Rio de Janeiro

Massaker an den Armen

30.10.2025   Lesezeit: 3 min  
#brasilien 

Bei einer Operation gegen die kriminelle Organisation Comando Vermelho tötet die Militärpolizei über 120 Menschen in zwei Favela-Komplexen. Es ist das größte Massaker in der Geschichte Rios.

Von Mateus Murada

Unter dem Kommando von Cláudio Castro, einem Anhänger Bolsonaros, hat die Polizei des Bundesstaates Rio de Janeiro am 28. und 29. Oktober in Rio den Complexo do Alemão und den Complexo do Penha angegriffen. In diesen Gebieten leben 300.000 Menschen, vor allem Schwarze und arme Menschen. Die Aktion galt der kriminellen Organisation Comando Vermelho.

Eine Reihe von 64 Leichen liegt auf dem Boden des Viertels und der Gouverneur feiert im nationalen Fernsehen das größte Massaker in der Geschichte Rios. Und die Frage, gestellt von einem der Anführer des Viertels, Raul Santiago, hallt in allen Ecken wider: „Fühlt sich jetzt irgendjemand sicherer?“

Die Reaktion des Gouverneurs ist einfach widerlich! Es handelt sich um eine weitere Wahlkampfaktion, die den Randgebieten den Krieg erklärt. Was passiert ist, hat nichts mit öffentlicher Sicherheit zu tun, sondern ist ein Massaker an den Armen!

Frauen mit Herzinfarkten, verängstigte Menschen, Familien von Bewohner:innen und getöteten Polizisten, die am Boden zerstört sind; ein skrupelloser Gouverneur, der den schändlichen Akt noch im Fernsehen bejubelt, nachdem er den Befehl zu diesem Gemetzel gegeben hat; Kinder, die Angst haben, zur Schule zu gehen; Arbeiter:innen, die wieder einmal mit gesenktem Kopf gehen und das Gefühl haben, dass vielleicht sie das Problem sind, dass es ein Verbrechen ist, arm zu sein und dort zu leben. Das alles ist untragbar!

Und das Verbrechen, das Comando Vermelho? Das hat keinen Kratzer abbekommen! Die Polizei hat Dutzende junger Menschen ermordet, die für den Drogenhandel rekrutiert worden waren. Aber die Logistik des Drogenhandels, der Tonnen von Kokain über den Hafen von Rio nach Europa und in die Vereinigten Staaten schleust, der Handel mit Waffen und Gewehren, all das bleibt unberührt; die Geldwäschenetzwerke, die Politiker:innen, die mit diesem schmutzigen Geld finanziert werden, all das hat keinen Kratzer abbekommen.

Die Favelas raffinieren kein Kokain, sie stellen keine Waffen her und waschen auch kein Geld aus dem Drogenhandel. Was die Kriminalität wirklich erschütterte, war, als die Bundespolizei bei den Finanzunternehmen der Av. Faria Lima in São Paulo ankam, bei den Investmentfonds, die schmutziges Geld brauchen, bei den Tankstellennetzen und sogar bei den Ethanol-Fabriken. Das hat die Kriminalität erschüttert, weil es ihr an den Geldbeutel ging. 

Aber der Tod der jungen Menschen wird von den Drogenbaronen einkalkuliert, sie sind Teil des Geschäfts und des Gewinns. Nicht anders verhält es sich mit den Anhänger:innen von Bolsonaro, die Rio noch immer beherrschen und nun in den sozialen Netzwerken jubeln. Sie kalkulieren den Tod der Armen genauso ein wie mögliche Wahlgewinne. Sie stehen auf derselben Seite, der Seite des Todes!

In der Favela starben nicht nur Polizisten, Kleinkriminelle und Unbeteiligte, dort starb auch der Traum einer anderen Gesellschaft. Eine Gesellschaft, die auch in den Favelas präsent ist, um den Bewohner:innen Sozialpolitik und eine Alternative für ihre Zukunft anzubieten.

Es ist nicht hinnehmbar, dass der Staat nur mit der Brutalität und tödlichen Gewalt der Polizei in unsere Randgebiete kommt. Niemand fühlt sich hier sicherer und schon morgen gibt es neue Rekrut:innen für den Drogenhandel, während die Gewinne der Kriminellen unangetastet bleiben.

Der Text erschient zuerst auf der Seite des unabhängigen Nachrichtenportals und medico-Partners Outras Palavras.

Der Complexo da Penha zählt aktuell zu den gefährlichsten und gewalttätigsten Regionen der Stadt. Hier ist auch die medico-Partnerorganisation CEM Zuhause, die das Massaker hautnah miterleben musste. Ihre Arbeit basiert auf antirassistischen, feministischen und emanzipatorischen Grundsätzen. Insbesondere dem Team des CEM gilt in diesem Moment unsere Solidarität.

Mateus Murada

Mateus Muradas ist Poet und schreibt regelmäßig für das Nachrichtenportal des brasilianischen medico-Partners Outras Palavras. (Foto: Privat)


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