Auf der Suche nach gewaltfreien Formen des Widerstandes

Das Bündnis Local Government Action erprobt Handbuch für Aktivist_innen

„Gewalt ist die einzige Sprache, die unsere Regierung versteht. Zuerst haben wir Beschwerden geschrieben und nichts passierte. Dann wurden wir gewalttätig und unsere Probleme wurden sofort gelöst. Offensichtlich ist Gewalt die Lösung für alle Probleme.“ Diese verzweifelte Haltung eines südafrikanischen Demonstranten scheint unter Aktivist_innen in Südafrika durchaus verbreitet zu sein. In den letzten zehn Jahren hat sowohl die Zahl der lokalen Proteste und Unruhen in Südafrika als auch der Grad der Gewaltbereitschaft der Protestierenden stark zugenommen. Insbesondere seit 2009 kam es jedes Jahr zu einer hohen Zahl von gewalttätigen Ausschreitungen.

Der Widerstand entzündet sich meist an regionalen Missständen, wie ausgedehnten Ausfällen der Strom- oder Wasserversorgung, Korruption oder anderen Fällen von offensichtlichen Versagen der örtlichen Verantwortlichen. Doch statt die dringend nötigen Fortschritte für die breite Bevölkerung zu erreichen, enden die Proteste häufig in Machtkämpfen der lokalen Eliten oder entladen sich gar in fremdenfeindlichen Ausschreitungen. Das neue Machteliten entstehen, während gleichzeitig weiter große Teile der Bevölkerung mit Arbeitslosigkeit und prekären Arbeitsverhältnissen zu kämpfen haben, führt ebenso zu Konflikten, wie die Nachwirkungen der Apartheid. Nachhaltige Verbesserungen der Situation der Bevölkerung ergeben sich im Zuge der Auseinandersetzungen aber meist nicht. Die Demonstrant_innen schaffen es nicht, ihren berechtigten Anliegen auf friedliche Weise Gehör zu verschaffen.

Dies zu ändern ist das Ziel eines südafrikanischen Netzwerks aus kritischen zivilgesellschaftlichen Organisationen, der Local Government Action. Unter dem Titel ‚Making local government work’, veröffentlichte die Allianz ein Handbuch, das Aktivist_innen in Südafrika dabei helfen soll, sich effektiv dafür einzusetzen, dass die Behörden in ihrer Region ihren Verpflichtungen nachkommen.

„Die Menschen im ganzen Land sind wütend. Sie haben die Politikerinnen satt, die ihre Versprechen nicht halten“, heißt es in der Broschüre. In dieser Situation entlädt sich die Wut vieler Menschen über die Unfähigkeit ihrer lokalen Regierungen immer wieder in gewalttätigen Protesten. Dabei sollten die vergleichsweise weitreichenden, in der Verfassung garantierten Rechte der Bevölkerung eigentlich eine Möglichkeit für Aktivistinnen darstellen, auf friedliche Weise die kommunalen Verwaltungen dazu zu bringen, ihre Verantwortung wahrzunehmen. Dass dieser Weg durchaus erfolgreich sein kann, zeigt zum Beispiel die Treatment Action Campaign. Die Nichtregierungsorganisation schaffte es mithilfe von Klagen und friedlichen Protesten die südafrikanische Regierung zu zwingen, die Versorgung von AIDS-Kranken mit antiretroviralen Medikamenten entscheidend zu verbessern.

Wie es möglich ist, auf einer solchen, rechtsstaatlichen Weise lokalen Missständen zu begegnen, möchte die Local Government Action in ihrem Handbuch für Aktivistinnen darstellen. Die Broschüre informiert über die in der Verfassung verankerten Pflichten der lokalen Verwaltung, die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser, Abwasser, Strom oder Müllabfuhr sicherzustellen. Die Autorinnen erklären, wie sich die örtlichen Regierungen zusammensetzen und beschreiben die demokratischen Rechte der Bevölkerung an den Entscheidungen zu partizipieren. Um das Handbuch praxisrelevant zu machen, organisiert die Local Government Action, zu der zum Beispiel das Socio-Economic Rights Institute, Black Sash oder Section 27 gehören, Workshops, bei denen die Broschüre erklärt und diskutiert wird. Ziel ist es, politisch engagierte Menschen in Südafrika zu vernetzen und sie bei ihrem Engagement für eine Verbesserung der kommunalen Versorgungsstrukturen zu unterstützen.

Projektstichwort

medico international unterstützt die Aufklärungsarbeit der Local Government Action in Südafrika im Jahr 2012 mit 10.000 Euro. Das Spendestichwort lautet: Südafrika.

Veröffentlicht am 26. September 2012

Jetzt spenden!