Es gibt nur wenige Ereignisse, die uns so sehr an die gemeinsame menschliche Verletzlichkeit erinnern, wie der aktuelle Ausbruch von Ebola in Westafrika. Diese unheilbare, tödliche Erkrankung widersetzt sich den Bemühungen, sie einzuhegen und verbreitet sich stattdessen von Gemeinde zu Gemeinde und über Grenzen hinweg.
Das menschliche Leiden, die Angst und sogar die Panik betreffen sowohl Familien als auch Gemeinden, die ökonomische Not ist immens. Die größte Last liegt auf Guinea, Liberia und Sierra Leone. In Lagos (Nigeria), das mit einer Bevölkerung von zwölf Millionen Menschen eine der zwei bevölkerungsreichsten Städte des afrikanischen Kontinents ist, wurden Ebola-Erkrankungen und Todesopfer bestätigt. Zudem gibt es Berichte, die von einem Anstieg der Ebola-Erkrankungen in Senegal und der Rückkehr von Ebola in der Republik Kongo ausgehen.
Nachdem die internationale Gemeinschaft lange Zeit gescheitert ist, nachhaltige und proaktive Maßnahmen zu ergreifen, die als Antwort auf globale Gesundheitsrisiken und Pandemien (mit eingeschlossen Ebola) notwendig gewesen wären, ringt sie nun darum, eine Krise zu bewältigen. Wo waren zu gegebener Zeit die Rahmenbedingungen für globale Gesundheit, die mithilfe nationaler und regionaler Kapazitäten zur effektiven Prävention und Eingrenzung einen inzwischen unkontrollierten Ausbruch hätten verhindern können?
Eine Rahmenkonvention für globale Gesundheit
Für viele globale Bedrohungen, von der nuklearer Bewaffnung und Klimaveränderungen bis hin zu ökonomischen Themen wie Handel und Investitionen, gibt es eine Reihe verbindlicher internationaler rechtlicher Grundlagen. Es existieren jedoch lediglich sehr eng gefasste Abkommen im Kontext von Tabak und Kooperationen für den Schutz gegen die internationale Verbreitung von Krankheiten – die sich nicht zuletzt als zutiefst inadäquat für den Ausbruch von Ebola und ähnliche Pandemien erwiesen haben. Aktuelle und vergangene Ausbrüche zeigen deutlich, dass Ebola und andere Erkrankungen globale Bedrohungen sind. Es ist augenscheinlich und logisch, dass bei nichtepisodischer und nachhaltiger Förderung von globaler Gesundheit internationale rechtliche Rahmenbedingungen erforderlich sind, die Gesundheit für jedes Individuum und jede Gemeinde garantieren. Internationales Recht könnte ein solches Rahmenwerk etablieren – eine gesetzliche Infrastruktur für belastbare, reaktionsfähige und gerechte Gesundheitssysteme und für gesellschaftliches Vertrauen. Beides wird aktuell dringend benötigt. Während es zu spät ist, um die Ebola-Tragödie aufzuhalten, die sich in Westafrika abspielt, wird es in Zukunft noch weitere Gefahren in der globalen Gesundheit geben. Es ist nicht zu spät, die Macht von globalem Recht und Solidarität zur Erschaffung einer nachhaltigen und gesunden Zukunft zu nutzen. Die ärmsten Menschen der Welt müssten nicht einer außer Kontrolle geratenen Erkrankung ausgesetzt werden, wenn eine gut funktionierende Gesundheitsinfrastruktur dem zuvorkommen könnte. Wir müssen hohe Infektionsraten und niedrige Lebenswartungen, die vor allem die ärmsten Menschen der Welt betreffen, nicht akzeptieren. In Sierra Leone beispielsweise liegt die Lebenserwartung durchschnittlich bei 46 Jahren, in South Dakota in den USA bei den indigen Amerikanern der staatlichen Pine Ridge Reservation werden die Menschen durchschnittlich nicht einmal 50 Jahre.
Was wäre, wenn Länder sich gemeinsam auf eine Rahmenkonvention zu globaler Gesundheit (Framework Convention on Global Health – FGGH) einigen könnten? Dieses globale Gesundheitsabkommen würde auf dem Menschenrecht auf Gesundheit basieren und darauf abzielen, skrupellosen nationalen und globalen Gesundheitsungleichheiten ein Ende zu setzen. Mit besonderer Aufmerksamkeit für die am verletzlichsten und benachteiligten Menschen würde das Abkommen weltweit die Gesundheit und das Leben von Menschen verbessern.
Verbesserte Regierung, Krankheitsprävention und stärkere Gesundheitssysteme sind global, regional und national entscheidend – globale Gesundheit ist nur so stark wie sein schwächstes Glied. Das FCGH würde neben dem globalen und inländischen Finanzierungsrahmen zur ausreichenden und nachhaltigen Finanzierung Standards etablieren, die Gesundheitsvorsorge und zugrundeliegende Determinanten von Gesundheit betreffen. Es würde erschaffen werden, um Menschen besser darin zu befähigen, ihre Regierungen zur Verantwortung zu ziehen und an Entscheidungen teilzuhaben, die die eigene Gesundheit betreffen. Das Abkommen würde Maßnahmen zur Stärkung von Gesundheitsgerechtigkeit enthalten und die Gesundheit für marginalisierte Menschen und Bevölkerungen unterstützen (miteingeschlossen sind Reaktionen auf verschiedene Formen der Gewalt gegen Frauen).
Weiterhin würde das FCGH den Status des Rechts auf Gesundheit in anderen internationalen Regimen (wie Handel und Investitionen) verbessern. Da gesundheitsbasierte Bedrohungen keine nationalen Grenzen kennen, würden vielmehr die kollektiven Regierungsverpflichtungen bezüglich Gesundheit über nationale Grenzen hinweg geklärt werden.
Globale Gesundheit ist nur so stark wie sein schwächstes Glied. Eine umfangreiche universale Gesundheitsabsicherung bedarf ausreichender Investitionen, um zum einen mehr und zum anderen den richtigen Mix aus Gesundheitspersonal auszubilden, so dass jede Gemeinde erreicht wird. Es wird Gesundheitspersonal benötigt, das in den Gemeinden arbeitet und in der Lage ist, zeitnah ungewöhnliche Krankheitsverläufe zu entdecken und eine Brücke zu schlagen zwischen den Menschen und dem Gesundheitssystem, das ihnen zur Verfügung stehen soll. Eine gut funktionierende primäre Gesundheitseinrichtung ist erforderlich, um Patienten kompetent behandeln und betreuen zu können. Auf diese Weise kann ein qualitativ hochwertiger Service in sicheren und hygienischen Verhältnissen gewährleistet werden.
Das beinhaltet den Schutz von Patienten und Gesundheitspersonal mit Hilfe von Infektionskontrollmechanismen und Protokollen, an denen es momentan mangelt – und das mit tödlichen Folgen. Mit anderen Worten: Es hätte genau diese Art einer starken Politik für Krankheitsprävention und Gesundheitssysteme gebraucht, die momentan in vielen, darunter den von Ebola betroffenen Ländern fehlt. Dieser Mangel führt zu einer Verletzlichkeit der Menschen, die sich nicht nur beim Ausbruch von Krankheiten wie Ebola zeigt, sondern auch in alltäglichen und häufig tödlich endenden (nicht-) infektiösen Erkrankungen, Verletzungen und der Mütter- bzw. Kindessterblichkeitsrate, die im Grunde zu verhindern und behandelbar wären.
Community-Vertrauen, Teilhabe, Eigentum und Rechenschaftspflicht
Das FCGH würde sicherstellen, dass BürgerInnen an gesundheitsbezogenen Entscheidungsprozessen teilhaben und eine Gesundheitshaftung auf allen Ebenen etablieren. Dies wird die Wahrnehmung der BürgerInnen in Bezug auf ihre Teilhabe an Gesundheitspolitik und -praktiken verbessern. Es wird zur Folge haben, dass auf Gemeinden basierende Ansätze zur Partizipation in Dorfgesundheitskomitees und -teams und Gemeinde-Wertungslisten implementiert werden. Außerdem wird die Unterstützung der Gemeinde und die Solidarität während Ausbrüchen verbessert und gewährleistet – besonders für die Fallsuche und Therapieunterstützung.
Das alles sind Foren für Gesundheitspersonal in Gemeinden. Neben der höheren Qualität der Pflege, die durch eine bessere Regierung und bessere Gesundheitssysteme geschaffen wird, führt diese Verpflichtung zu einer Verbesserung des öffentlichen Vertrauens in Gesundheitssysteme. BürgerInnen würden mit Gesundheitseinrichtungen gute Qualität, fürsorgliche Anbieter und eine verbesserte Gesundheitsversorgung verbinden. Dadurch würden sie sich dem Gesundheitssystem mehr zuwenden anstatt es zu verschmähen oder zu attackieren, wie es kürzlich durch bewaffnete Attacken auf eine Ebola-Gesundheitseinrichtung durch verängstigte Mitglieder einer Gemeinde in Liberia und Nigeria geschehen ist.
Globales Vertrauen und Zusammenarbeit
Das FCGH würde zudem dabei helfen, Vertrauen zwischen den Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen aufzubauen, beispielsweise in einer Situation wie es sie bei Ebola gab, bei der die ersten drei Empfänger einer experimentellen Behandlung Amerikaner und Spanier waren. Das FCGH könnte das simple und doch revolutionäre Prinzip etablieren, dass Medizin und Impfstoffe auf Grundlage von Bedarf und mit Kriterien inklusiver partizipatorischer Prozesse statt basierend auf nationalem Wohlstand und Macht bzw. nach inexistenten oder unklaren Kriterien produziert und verteilt werden. Das FCGH könnte auch die Basis für Grundrechte und umfassende universale Gesundheitsversorgung als Teil der entwickelten Post-2015-Entwicklungsagenda formen.
Die Zukunft der Menschlichkeit sichern
Der aktuelle Ausbruch von Ebola wird nicht der letzte mit einer so plötzlich tödlichen Dringlichkeit sein – sei es Ebola, eine neue virale Belastung oder etwas noch exotischeres –, bei der schwache Krankheitsprävention und Gesundheitssysteme eine Eindämmung verhindern. Wir wissen aus der Geschichte, dass Krankheitsausbrüche mehrere Tausende und sogar Millionen von Menschen töten können. Dabei können selbst all die Fortschritte der modernen Medizin den Zugang zu einer Behandlung nicht garantieren, insbesondere da Mikroben erneut ihre Fähigkeit beweisen haben, sich zu verändern und gegenüber allen Behandlungen resistent zu sein. Das Schreckensgespenst einer katastrophalen viralen Pandemie, beispielsweise durch einen neuen Untertyp, zeichnet sich ab. Die schlimmste Pandemie trug sich 1918 zu, tötete 50 Millionen Menschen und infizierte 20 bis 40 Prozent der Weltbevölkerung. Seitdem hat die Welt die asiatische Grippe zwischen 1957 und 1958, die weltweit zwei Millionen Tote zur Folge hatte, als auch die Pandemie zwischen 1968-1970 (Hong Kong Grippe) erlebt, die verglichen mit der spanischen Grippe eher milde war, viele ältere Menschen befallen hat und insgesamt eine Millionen Todesopfer brachte. Ein aktuelles Beispiel ist der H1N1 Grippenvirus, der von Menschen, Schweinen und Vögeln übertragen wurde. Er trat im April 2009 erstmals in Mexico auf und verbreitete sich anschließend in der gesamten Welt. Während wir heute die Vorteile moderner Medizin genießen, wird andererseits durch den Flugverkehr die Verbreitung von Erkrankungen beschleunigt. Schlecht ausgerüstete Gesundheitssysteme können zudem die Vorteile medizinischer Technologien nicht im vollen Umfang nutzen.
Allerdings sollte uns Ebola in Bezug auf die täglichen Realitäten der Menschen in armen Ländern und Gemeinden auf der ganzen Welt nicht blenden. Vergleichen damit, dass es vielerorts täglich verhinderbare Todesfälle mit anderen Ursachen gibt, fällt das durch Ebola ausgelöste Leiden eher gering aus. AIDS, Tuberkulose, Malaria sowie Todesfälle bei Kindern und Schwangeren und psychische und tropische Krankheiten werden häufig vernachlässigt. Mehr als jeder dritte Tod weltweit, etwa 20 Millionen im Jahr, ist mit nationalen und globalen Ungerechtigkeit im Bereich Gesundheit verbunden.
Kein Thema betrifft die Zukunftsperspektive eines jeden Menschen auf diesem Planeten mehr als Gesundheit. Dennoch bestehen trotz moderner Fortschritte immense Ungerechtigkeiten. Ein FCGH würde ein klareres und nachhaltigeres Rahmenwerk ermöglichen mit dem Ziel der inländischen und globalen Finanzierung, der Partizipation der Gemeinden und Rechenschaftspflicht. Dabei sollen inklusive Räume für Menschen geschaffen werden, damit diese sich am Entscheidungsprozess für gesundheitliche Themen beteiligen und ihre Regierungen zur Verantwortung ziehen können.
Afrikanische Führung ist entscheidend
Keine Region der Welt leidet mehr unter dem Ausbruch von Krankheiten und der täglichen Belastung durch Erkrankungen als Afrika. Afrikanische Anführer wie die Nobelpreisträgerin und liberianische Präsidentin Ellen Johnson Sirleaf stehen momentan dem bedrohlichsten Ebola Ausbruch in ihrem Land gegenüber. Gleichzeitig könnte die liberianische Präsidentin durch ihre führende afrikanische Rolle (neben anderen von Ebola betroffenen Ländern) einen Einfluss auf die Bemühungen um die Etablierung eines FCGHs ausüben. Dies würde das Handeln der Staatschefs mehr widerspiegeln als bei dem Abuja Special Summit im Jahr 2001, das inzwischen über ein Jahrzehnt her ist. Es könnte ein Einfluss auf die Entwicklung des globalen Fonds im Kampf gegen AIDS, Tuberkulose und Malaria und die AU Abuja Verpflichtungen in Bezug auf Gesundheitsfinanzierung und Investment ausgeübt werden.
Die Kommission der afrikanischen Union hat wichtige Schritte unternommen. Beispielsweise wurden Friedens- und Sicherheitsmechanismen zur Bewältigung von Ebola betätigt, der afrikanische Union Special Emergency Fond wurde aufgefüllt und es werden im September Notfalltreffen im Gesundheitsministerium stattfinden. Langfristig müssen jedoch weitere institutionelle und nachhaltige Vorschläge aufgestellt werden.
Vorbereitende Diskussionen zum FCGH könnten auf dem Africa Regional Committee der Weltgesundheitsorganisation (bestehend aus Gesundheitsministern) in Benin kommenden September beginnen. Um eine adäquate inländische Finanzierung sicherzustellen, müssen afrikanische Finanz-, Planungs- und Entwicklungsminister sowie zuständige Minister für internationale Angelegenheiten, Entwicklung und Kooperation an der Diskussion beteiligt werden.
Der Ebola-Ausbruch zeigt, dass ökonomischer Wachstum und regionale Entwicklung angehalten werden könnten, wenn sie nicht auf gesunden Investments in gesundheitliche, menschliche und soziale Entwicklung beruhen. Der Ausbruch wird ohne Zweifel auf der Agenda des African Summit im Januar sein und es müssen auf den höchsten Ebenen Schritte unternommen werden, um ernsthaftes afrikanisches Engagement gegenüber nachhaltiger Gesundheitspolitik, -finanzierung und globaler Solidarität aufzuzeigen. Das FCGH zu fordern, wäre ein Schritt in diese Richtung.
Ein globales Rahmenwerk zur Sicherstellung des Rechts auf Gesundheit für jeden und jede wäre ein transformativer Schritt in Richtung einer globalen Gerechtigkeit. Nahezu 100 Gesundheitsmitarbeiter haben ihr Leben für den Schutz ihrer Gemeinden gegeben, eine steigende Zahl von Menschen leidet einen besonders beängstigenden und schmerzvollen Tod und ganze Gemeinden und Länder leben in Angst und Erschütterung. Welche bessere Möglichkeit gibt es, ihren Verlust und ihre Traumata anzuerkennen, als ihnen das Erbe zu vermachen, die zukünftige menschliche Gesundheit zu sichern?
Ein Beitrag von Eric A. Friedman, Lawrence O. Gostin, Mayowa Joel und Rotimi Sankore. Die Autoren sind führende Kommiteemitglieder der Platform für eine Rahmenwerkkonvention für globale Gesundheit (Platform for a Framework Convention for Global Health). Rotmi Dankore und Mayowa Joel sind außerdem Mitglieder des afrikanischen Regionalsekretariats der FCGH Plattform.
Übersetzung: Sara Kolah Ghoutschi