Utopischer Raum, 17.10.2019

Der lange Abschied von der weißen Dominanz

Im Rahmen des utopischen Raums stellte die Autorin und Auslandsjournalistin Charlotte Wiedemann ihr neues Buch vor.

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Das Wort „Abschied“, so Charlotte Wiedemann bei ihrer Buchvorstellung am 17. November im medico-Haus, setzt Abschiednehmende und Handelnde voraus. Im Gespräch mit Katja Maurer, Chefredakteurin des medico-Rundschreibens, unterstrich die Autorin im Laufe des Abends die Bedeutung, die dieser ersten Setzung zukommt. Es gilt demnach, gerade im Schreiben über „weiße Dominanz“, immer wieder auch die eigene privilegierte und (!) kosmopolitische Position deutlich zu machen und nachzudenken. Weiß ist dann mehr als eine Hautfarbe, vielmehr auch eine soziale Position um Haltungen und Deutungsmuster.

Weiße Dominanz zeige sich im Verbrauch von Ressourcen, in Wirtschaftsmacht und Finanzströmen, in der Deutung von Konflikten und der Geschichtsschreibung. Davon gelte es Abschied zu nehmen, also einzusehen, dass Europa und USA schon sehr bald nicht mehr die Geschicke von bald acht Milliarden Menschen kontrollieren werden. Das bedeutet auch, so Wiedemann, dass der Westen seine Definitionen von Fortschritt, Entwicklung oder Feminismus nicht länger anderen aufdrängen kann.

Vor diesem Hintergrund las die Autorin aus einigen der von ihr „Miniaturen“ genannten kurzen Kapitel ihres neuen Buches und bot dadurch neue Antworten auf vielleicht noch nicht gestellte Fragen: Wer waren eigentlich diese „Hottentotten“? Welche Bedeutung kam und kommt immer noch den 1,5 Milliarden Besucher*innen von „exotischen Menschenausstellungen“ im 19. Jahrhundert zu? Welchen Unterschied kann es machen, im Kontext von Sklavenhandel von „Transport“ oder „erzwungener Reise“ zu reden? Und was gewinnen wir, wenn wir uns in dieser Form von der Verabschiedung von der weißen Dominanz beschäftigen?

Wir gewinnen, so Charlotte Wiedemann, Zeit. Denn es gilt sich auf etwas einzustellen, was ohnehin passiert. Und wir gewinnen Format, indem wir versuchen uns dem zu stellen statt davon getrieben zu werden. Die zunehmende gesellschaftliche Verschärfung, in Hinblick auf Antisemitismus und Rechtsradikalismus, kann auch als eine Krise des extremen Weißseins interpretiert werden. Und darauf, so die Autorin, brauche es eine Antwort, aus der weißen Mitte der Gesellschaft.

Marcus Balzereit

Veröffentlicht am 19. November 2019

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