Nothilfe in Ostafrika

Im Grenzbereich

Abdullahi Hersi und seine Kolleginnen und Kollegen von NAPAD sind dort aktiv, wo sich sonst niemand mehr hintraut: in den von Hunger bedrohten abgelegenen Gemeinden im somalisch-kenianischen Grenzgebiet.

Wer in der immer wieder von Dürre und Hunger geplagten Grenzregion Nothilfe und politische Arbeit nicht nur zusammen denken, sondern auch praktisch umsetzen möchte, muss viele Fähigkeiten in sich vereinen. Dr. Abdullahi Hersi, Direktor der Organisation „Nomadic Assistance for Peace and Development“ (NAPAD) tut dies. Da sind ein sicheres Gespür für politische Prozesse und eine gute Kenntnis der lokalen Verhältnisse in dieser zerrütteten Region; da sind Empathie und ein hohes Verantwortungsbewusstsein für seine Mitarbeitenden; da ist eine Form natürlicher Autorität, die von seiner stämmigen Figur, schicker Sonnenbrille und Anzug unterstrichen werden; da ist aber oft auch ein schelmisches Grinsen. Womöglich ist das auch erforderlich, um die Arbeit von NAPAD leisten zu können.

Gegründet von ehemaligen somalischen NGO- und UN-Mitarbeitenden konzentriert NAPAD seit dem Beginn im Jahr 2006 – auch damals hatte eine Hungerkrise das Horn von Afrika im Griff – Erfahrungen aus der Nothilfe, den Klimakrisen und der langfristigen Stärkung von Gemeinden. Dabei ist ihre konkrete Arbeit, wie die Versorgung von abgelegenen Dörfern mit Wasser und Lebensmitteln, alles andere als ungefährlich. Die islamistische Al-Shabaab-Miliz ist in der Region unterwegs, drangsaliert und terrorisiert die lokale Bevölkerung. Als beim jüngsten medico-Besuch das Auto von NAPAD an einer einsam gelegenen Siedlung von einem bärtigen Mann mit einer AK-47 begrüßt wurde, war die erste Assoziation die Miliz. Doch Abdullahi meinte später lakonisch: „Wäre es wirklich Al-Shabaab gewesen, säßen wir nicht mehr hier.“

Die Lockerheit kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Direktor von NAPAD unter Druck steht – vor allem dann, wenn Kolleginnen und Kollegen im Grenzgebiet unterwegs sind. Ihre Unversehrtheit hat für ihn Priorität. Internationale Hilfsorganisationen haben sich wegen der undurchsichtigen Gefahrenlage längst aus den ländlichen Gebieten zurückgezogen. Das stellt NAPAD vor Herausforderungen – eröffnet aber zugleich neue Handlungsspielräume. „Es ist paradox“, erklärt Abdullahi. „Die Internationalen wälzen das Risiko auf uns ab. Das ermöglicht es uns, endlich den lokalen, partnerorientierten Hilfsansatz umzusetzen, den wir seit Jahren fordern.“ Abdullahi Hersi wartet nicht darauf, dass der Staat etwas tut. Vielmehr sucht er selbst Lösungswege auf der Gemeindeebene. 2017 war Wahlkampf in Kenia. Abdullahi besuchte als NAPAD-Direktor Dörfer, sprach dort mit den Menschen, vor allem aber hörte er zu. Später riet er ihnen: „Macht den Kandidaten klar, wie die Probleme wirklich behoben werden können.“ Da er weiß, wie die Welt der internationalen Hilfe funktioniert, sorgt er vor: Um nach einem Ende der Gewalt das Feld nicht wieder den gleichen externen Akteuren zu überlassen, die seit jeher das Schicksal der Region bestimmen, hat sich NAPAD mit anderen Organisationen aus dem globalen Süden vernetzt. „Es ist an uns, für Veränderung zu sorgen“, betont er.

Timo Dorsch

Veröffentlicht am 22. Mai 2018

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