Haiti-Hilfe sechs Monate nach dem Erdbeben

Übersicht über die Aktivitäten von medico international und seiner lokalen Partner

Das Erdbeben in Haiti war eine Katastrophe dramatischen Ausmaßes, im Verhältnis schlimmer als der Tsunami 2005. Denn es sind nicht nur mehr als hunderttausend Opfer zu beklagen, sondern auch die großflächige Zerstörung wichtiger Städte und zentraler Einrichtungen der Infrastruktur: Straßen, Schulen, Krankenhäuser, Regierungs- und Verwaltungsgebäude und vieles mehr. Dass das gewaltige Naturereignis so tödliche Folgen haben konnte, resultiert auch aus der sozialen Realität des Landes. Haiti ist das ärmste Land der westlichen Hemisphäre. Bereits vor dem Beben mangelte es an Wasser und Holz. So mischten die Armen den Zement für ihre Häuser mit Salzwasser und versiegelten die porösen Böden mit Beton statt elastischem Holz.

Im Angesicht der Zerstörungen und der Not in Port-au-Prince beweist die Weltgemeinschaft nun erneut ihre Solidarität. Wie aber nach der Nothilfe die Rehabilitation und der Wiederaufbau vonstattengehen, wird darüber entscheiden, ob die Menschen von Haiti weiterhin schutzlos den sozialen und natürlichen Katastrophen ausgeliefert sind, oder ob ein Haiti entsteht, das Schutz, Würde und Sicherheit in den Mittelpunkt seiner Politik und Regierungsführung stellt.

Das kann nur gelingen, wenn eine größtmögliche Beteiligung der Haitianerinnen und Haitianer, der vorhandenen politischen und zivilgesellschaftlichen Strukturen in all ihrer Komplexität gewährleistet ist. Die Haitianerinnen und Haitianer müssen zentrale Akteure in diesem Prozess werden und der Wiederaufbau partizipativ und basisdemokratisch gestaltet werden. Das ist auch Ausgangspunkt der medico-Unterstützung im Rahmen von Nothilfe, Rehabilitation und Wiederaufbau in Haiti.

Soforthilfe

Unmittelbar nach dem Erdbeben hat medico der dominikanischen Gesundheitsorganisation Cosalup/Ayuda Haiti Mittel zur Verfügung gestellt, um Medikamente und medizinisches Bedarfsmaterial für den Einsatz der freiwilligen Ärzte zu finanzieren. Cosalup hat zwei medizinische Versorgungseinheiten im schwer betroffenen Léogâne eingerichtet.

Darüber hinaus unterstützte medico die haitianische Gesundheitsorganisation Haiti Med, die teilweise durch das Erdbeben zerstörte Gesundheitsstationen in Armenvierteln von Port-au-Prince unterhält. Es wurden Nothilfemittel für die Wiederanschaffung von Ausrüstungsgegenständen sowie Lebensmittelhilfe für 150 Patienten-Familien zur Verfügung gestellt.

medico finanzierte zudem eine Trinkwasser- und Lebensmittelversorgung über den medico-Partner Meva, der eine Montessori-Schule in Carrefour-Feuilles betreibt, und der zum Anlaufpunkt für die Organisation von Überlebenshilfe im Stadtteil wurde. medico unterstützte Meva außerdem dabei, der Bevölkerung ein unmittelbares Einkommen zu verschaffen: Die betroffene Gemeinschaft hat dabei den Abtransport des Schutts weitgehend selbst in die Hand genommen, und Meva hat dieses Engagement durch Bargeldzahlungen an die beteiligten Frauen und Männer honoriert. Somit wurde es den Menschen ermöglicht, sich aktiv für ihren Stadtteil einzusetzen und gleichzeitig Geld für grundlegende Bedarfsgüter zu verdienen.

Ausbau des Basisgesundheitssystems

Die haitianische Organisation SOE (Service OEcuménique D’Entraide) hat bereits vor dem Erdbeben ein landesweites Netz von Einrichtungen im Bereich der Basisgesundheits- Versorgung betrieben – in einigen Landesteilen seit über 30 Jahren. In der Provinz Artibonite musste SOE aufgrund finanzieller Engpässe die Arbeit erheblich einschränken. Nach dem Erdbeben sind aber in dieses Gebiet die meisten Menschen geflüchtet. Rund 160.000 Menschen haben dort Zuflucht gesucht. Das Basisgesundheitssystem, das schon vorher nicht ausreichend bzw. in einigen Gebieten gar nicht existent war, ist stark überlastet. SOE realisiert nun in Artibonite über ihre Gesundheitsstationen und einem Netz aus Gesundheitspromotoren ein Programm zur Prävention und Basisgesundheits-Versorgung.

Schwerpunkte sind Gesundheitsprogramme für Kinder unter fünf Jahren und für Frauen sowie die Sicherung des Zugangs zu essentiellen Medikamenten. Im Mittelpunkt steht vor allem der Kampf um bessere hygienische Bedingungen, eine bessere Trinkwasser-versorgung und eine bessere Abfallbeseitigung in den Gemeinden der Region, um den Ursachen der dramatischen Gesundheitslage in den Gemeinden entgegenzuwirken.

Internationale zivilgesellschaftliche Kooperation

Neben der ersten Nothilfe mit Cosalup/Ayuda Haiti werden die Nothilfemaßnahmen in Léogâne fortgesetzt. Cosalup/Ayuda Haiti wird nun dauerhaft mit gesundheitlichen Programmen präsent sein, da eine Entspannung der Situation vorerst nicht in Sicht ist. In diesem Rahmen wurden auch sechs Zahnpromotoren aus von medico geförderten Projekten für einen ersten vierwöchigen Einsatz nach Léogâne gebracht. Über 450 Patienten wurden von dem Team behandelt. Die Zahngesundheit der Menschen befindet sich in einem desolaten Zustand. Schon Jugendliche mussten an zum Teil 16 kariösen Zähnen behandelt werden. Eine zahngesundheitliche Versorgung existiert de facto nicht. Gleichzeitig ist der schlechte Zustand der Zähne ein Hinweis auf die kontinuierliche Mangelernährung und dramatische hygienische Situation der Menschen.

Ein weiterer Einsatz der Dentalpromotoren ist noch für dieses Jahr geplant. Auf lange Sicht soll im Rahmen der Basisgesundheitsprogramme die Ausbildung von haitianischen Dentalpromotoren vorangetrieben werden, um insbesondere Präventionsarbeit und Aufklärungsprogramme durchzuführen. Im Rahmen des Süd-Süd-Austausches soll darüber hinaus das seit vielen Jahren in Guatemala erfolgreich praktizierte Modell der nebenberuflichen Ausbildung und Qualifizierung von Gesundheitsarbeitern vorgestellt werden.

Mit der dominikanischen Kulturinitiative Redcul ist die Entwicklung einer haitianischdominikanischen Kooperation im Bereich von Kunst und Kultur verabredet, die sowohl psychosoziale Arbeit in den Camps der Erdbebenopfer vorsieht als auch öffentliche Veranstaltungen.

Langfristige Unterstützung.

Nachhaltiger Wiederaufbau muss in langen Zeiträumen gedacht werden. Ein Haus ist schnell hingestellt, Menschen aber, die darin wohnen sollen, brauchen Jahre, um die erschütternden Ereignisse und den Verlust ihrer Angehörigen und ihrer Gemeinden zu verarbeiten. Dazu benötigen sie unsere Unterstützung.

 

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Zur Unterstützung unserer Partner vor Ort sowie für langfristige Rehabilitations- und Wiederaufbaumaßnahmen in Haiti bittet medico international um Spenden.

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Stichwort: Haiti
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medico international ist aktiv im Bündnis Entwicklung Hilft. Das Bündnis leistet bei Katastrophen und in Krisengebieten vor Ort akute und langfristige Hilfe. Es ist ein Zusammenschluss der fünf Organisationen Brot für die Welt, medico international, MISEREOR, terre des hommes und Welthungerhilfe.

Veröffentlicht am 13. Juli 2010

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