Migration in Südafrika

Der lange Schatten der Apartheid

In Südafrika orientiert sich Migrationspolitik zunehmend am Vorbild der „Festung Europa“. medico-Partnerorganisationen unterstützen MigrantInnen.

Von Lisa Schnell

„Wir bringen unseren afrikanischen MitbürgerInnen denselben Hass entgegen, der uns von weißen SüdafrikanerInnen während der Apartheid entgegen gebracht wurde“, schreibt Xolela Mangcu, Soziologin an der Universität von Kapstadt. Im Kontext einer repressiven Migrationspolitik und weit verbreiteten ausländerfeindlichen Einstellungen in der Gesellschaft engagieren sich die Partnerorganisationen von medico in Südafrika für die Rechte von MigrantInnen sowie gegen Ausländerfeindlichkeit und Gewalt.

Die „Festung Europa“ als Vorbild für Südafrika

In Südafrika orientieren sich Migrationspolitik und Grenzregime zunehmend am Vorbild einer „Festung Europa“. Regelungen wie das Drittstaatenprinzip wurden von der EU übernommen. Sie zielen darauf ab, das Land abzuschotten und die Einreise über die nördlichen Landesgrenzen zu verhindern. Internationale Migration wird von der Regierung als eine Bedrohung für die nationale und wirtschaftliche Sicherheit des Landes dargestellt und Schutzsuchende werden von Südafrika ferngehalten.

„Anstelle des Schutzes von Migranten ist ein System der Kontrolle in den Fokus des südafrikanischen Asylsystems gerückt“, erklärt Roni Amit, Forscherin des African Center for Migration and Society (ACMS) der Witwatersrand-Universität in Johannesburg, Afrikas führende wissenschaftliche Einrichtung für Forschung und Lehre zu internationaler Mobilität. Das ACMS betreibt unabhängige und interdisziplinäre Forschung zu Mobilität, Politik, Armut und sozialer Transformation.

Korruption, Ungleichheit und Ressentiments

Obwohl Südafrikas Flüchtlingsrecht, festgelegt im sogenannten Refugee Act, eines der progressivsten weltweit ist – eine Vielzahl von Verfolgungsgründen werden anerkannt und Asylsuchende und Flüchtlinge haben das Recht zu arbeiten, Recht auf eine medizinische Grundversorgung und können ihren Lebensmittelpunkt frei wählen – werden in der Praxis die Rechte von Flüchtlingen regelmäßig schwerwiegend missachtet.

Korruption, lange Wartezeiten sowie fehlende Kapazitäten zur Implementierung verhindern, dass Asylsuchende und Flüchtlinge die ihnen zustehenden Rechte genießen können und schmälern die Bedeutung des Refugee Act in der Praxis. Loren Landau, Direktor des ACMS, betont, dass das südafrikanische Innenministerium die im Refugee Act festgelegten Bestimmungen ungestraft missachtet.

Auch die relativ schwache Zivilgesellschaft sowie eine graduelle Schwächung der Unabhängigkeit der Justiz fördere die Autonomie des Innenministeriums und führe dazu, dass die Realität für Asylsuchende und Flüchtlinge stark von dem im Refugee Act verbrieften Recht abweicht. Strukturelle Ungleichheiten und die schlechte wirtschaftliche Lage haben viele SüdafrikanerInnen in einen Zustand der Verzweiflung geführt und tragen zu ausländerfeindlichen Ressentiments in der Bevölkerung bei.

Nur eine sehr geringe Zahl der Schutzsuchenden erhält den formalen, im Refugee Act festgelegten Schutz – mit einer Anerkennungsrate von 5-15 % der Asylanfragen liegt Südafrika weit unter dem weltweiten Durchschnitt von 37%.

Legale Migration nicht möglich

Neben einer Anerkennung als Flüchtling bestehen kaum andere legale Wege für MigrantInnen aus afrikanischen Ländern nach Südafrika zu gelangen bzw. dort eine Aufenthaltsgenehmigung zu erhalten, vor allem wenn sie weder hochqualifiziert noch wohlhabend sind. Daher sehen sich viele Menschen gezwungen, die südafrikanische Grenze außerhalb der offiziellen Grenzposten zu überqueren, oder – in Angst vor Abschiebung bei einem negativen Asylentscheid – ihre Asylpapiere nicht zu verlängern und somit ohne Aufenthaltsgenehmigung in Südafrika zu leben.

Zusätzlich zur ohnehin prekären Lage dieser sogenannten undocumented migrants, denen bei Entdeckung durch die Polizei Festnahme und Abschiebung droht, ist ihnen auch jeglicher Zugang zum formalen Arbeitsmarkt sowie zu den Rechten, die Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge zumindest auf dem Papier erhalten, verwehrt.

Die große Zahl von undokumentierten MigrantInnen wird wiederum vom südafrikanischen Staat als Rechtfertigung für rigide Haft- und Abschiebepraktiken genutzt. „Eine viertel Million MigrantInnen werden jährlich aus Südafrika abgeschoben“, berichtet Tesfalem Araia, vom ACMS, „aber so schnell wie sie zurück geschickt werden, sind sie auch wieder in Johannesburg. Die Idee einer strikten Grenzkontrolle bleibt somit imaginär.“

Verstöße gegen internationales und südafrikanisches Flüchtlingsrecht

Dem Fehlen von legalen Wegen zur Einwanderung ist auch die große Anzahl von Asylanträgen geschuldet, die zu einer Überlastung des südafrikanischen Asylsystems führt. Asylsuchende müssen mitunter Jahre auf eine Entscheidung über ihren Antrag warten und es kommt vor, dass Asylsuchende ohne die rechtlich vorgesehene ordentliche Prüfung ihres Antrags abgeschoben werden. Auch werden Asylsuchende und anerkannte Flüchtlinge regelmäßig in Haft genommen, was gegen internationales sowie südafrikanisches Flüchtlingsrecht verstößt.

Ein weiterer Verstoß gegen geltendes Recht ist die Schließung von Refugee Reception Centers in drei der größten Städte des Landes. Seitdem die Center in Kapstadt, Johannesburg und Durban 2012 geschlossen wurden, sind Migranten und Asylsuchende gezwungen, für den Erhalt und die Erneuerung gültiger Aufenthaltspapiere nach Durban, Pretoria oder das nahe der Grenze zu Zimbabwe gelegene Musina zu reisen.

Xenophobe Gewalt im April 2015

Die xenophoben1 Attacken auf MigrantInnen aus anderen afrikanischen Ländern im April 2015 müssen im Kontext der restriktiven Migrationspolitik Südafrikas gesehen werden. Beginnend in der Region KwaZulu Natal verbreiteten sie sich wie ein Lauffeuer auch in andere Regionen. Mindestens sieben Menschen wurden getötet und mehr als 5.000 vertrieben. Kleine Läden, mit denen sich viele MigrantInnen den Lebensunterhalt verdienen, wurden im ganzen Land geplündert.

Nach wie vor sind Flüchtlinge tagtäglich Bedrohungen und gewalttätigen Übergriffen ausgesetzt. Vor allem in den dicht besiedelten, armen Townships müssen sie permanent, auf der Straße und bei jeder Fahrt mit dem Bus, damit rechnen, Opfer von Gewaltandrohungen oder tatsächlicher Gewalt zu werden.

Die Politik trägt eine Mitschuld

Südafrikanische (Migrations-)Politiken sowie die Art und Weise, wie die Regierung auf die Attacken reagierte, tragen eine Mitschuld an der gewalttätigen Austragung ausländerfeindlicher Ressentiments. Wie Ingrid Palmary vom ACMS erklärt, war die Rhetorik der südafrikanischen Regierung zu den Attacken widersprüchlich und wenig hilfreich hinsichtlich einer Eindämmung der Gewalt. „Einige Regierungsbeamte haben die Gewalttaten verurteilt, gleichzeitig gab es aber auch Unterstützung für ausländerfeindliche Ressentiments und manchmal Tatenlosigkeit.

Nötig gewesen wäre eine deutliche Botschaft aus allen Bereichen der Gesellschaft, die die Gewalt verurteilt.“ Auch der kamerunische Politikwissenschaftler Achille Mbembe kritisiert öffentliche Äußerungen von Politikern, die zu Hass angestiftet hätten, sowie die Tatsache, dass die Anstifter der Taten nicht vom südafrikanischen Staat verurteilt wurden.

Razzien und Abschiebungen

Der südafrikanischen Journalistin Malaika wa-Azania zufolge ähnelt die Brutalität, mit der die Polizei auf die ausländerfeindlichen Attacken reagierte, sogar dem Vorgehen der Polizei unter dem Apartheidregime. Im Rahmen von Razzien wurden seit April 2015 mehr als 2.500 MigrantInnen abgeschoben, die ohne Aufenthaltsgenehmigung in Südafrika lebten.

Die gewalttätigen Übergriffe gegen AusländerInnen wurden als Legitimation für diese Razzien genutzt, die ursprünglich zur Bekämpfung der Kriminalität gegen Ausländer dienen sollten, aber anstelle die AusländerInnen zu schützen Abschiebungen nach sich zogen. Die Razzien verdeutlichen, wie der südafrikanische Staat die Xenophobie fort- und das Grenzregime durchsetzt.

Kaum Verständnis für MigrantInnen

Xolela Mangcu, Soziologin an der Universität von Kapstadt, beschreibt ein mangelndes Verständnis in der südafrikanischen Bevölkerung hinsichtlich Migrationsursachen: „Wir bringen unseren afrikanischen MitbürgerInnen denselben Hass entgegen, der uns von weißen SüdafrikanerInnen während der Apartheid entgegen gebracht wurde. Wir bemühen uns nicht einmal nach ihren Hintergründen und Errungenschaften zu fragen. Denken wir wirklich, dass anständige, hart arbeitende, gut ausgebildete Menschen ihre Heimatländer freiwillig verlassen, um als Bettler auf unseren Straßen zu leben?“

In weiten Teilen der südafrikanischen Gesellschaft scheint ein Verständnis der Gründe, warum Menschen ihre Heimatländer verlassen, um in Südafrika Schutz und ein menschenwürdiges Leben zu suchen, kaum vorhanden zu sein. Vielmehr ist die öffentliche Debatte bestimmt von einer Dämonisierung von AusländerInnen als kriminell und von der Angst, sie würden SüdafrikanerInnen die Jobs wegnehmen.

Ungleichheit in der Post-Apartheid

„Ein Vakuum an politischer Führung, eine Kultur der Straflosigkeit sowie fremdenfeindliche Einstellungen und Praktiken von staatlichen Institutionen, die Ausländer fortlaufend entmenschlichen,“ haben Loren Landau zufolge bereits bei den Ausschreitungen in 2008 dazu beigetragen, dass xenophobe Ressentiments in Gewalt umschlugen. Es ist anzunehmen, dass diese Faktoren auch die Angriffe im April 2015 begünstigten.

Die politisch-wirtschaftliche Situation trägt wesentlich zu ausländerfeindlichen Ressentiments bei – so auch die These von Malaika wa-Azania. Sie sieht die Gewalt gegen AusländerInnen im Kontext steigender Ungleichheit. Post-Apartheid Wirtschaftspolitiken haben – entgegen ihrer Zielsetzung, Südafrika fairer und wohlhabender zu machen – strukturelle Ungleichheiten verstärkt und die schwarze Arbeiterbevölkerung in einen Zustand der Verzweiflung geführt. Diese Verzweiflung trägt wesentlich zu den Anti-MigrantInnen Ressentiments der schwarzen Arbeiterbevölkerung bei, die die MigrantInnen fälschlicherweise als Bedrohung ihrer Existenzgrundlage sehen.

„Wenn wir uns einig sind, dass die wirtschaftliche Lage der Menschen ihr Bewusstsein bestimmt, dann bedeutet das in der Konsequenz, dass die materiellen Bedingungen einer entmenschlichten Bevölkerung sie zu den Wilden werden lassen, zu denen sie von einem System gemacht wurden, das unter dem Vorsitz einer unempfindlichen Regierung wie der des ANC steht.“

Die Konflikte zwischen afrikanischen AusländerInnen und SüdafrikanerInnen sind demnach Folge des existierenden Ungleichheitsregimes in Südafrika. Die schlechte wirtschaftliche Lage und große Ungleichheit, die unter anderem durch die ANC-Regierung und Programme wie das Black Economic Empowerment begünstigt wurden, rufen Diskriminierung und Gewalt hervor.

„Überlebenskonkurrenz“ zwischen SüdafrikanerInnen und MigrantInnen

Diese These wird auch von Cawo Abdi, Professorin für Soziologie an der Universität von Minnesota, unterstützt. Ihr zufolge werden „afrikanische MigrantInnen zu Sündenböcken für das langlebige Erbe der Apartheid in der Post-Befreiungs-Ära“ gemacht. Der Begriff Xenophobie sei keine ausreichende Beschreibung des Aufruhrs und der Gewalt: „Diese Etikettierung verhindert eine Berücksichtigung der wahren Konflikte, die zwischen armen SüdafrikanerInnen und ausländischen Unternehmen im Land herrschen. Diese Konflikte finden nämlich in den Siedlungen und Townships, das heißt in einem Kontext statt, der von Diskriminierung, andauernder Armut und alltäglicher Gewalt geprägt ist. Die Vertreibungen, Belästigungen und brutalen Tötungen gegenüber afrikanischen AusländerInnen lassen sich also nicht als isoliertes Phänomen verstehen.“

Obwohl es für die Integration und Selbstbestimmung von MigrantInnen gut ist, dass sie in Südafrika nicht in Lagern unterkommen müssen, sondern ihren Wohnort frei wählen können, übt dies einen zusätzlichen Druck auf die Situation der „Überlebenskonkurrenz“ zwischen SüdafrikanerInnen und MigrantInnen aus, so medico Mitarbeiterin Usche Merk, da viele MigrantInnen in armen und/oder infrastrukturell schlecht angebundenen Gebieten wohnen, in denen auch die lokale südafrikanische Bevölkerung in einer prekären Lage ist.

Über ausländerfeindliche Ressentiments und Gewalt müssen wir uns also, so Malaika wa-Azania, angesichts der schlechten wirtschaftlichen Lage vieler SüdafrikanerInnen nicht wundern. Eine erhöhte Polizeipräsenz, wie zum Beispiel in Form der oben genannten Razzien werde kaum zu einer geringeren Kriminalität und größeren Sicherheit von AusländerInnen beitragen. „Die Militarisierung der Townships wird das Problem ausländerfeindlicher Gewalt nicht lösen, da die wahren Ursachen der hohen Gewaltraten in den Townships in Strukturen begründet liegen, zu deren Veränderung der Regierung der politische Wille fehlt.“


medico-Partnerorganisationen leisten Aufklärungsarbeit und unterstützen MigrantInnen

In diesem Kontext einer repressiven Migrationspolitik und weit verbreiteten ausländerfeindlichen Einstellungen in der Gesellschaft engagieren sich die Partnerorganisationen von medico in Südafrika für die Rechte von MigrantInnen sowie gegen Ausländerfeindlichkeit und Gewalt. Auf verschiedenen Ebenen arbeiten die Partnerorganisationen mit MigrantInnen sowie SüdafrikanerInnen zusammen. Einerseits leisten sie direkte Hilfe für MigrantInnen, zum Beispiel durch psychosoziale Gesundheitsdienste.

Gleichzeitig versuchen sie, durch Sensibilisierungsmaßnahmen, Diskussionen und Präventionsarbeit kriminelle und häusliche Gewalt sowie ausländerfeindliche Einstellungen in der Gesellschaft zu verhindern. Daneben leisten sie politische Aufklärungsarbeit und engagieren sich für die Schaffung von sicheren Lebensbedingungen und die Wahrung der Menschenrechte von MigrantInnen.

Da die xenophobe Gewalt auch mit den Protesten der Bevölkerung gegen die Versorgungsmissstände auf kommunaler Ebene – laut einer Studie der Regierung 2014 sind ein Drittel der südafrikanischen Kommunen „dysfunktional“ – zusammen hängt, unterstützt medico mit Local Government Action außerdem ein Netzwerk, das sich gegen die unsozialen Politiken im Post-Apartheid-Südafrika wendet.

Sophiatown Community Psychological Services

Die in Johannesburg ansässige Organisation Sophiatown Community Psychological Services (Sophiatown CPS) sieht den Umgang mit xenophober Gewalt als wichtigen Bestandteil ihrer psychosozialen Arbeit. In Einzel- und Gruppensitzungen, Workshops, Community-Projekten und Ferienprogrammen bietet Sophiatown CPS Beratung und Unterstützung für marginalisierte und traumatisierte Menschen. Hierzu zählen auch MigrantInnen aus anderen afrikanischen Ländern, die durch Erlebnisse in ihren Herkunftsländern, während ihrer Reise oder ihren Erfahrungen in Südafrika traumatisiert sind.

In Unterstützungsgruppen können sie über ihre Erfahrungen sprechen und sich mit anderen Betroffenen austauschen. Ein Frühwarnsystem dient als Struktur zur Mobilisierung im Falle fremdenfeindlicher Attacken gegen AusländerInnen. Ein weiteres Projekt des Sophiatown CPS ist das sogenannte Kofferprojekt, das sich mit traumatischen Erfahrungen und daraus resultierenden emotionellen und psychologischen Problemen von Flüchtlingskindern auseinandersetzt.

In ihrer psychologischen Arbeit nutzt Sophiatown CPS einen Trauma Ansatz, der sich von herkömmlichen Ansätzen unterscheidet. In Ihrer Arbeit mit traumatisierten MigrantInnen erkennen sie an, dass unterschiedliche Formen der Diskriminierung sowie soziale, wirtschaftliche und politische Marginalisierung zu einem schlechten psychologischen Wohlbefinden beitragen. Sophiatown CPS sieht sich als Partner im Heilungsprozess der Menschen und begleitet ihre Patienten über einen langen Zeitraum.

In Zusammenarbeit mit anderen NGOs hat Sophiatown Community Psychological Services außerdem zwei Initiativen ins Leben gerufen, die für die Rechte von MigrantInnen aufkommen. Eine davon ist die Anti-Xenophobia-Action Initiative (aXa initiative), die im Rahmen von Gefahren xenophober Gewalt gegen AusländerInnen während der Weltmeisterschaft 2010 gegründet wurde.

Die zweite Initiative ist das Johannesburg Child Advocacy Forum. Durch das Publikmachen von Missständen in Unterbringungsorten sowie die Erstellung von Positionspapieren setzt sich das Forum für die Rechte und das Wohlergehen von unbegleiteten minderjährigen MigrantInnen ein.

Sinani

Die medico Partnerorganisation Sinani leistet in der Provinz KwaZulu Natal friedensfördernde, ökonomische und gesundheitliche Maßnahmen, um Gemeinden dabei zu unterstützen, soziale, politische und persönliche Veränderungen umzusetzen. Sinani ist in ländlichen und städtischen Armutsvierteln aktiv, die von der jahrzehntelangen politischen Gewalt der Apartheid besonders betroffen sind. Dort entwickelten sich häufig Gewaltkreisläufe, in denen politische Rivalität, Familienfehden und Kriminalität ineinandergreifen und den sozialen Zusammenhalt zerstören.

Die Folgen sind hohe kriminelle und häusliche Gewalt, HIV-Infektionen und AIDS-Erkrankungen, gepaart mit einer extremen Armut. Sinani – auf Zulu bedeutet das "Wir sind mit euch" – entwickelte einen eigenen Weg, um mit diesen massiven Problemen umzugehen, und setzt auf einen integrierten Ansatz in den Gemeinden. Hierzu zählt die kritische Auseinandersetzung mit den lokalen Gewaltkonflikten und Strukturen und Prozessen die bei diesen Konflikten eine Rolle spielen, wie zum Beispiel territoriale Interessen, sowie Selbstjustiz und Verteilungskonflikte innerhalb der Gemeinden.

Sinani arbeitet auch in Communities wo im April 2015 Übergriffe auf AusländerInnen stattfanden und hat in diesen sowie anderen Communities Diskussionen begonnen, die zur Prävention erneuter Gewalt gegen AusländerInnen beitragen sollen.

Zimbabwe Exiles Forum

Eine weitere Partnerorganisation von medico die sich für die Rechte von MigrantInnen einsetzt, ist das Zimbabwe Exiles Forum (ZEF) in Pretoria. Die Arbeit des Forums konzentriert sich auf eine Aufarbeitung von Menschenrechtsverletzungen in Simbabwe sowie eine würdevolle Behandlung simbabwischer Flüchtlinge. Neben der Dokumentation und Öffentlichkeitsarbeit zu Menschenrechtsverletzungen in Simbabwe und Versuchen, diese vor regionale Gerichte zu bringen, hat sich das ZEF seit 2008 auch mit den xenophoben Ausschreitungen gegen afrikanische MigrantInnen beschäftigt und humanitäre Hilfe für die Opfer organisiert.

Gabriel Shumba, Menschenrechtsanwalt des ZEF, kritisierte die im Nachgang der Attacken im April 2015 durchgeführten Razzien: „Wir verurteilen, dass bei den Razzien festgenommenen AusländerInnen kein Zugang zu legaler Unterstützung ermöglicht wurde. Ich bin der Meinung, dass dies im Widerspruch zur Verfassung ist. Außerdem gibt es Engpässe im Innenministerium, die die Verarbeitung und von Aufenthaltsgenehmigungen verzögern, und das zu einer Zeit wo die Regierung auf Menschen Jagd macht.“

Die AktivistInnen des ZEF zielen auf die Schaffung sicherer Lebensbedingungen für Flüchtlinge und die Verhinderung erneuter gewalttätiger Ausschreitungen gegen afrikanische MigrantInnen in den so genannten Hotspotgebieten in der Provinz Gauteng (Pretoria und Johannesburg) ab. MigrantInnen und SüdafrikanerInnen aus diesen Gebieten werden im Rahmen kultureller Veranstaltungen miteinander in Kontakt gebracht. Durch Dialog und Fortbildung werden Konfliktbearbeitungsfähigkeiten gestärkt, um Gewalt in Zukunft zu verhindern.

In Musina, einer südafrikanischen Kleinstadt an der Grenze zu Simbabwe, wo täglich hunderte Asylsuchende auf der Flucht vor Folter und Armut ankommen und in überfüllten Auffanglagern Hitze, Krankheiten und Gewalt ausgeliefert sind, setzt sich das ZEF für bessere Lebensbedingungen ein. Gleichzeitig wirkt das Zimbabwe Exiles Forum auf eine Sensibilisierung von Regierung, Nichtregierungsorganisationen, kirchlichen Einrichtungen, Medien und Gemeinden für das Thema MigrantInnenrechte und Toleranz hin, und ist in südafrikanischen Vernetzungsinitiativen zur Prävention xenophober Gewalt aktiv.

Local Governement Action

Local Government Action ist ein südafrikanisches Netzwerk aus kritischen zivilgesellschaftlichen Organisationen, das die Stärkung der menschenrechtlichen Orientierung von sozialen Protestbewegungen auf kommunaler Ebene zum Ziel hat. Soziale Ungleichheit, Korruption, Missmanagement, Klientelismus und autoritäre Tendenzen haben in vielen Kommunen zu großen Versorgungsmissständen geführt. Proteste gegen diese Versorgungsmissstände führen oft zu Gewalt zwischen Bürgern und der Polizei, und beinhalten teils auch gegen AusländerInnen gerichtete Gewalt.

Um BürgerInnen darin zu unterstützen, ihre Wut über die Unfähigkeit ihrer lokalen Regierungen jenseits von gewalttätigen Protesten zu entladen, veröffentlichte das Netzwerk ein Handbuch für AktivistInnen mit dem Titel „Making local government work“. Das Handbuch informiert über die in der Verfassung verankerten Pflichten der lokalen Verwaltung, die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser, Abwasser, Strom oder Müllabfuhr sicherzustellen.

Die AutorInnen erklären, wie sich die örtlichen Regierungen zusammensetzen und beschreiben die demokratischen Rechte der Bevölkerung an den Entscheidungen zu partizipieren. Um das Handbuch praxisrelevant zu machen, organisiert die Local Government Action Workshops, bei denen das Handbuch erklärt und diskutiert wird. Hierdurch sollen AktivistInnen darin unterstützt werden, kommunale Verwaltungen auf friedliche Weise dazu zu bringen, ihre Verantwortung wahrzunehmen und die Versorgungsstrukturen zu verbessern. Gewaltsamen Protesten zwischen Bürgerinnen und Polizei, die teils auch in xenophobe Gewalt umschlagen, soll so vorgebeugt werden.

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1 Der Gebrauch des Begriffes xenophob/Xenophobie im Deutschen ist umstritten, u.a. wird kritisiert, dass der Begriff Xenophobie (phobos – dt. Angst) die Angst vor dem Fremden naturalisiert und somit legitimiert. Im südafrikanischen Kontext ist der Begriff jedoch weniger umstritten, und wird vor allem verwendet, um eine Abgrenzung zum Begriff des Rassismus zu schaffen, da dieser vom Apartheidsrassismus besetzt ist und somit weniger zutreffend ist für die ausländerfeindlichen Ressentiments der schwarzen südafrikanischen Bevölkerung gegenüber MigrantInnen aus anderen afrikanischen Ländern.

Veröffentlicht am 13. August 2015

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