Das Wüstenfloß Westsahara

Einen weiteren Krieg verhindern...

Seit über einem Vierteljahrhundert leben die Flüchtlinge aus der Westsahara im Exil der südwestalgerischen Stein- und Geröllwüste. Das sind 160.000 Menschen: von der Weltöffentlichkeit vergessen, im Kalkül der Mächtigen ohne jede Bedeutung. Überflüssige Menschen, für die es auf ihrem wackeligen Wüstenfloß offenbar kaum eine Rettung gibt. Obwohl sie jedes Recht auf ihrer Seite haben, erhalten sie nicht recht. Als ehemalige spanische Kolonie gelten für die Westsahara die Dekolonisierungsbeschlüsse der Vereinten Nationen, die das Selbstbestimmungsrecht auch der Sahrauis garantieren. Völkerrechtswidrig hat Marokko die Westsahara annektiert und blockiert seit dem alle Bemühungen um eine politische Lösung. Aber nicht der Aggressor Marokko steht unter internationalem Druck, sondern die Flüchtlinge in der Wüste. Nachdem man sie über Jahre hinweg politisch vertröstet hat, sollen sie nun einer Lösung zustimmen, die sie in jeder Hinsicht als ungerecht betrachten: sie sollen sich Marokko unterwerfen, so der Vorschlag des Generalsekretärs der Vereinten Nationen.

Die Sahrauis fühlen sich zurecht verraten. Erst im letzten Jahr äußerten sie im Gespräch ihre tiefe Enttäuschung darüber, daß in ihrem Falle offenbar nicht die gleichen Menschenrechtsstandards gelten würden, mit denen die Welt-Politik den Krieg im Kosovo legitimiert hat. Den skandalösen Hinweis westliche Politiker, man könne auf sie keine Rücksicht nehmen, weil ihnen die »kritische Masse« fehle, empfinden sie als massive Kränkung. Und nun nehmen auch die Hilfslieferungen noch weiter ab, dank derer sie in der Wüste bereits jetzt mehr schlecht als recht überleben. Deutschland hat in diesem Jahr die direkte Unterstützung der Sahrauis mit überlebensnotwendigen Grundnahrungsmitteln völlig eingestellt, nachdem sie bereits in 2000 halbiert worden waren. Viele der Flüchtlinge sehen kaum noch einen Ausweg. Nach Jahren des besonnenen Abwartens und all den unglaublichen Anstrengungen, ohne die sie in der Wüste nie überlebt hätten, nach Jahren der Hoffnung, Gerechtigkeit ließe sich politisch durchsetzen, rufen viele von ihnen heute nach einer Rückkehr zum Krieg.

Medico will einen weiteren drohenden unsinnigen Waffengang verhindern. Die Sahrauis haben Anspruch auf Gerechtigkeit, die schon heute möglich wäre. Öffentlichkeit ist notwendig, um beispielsweise die europäische Politik zur Anerkennung der Interessen und Erwartungen der Flüchtlinge zu bewegen. Über 100 Menschen aus Deutschland haben sich medico in diesem Jahr einer Reise in die Lager angeschlossen, - und sind als »Botschafter« der Sahrauis zurückgekehrt. Sorgen wir dafür, daß die permanente Demütigung der Sahrauis gestoppt wird und die Menschen in der Wüste endlich zu ihrem Recht kommen.

Mit politischer Arbeit, umfangreichen Medikamenten- und Nahrungsmittelhilfen unterstützt medico die Sahrauischen Flüchtlinge seit über 20 Jahren. Helfen Sie mit! Stichwort: »Westsahara«.

 

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Die Armen sind arm, weil die großen Geschäfte ohne ihre Armut nicht möglich wären.

LETZTE MELDUNG, »26 Juni 2001: Die beiden großen Erdölproduzenten Total Elf Fina und KerrMcGee haben soeben Ölförderungskontrakte mit Marokko geschlossen, die sich auf die Ausbeutung der Vorkommen in den Küstengewässern der West Sahara konzentrieren. Total Elf Fina sichert sich das Recht, ein 115 000 Quadratkilometer großes Areal küstennah der Stadt Dakhla zu explorieren. KerrMcGee bohrt im Tiefwasser der Nordküste des Gebietes.«

Die West Sahara ist die letzte Kolonie Afrikas. Die Invasion der Ölmultis verstößt eklatant gegen internationales Recht, da die Vereinten Nationen die marokkanische Souveränität über die annektierten Wüstengebiete nicht anerkennen. Im Jahr 1991 codifizierten die UN: »daß die Ausbeutung kolonialer und nicht-unabhängiger Territorien durch ausländische Wirtschaftsinteressen, die im Widerspruch zu stehen zu den fixierten Resolutionen der UN, einen unstatthaften Eingriff in die Integrität und die Wohlfahrt dieser Gebiete darstellen (A/res/46/64 (11 Dec 1991)«. Die Menschen in der West Sahara Wüste werden von den gigantischen Gewinnen der Ölkonzerne keinen Pfennig erhalten. Sie haben zwar alles Recht auf ihrer Seite, aber nichts an vollzogener Gerechtigkeit.

Veröffentlicht am 01. November 2001

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