C-Gebiete

Von Verdrängung bedroht

Im besetzten Westjordanland verfolgt die israelische Regierung weiterhin ihre Verdrängungspolitik gegenüber der palästinensischen Bevölkerung. Bericht und Film.

Die sogenannten C-Gebiete umfassen jene 60 Prozent der Westbank, die gemäß Oslo II auch nach 1995 unter der alleinigen Kontrolle des israelischen Militärs und der „Ziviladministration für Judäa und Samaria“ verblieben – bis heute.

Gleich mehrere Male bekräftigten in diesem Jahr Premierminister Netanjahu und Mitglieder seines Kabinetts ihre Absicht, keine einzige Siedlung in der Westbank aufgeben zu wollen, als die israelische Regierung ganz offiziell „die Wiederbesiedlung Judäas und Samarias“ feierte. Beispielsweise im Siedlungsblock Gush Etzion, südlich von Jerusalem: „Wir werden unsere Wurzeln vertiefen, werden bauen, stärker werden und siedeln“, so Netanjahu. Sein Bildungsminister Naftali Bennett sieht die faktische Souveränität Israels über das 1967 eroberte Gebiet als „ein Recht, kein Almosen. Wir sind als Söhne dieses Landes zurückgekehrt, nicht als ausländische Invasoren. Selbst wenn es in der Welt dagegen Widerstand gibt, werden wir den überwinden.“

Yuli Edelstein, Knesset-Sprecher und Parteigänger Netanjahus, nannte die Unterscheidung zwischen Israel in den Grenzen vor dem 67er-Krieg und den heute kontrollierten Gebieten „die größte Lüge“. Damit wandte er sich nicht nur gegen Besatzungskritiker im eigenen Land, sondern stellte sich (wie Bennett) auch außerhalb des Konsenses der Staatengemeinschaft, den in dieser Frage (noch) das Völkerrecht reguliert.

„Es wird kein Verpflanzen von Städten mehr geben im Land Israel. […] Wir werden keine Juden oder Araber entwurzeln“, versprach Netanjahu. Angesichts seiner Politik und der Entwicklungen liest sich das wie blanker Hohn.

Neben Ost-Jerusalem sind vor allen Dingen um die Stadt herum palästinensische, teils beduinische Gemeinschaften von Zwangsumsiedlung bedroht, weil sie der Expansion bestehender israelischer Siedlungen im Weg sind. Diese sollen den Ring um die international nicht als solche anerkannte Hauptstadt Jerusalem schließen, damit eine Teilung derselben in einem künftigen Abkommen mit den Palästinensern möglichst unmöglich gemacht werden soll. Eine solche wäre bereits jetzt äußerst schwierig. Die israelische Regierung treibt hier energisch ihre Schritte voran, um sicher zu stellen, dass eine Zwei-Staaten-Lösung, wie sie sich die Palästinenser und große Teile der internationalen Gemeinschaft wünschen, alleine schon auf Grund der Unmöglichkeit der territorialen Entflechtung nicht realisierbar sein wird. Nebenbei würde der Siedlungsring die Westbank endgültig in eine Nord- und eine Südhälfte zerteilen, die palästinensische Bevölkerung weiter fragmentieren und die Kontrolle über sie erleichtern.

Das Video unseres Partners Palestinian Medical Relief Society (PMRS) lässt Menschen aus betroffenen Ortschaften zu Wort kommen. Sie erklären, unter welchen Bedingungen sie um ihr Recht kämpfen, an ihren Wohnorten bleiben zu können – und zwar unter menschenwürdigen Bedingungen.
 

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Nachdem die niederländische Regierung auf ihre Forderung beharrt hat, dass die im Film erwähnten beschlagnahmten Solarpaneele zurückgegeben werden müssen, ist dies mittlerweile geschehen. Leider bleibt das eine Ausnahme, die aber etwas Wichtiges zeigt: Wenn konsequent im Sinne des Völkerrechts Druck gemacht wird, kann man auch gegenüber der israelischen Regierung etwas erreichen, und zwar auch in Teilen der C-Gebiete, die für das Siedlungsprojekt relevant sind. Daran sollten sich andere Regierungen ein Beispiel nehmen, nicht nur um konsequent die eigenen erklärten politischen Ziele zu verfolgen, sondern auch um Maßnahmen wie das medico-Projekt mit der PMRS sinnvoll zu flankieren.

In den C-Gebieten unterstützt die PMRS seit Jahrzehnten die palästinensische Bevölkerung, seit mehreren Jahren auch mit umfassenden Mitteln des Auswärtigen Amtes und mit Spendengeldern medicos. Unsere Partner stellen beispielsweise die Basisgesundheitsversorgung an vielen Orten der Westbank sicher, davon einige in unmittelbarer Nähe von Siedlungen, Checkpoints oder Militärbasen. medico und PMRS wollen damit einerseits dazu beitragen, dass Gemeinschaften, die unter Druck gesetzt werden, damit sie abwandern, möglichst in den C-Gebieten bleiben können. Zum anderen geht es uns auch um die Realisierung des Menschenrechts auf Gesundheit – wie überall.

Veröffentlicht am 29. November 2017

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