Konzerne zu stärken. Viele Politiker schlagen persönliche Profite aus derartigen "Deals" mit den Konzernen. In einem Fall konnte sogar bewiesen werden, dass ein Parlamentarier seinen privaten Hausbau von der Industrie finanzieren ließ. Korruption und mangelnde Rechtssicherheit machen die Bevölkerung zunehmend wütend.

Im Winter 2007 eskalierten die aufgestauten Spannungen. Anwohner aus Kono und Mitglieder der "Affected Property Owners Association” protestierten vor dem Haupttor von "Koidu Holding Ltd." gegen die die schlechten Löhne in den Minen und die Pläne des Konzerns zur Zwangsumsiedlung von Gemeinden, die bei der Erschließung neuer Abbaugebiete im Weg waren. Sie setzten "Koidu Holding" eine Frist von drei Wochen, um eine bessere Lösung für die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner zu finden. Nachdem keine Reaktion des Unternehmens kam, sondern nur eine erneute Sprengung gemeldet wurde, begannen sie einen Sitzstreik vor den Firmentoren. Die Polizei ging mit Tränengas gegen die Demonstranten vor und schoss nach Zeugenaussagen kurz darauf ohne Vorwarnung scharf. Nach offiziellen Angaben wurden zwei Anwohner getötet. Die genaue Zahl der Verletzten ist unbekannt. Sie wird auf 100 geschätzt.

Als Reaktion auf den wachsenden Druck gegenüber der Diamantenindustrie, die in den späten 1990er Jahren in afrikanischen Kriegsgebieten Geschäfte machte, entstand 2000 der Kimberley-Prozess zur Beendigung des Handels mit Konfliktdiamanten, der sich jedoch nicht mit den Produktionsbedingungen befasst. Diamantenschürfer wie Salomon Magai Kpandewo aus Kono von dem Kimberley-Prozess freilich noch nie etwas gehört. Das mag nicht verwundern, war doch die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in den Minen gar nicht das Ziel der internationalen Gespräche. In Ländern wie Sierra Leone oder Angola, die sich seit Kriegsende nach der offiziellen Definition keine Konfliktdiamanten mehr handeln, wird Kimberley gegen die Interessen der eigenen Bevölkerung instrumentalisiert. Um den informellen Handel mit Diamanten zu beenden, vertrieb die Regierung Angolas tausende zumeist kongolesische Diamantenschürfer, die auf eigene Faust nach den wertvollen Steinen suchten. Die Zerschlagung des informellen Sektors in dieser Region ging jedoch nicht mit der Schaffung von formellen Beschäftigungsverhältnissen für Schürfer einher. Riesige Landflächen überließ die Regierung den staatlichen Diamantenfirmen, die umgehend die lokale Bevölkerung vertrieb, ohne dafür Entschädigung zu bezahlen. Jede Form des unabhängigen Handels ist in der Region untersagt, die Bevölkerung lebt teilweise unter schlechteren Bedingungen als während des Krieges.

Perspektiven für den Frieden

Doch es gibt auch positive Zeichen: In Kono setzte die Regierung als Reaktion auf den großen öffentlichen Druck nach der gewaltsamen Niederschlagung der Proteste gegen "Koidu Holding" eine Untersuchungskommission ein. Deren Abschlussbericht2 deckt sich weitgehend mit der politischen Einschätzung des Geschehens durch das "Network Movement for Justice and Development" (NMJD): Der Polizist, der die tödlichen Schüsse auf die Demonstranten abgab, handelte gleichermaßen im Dienst des Staates und des Diamantenkonzerns "Koidu Holding", der Polizeikräfte zum Schutz des Unternehmens bezahlt. Die Unabhängigkeit der Polizei könne – so der Bericht – auf diese Weise nicht gewahrt werden und es werde Anklage gegen den Todesschützen erhoben.

Die Kommission schlägt auch die Bildung einer Arbeitsgruppe vor, die sich mit den negativen Folgen der Diamantenförderung befassen soll. Ein großer Erfolg der öffentlichen Proteste, dem jedoch auch Taten folgen müssen. "Wir werden weiter dafür kämpfen, dass Präsident Ernest Koroma die Empfehlungen der Kommission zügig umsetzt" kündigt Abu Brima, Direktor des NMJD, an. Es geht hier um mehr als die Lösung eines lokalen politischen Konfliktes, der Fall Kono ist repräsentativ für den fragilen Frieden im ganzen Land. Die Gewalt des Bürgerkrieges traumatisierte Millionen Menschen des Landes. Die Folgen des Krieges wirken in der heutigen Gesellschaft nach. Da kaum jemand in den Kriegsjahren eine Schule besuchen konnte, fehlt es einer ganzen Generation an elementarer Bildung. Das NMJD bemüht sich deshalb bei der Bildung anzusetzen und Jugendlichen eine Perspektive außerhalb der Kriegsökonomie aufzuzeigen. Die Organisation möchte diese Jugendlichen befähigen, ihre Rechte gegenüber den lokalen Autoritäten einzufordern und ökonomische Perspektiven jenseits des Diamantenhandels zu entwickeln. Auf diese Weise versucht sie eine Remobilisierung der Ex-Milizionäre zu verhindern. Weiterhin kann eine Diversifizierung der Wirtschaft helfen, die Bevölkerung aus der Abhängigkeit eines Rohstoffs zu befreien. Mit Blick auf den Diamantenhandel ist eine demokratischere Vergabe von Förderlizenzen sowie die Erhöhung der Exportsteuer unerlässlich, um Mittel für den Wiederaufbau des kriegszerstörten Landes zu leisten. Das wird die Regierung nicht aus eigener Kraft stemmen können. Als Zeichen der Glaubwürdigkeit des Kimberley-Prozesses sollte die Diamantenindustrie daher eine deutliche Verbesserung der Produktionsbedingungen in den Minen sicher stellen und einen maßgeblichen finanziellen Beitrag zur Stabilisierung des Friedens in Sierra Leone leisten.

Anne Jung arbeitet in der Öffentlichkeitsabteilung von medico international. Im Rahmen der Kampagne Fatal Transactions begleitete BICC und medico 2007 eine Journalistengruppe in die Diamantenregion von Sierra Leone. medico international unterstützt das Network Movement for Justice and Development seit 2006.

Zum Weiterlesen:

  • Volker Böge, Christopher Fitzpatrick, Willem Jaspers and Wolf-Christian Paes: Who's minding the store? The business of private, public and civil actors in zones of conflict. Bonn 2006.
  • Alexander Göbel: Neue "Blutdiamanten" in Sierra Leone? Zur Lage in der Diamantenregion Kono. In: medico rundschreiben Nr.4/2007.
  • Rafael Marques und Rui Falcão de Campos: Lundas- The Stones of Death. Human Rights abuses in the Lunda Provinces. Luanda 2004
  • Partnership Africa Canada: Killing Kimberley? Conflict diamonds and Paper Tigers. Toronto 2006

Fußnoten:

  1. Koidu Holdings Ltd. hat ihren Sitz in Südafrika, gehört zu 60 % der Genfer Steinmetz Diamond Group und ist über den Mutterkonzern Diamond Works. Diamond Works ist eine Tochterfirma der ehemaligen Söldnertruppe Executive Outcomes. www.iss.co.za/index.php?linkid=3&slinkid=1468&linktype=12&slinktype=12&tmpl_id=3
  2. The Government White Paper on the Report of Jenkins-Johnston Commission of Inquiry into the events leading to the disturbances in Koidu City on the 13 th December 2007.

 

Veröffentlicht am 14. August 2008

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