Saubere Energie?

Windige Geschäfte

Wie Marokko die Rohstoffe der besetzten Westsahara plündert – und auch Siemens profitiert.

Von Bernd Eichner

Die Leitung zwischen Afrika und Europa gibt es bereits. Doch der Strom in den drei Tiefseekabeln in der Straße von Gibraltar fließt bisher nur in eine Richtung: Mit spanischer Energie werden Stromausfälle in Marokko abgefangen. Das könnte sich jedoch bald ändern. Denn in Zeiten der Energiewende und zur Reduzierung der CO2-Emmissionen lechzt Europa nach grünem Strom und Marokko hat große Ambitionen, der EU solchen zu verkaufen. So präsentiert sich das Königreich auf der Weltklimakonferenz in Marrakesch als Vorreiter für erneuerbare Energien in Nordafrika. Die Sache hat aber einen Haken: Die auf dem Klimagipfel beworbenen Windkraftparks werden nicht nur in Marokko, sondern auch in der Westsahara gebaut. Kein Staat dieser Welt erkennt Marokkos Anspruch auf die einstige spanische Kolonie an, die es seit 1975 völkerrechtswidrig besetzt hält.

In dem zum Klimagipfel erschienenen Bericht „Windige Geschäfte“ analysieren die medico-Partner von Western Sahara Resource Watch (WSRW) Marokkos Pläne, seine nationale Windenergieproduktion bis 2020 zu verdoppeln. 40 Prozent der zusätzlichen Kapazität sollen in den besetzten Gebieten erschlossen werden. Die umstrittene Energieproduktion aus Sonne und Wind in der Westsahara macht schon heute fast 7 Prozent der gesamten marokkanischen Energieproduktion aus. Legal ist das nicht. Im internationalen Recht ist verankert, dass Geschäfte in einem nicht selbst verwalteten Gebiet wie der Westsahara nicht durchgeführt werden dürfen, es sei denn, die betroffene Bevölkerung des Gebietes stimmt dem zu und profitiert von den Gewinnen. Weder das eine noch das andere ist der Fall. Der Sicherheitsrat der Afrikanischen Union (AU) verurteilte die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen in der Westsahara als „feindlichen Akt, der den Konflikt und den Kolonialismus in der Westsahara aufrechterhält“. Firmen, die in der Westsahara arbeiten, seien in anderen AU-Mitgliedsstaaten nicht mehr willkommen.

Das betrifft auch Siemens. Der Konzern ist neben der italienischen Firma Enel am stärksten in den Bau von Windenergieprojekten in der Westsahara involviert. Beide sind Partnerunternehmen der Energiefirma, die sich im Besitz des marokkanischen Königs befindet – und, welch Zufall, beide haben den Zuschlag für die Westsahara-Aufträge erhalten. „Solche Deals gehen mit einem hohen Preis für den UN-Friedensprozess in der Westsahara einher. Solange der marokkanische König selbst von der Besatzung profitiert, wird er die Bemühungen der UN zur Lösung des Westsaharakonfliktes weiter untergraben“, erläutert Erik Hagen von WSRW. Besonders das Siemens-Projekt in Foum El Qued steht in der Kritik. Die dort gebauten 22 Windräder liefern den Strom für den Abbau von Phosphat und dessen Transport von der Mine zur Küste, von wo der Rohstoff an Düngerproduzenten im Ausland exportiert wird. Auch das ist mehr als fragwürdig – aber lukrativ. Der Wert des Phosphats von drei Schiffsladungen entspricht etwa der Höhe der humanitären Hilfe, die die sahaurischen Flüchtlinge in einem Jahr erhalten. Dabei sind sie die rechtmäßigen Eigentümer der Rohstoffe.

Angesichts solcher Plünderungen der natürlichen Ressourcen fordert Western Sahara Resource Watch alle involvierten Unternehmen auf, ihre mit der marokkanischen Regierung in Verbindung stehenden Projekte in der Westsahara zu beenden. Auch die klimafreundliche grüne Energie darf Menschenrechte nicht außer Kraft setzen. Erik Hagen: „Saubere Energie muss auch mit sauberen Methoden produziert werden – rechtlich, technisch und moralisch.“

medico steht den sahrauischen Geflüchteten seit mittlerweile 40 Jahren zur Seite – durch die Stärkung der Selbstverwaltungsstrukturen in den Flüchtlingslagern in der algerischen Wüste. Daneben setzt sich medico gegen die Ausbeutung der Rohstoffe und für die völkerrechtliche Anerkennung der Westsahara ein.

Dieser Beitrag erschien zuerst im medico-Rundschreiben 4/2016. Das Rundschreiben schicken wir Ihnen gerne kostenlos zu. Jetzt abonnieren!

Veröffentlicht am 28. November 2016

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