MDC

Spürnasen gegen Landminen

Afghanistan ist eines der am stärksten mit Landminen und Blindgängermunition belasteten Länder der Welt. Weite Landesteile sind von Verminung betroffen. Insgesamt gibt es vier Millionen Afghanen in über 2.000 Gemeinden, deren Lebensraum direkt bedroht ist. Damit Felder, Schulen und Straßen wieder in Stand gesetzt und in vollem Umfang genutzt werden können, ist es nötig, die Sprengkörper in den von der Bevölkerung genutzten Gebieten zu entfernen. Seit über 20 Jahren setzt sich der medico-Partner MDC, die afghanische Nichtregierungsorganisation Mine Detection and Dog Center, vor Ort für ein minenfreies Afghanistan ein.

Rückkehr in einen sicheren Alltag

Im Zuge des Genfer Abkommens aus dem Jahre 1988, das den Abzug der sowjetischen Truppen aus Afghanistan regelte, gründete sich das MDC, das seit 2004 von medico international unterstützt wird. Den Organisationsgründern war schon damals klar, dass ein friedlicher Neubeginn und die Rückkehr zum Alltagsleben in ihrem kriegsgeplagten Land nur in Verbindung mit einer groß angelegten Minenbeseitigung erfolgen können. Die Initiatoren begannen damit, die ersten Minenräumer in den afghanischen Flüchtlingslagern im benachbarten Pakistan auszubilden und spezialisierten sich dabei auf die Arbeit mit eigens dafür ausgebildeten Minensuchhunden, den so genannten Mine Detection Dogs (MDD). Die multi-ethnische Zusammensetzung innerhalb der Organisation ist eine Besonderheit, die auf den MDC-Direktor Shohab Hakimi zurückzuführen ist. Er legt großen Wert auf Integration und achtet bei seinem Personal daher besonders auf den Ausgleich verschiedener Volksgruppen.

Für die Arbeit als Minensuchhunde kommen nur Hunde mit einem ausgeprägten Spieltrieb in Betracht, da Spielen als Belohnung für das Aufspüren von Minen eingesetzt wird. In der 18-monatigen Ausbildungszeit muss der Hundeführer seinen Hund ausgesprochen gut kennen lernen, um das Verhalten und die Körpersprache des Tieres korrekt lesen zu können. Mit 14 Tieren nahmen die Mitarbeiter 1989 ihre Arbeit auf. Mittlerweile beschäftigt das MDC gegenwärtig 1500 afghanische Mitarbeiter und hat mehr als 160 selbst gezüchtete Minensuchhunde im aktiven Feldeinsatz. Weitere 130 befinden sich noch in der Ausbildung. Mit ihrem feinen Geruchssinn schaffen sie es sogar, Plastikminen zu erkennen, deren Metallanteile so gering sind, dass kein Metalldetektor sie aufspüren kann. “Mit Hilfe der Hunde ist es möglich gewesen, die meisten Wohngegenden in Afghanistan komplett zu entminen, wodurch sich die Anzahl der Minenopfer deutlich verringert hat“, berichtet Mohammad Hamayun, afghanischer Projektkoordinator von medico international in Kabul.

Dank der Arbeit von MDC und vielen weiteren Minenräumorganisationen konnte die Anzahl der Minenopfer zwischen 2002 und 2008 um 60% reduziert werden. Derzeit werden jedoch jeden Monat noch über 40 Afghanen durch Minen getötet oder verletzt. Ungefähr die Hälfte der gesamten geräumten Fläche in Afghanistan wurde dabei vom MDC geräumt. Durchschnittlich schafft es ein MDC-Team eine Fläche von 50.000qm im Monat zu entminen. Dies entspricht circa der Fläche von 7 Fußballfeldern. „Trotzdem werden in Afghanistan noch zu viele Menschen durch Landminen verletzt. Die Minen sind weiterhin ein großes Problem“, so Hamayun.

Lebensgefährliche Arbeit

Mit ihrer Arbeit leisten die afghanischen Minenräumer einen wichtigen Beitrag zur Demilitarisierung des Landes und für die Hinwendung zu den Bedürfnissen der Menschen. Um diese Arbeit zu realisieren, riskieren die afghanischen Kollegen viel – auch ihr Leben. Seit dem von den USA geführten Kriegseinsatz 2001 gerät die Arbeit afghanischer Nichtregierungsorganisationen wie dem MDC durch die Vermischung von ziviler Hilfe und militärischen Einsätzen und ihrer Kooperation mit ausländischen Organisationen vermehrt ins Visier der Taliban.

Die Folge sind tödliche Angriffe mit zahlreichen Opfern vor allem unter den lokalen Mitarbeitern. Seit August 2007 sind allein acht MDC-Mitarbeiter bei Anschlägen und Entführungen ums Leben gekommen. In der Wahrnehmung der Taliban besteht kein Unterschied zwischen den afghanischen Minenräumern und den ausländischen Kampftruppen. Für Hamayun ist der Weg der Minenräumer zum Minenfeld mittlerweile sogar gefährlicher als die eigentliche Minensuche: „Die Taliban bekämpfen jeden der mit der ISAF kooperiert oder von westlichen NGOs unterstützt wird“.

Aufgrund der schlechten Sicherheitslage können Minen in manchen Distrikten nur noch sehr eingeschränkt geräumt werden. Einen Ausweg sucht MDC mit einer neuen Idee: dem gemeindebasierten Minenräumen. Hier werden Personen aus den jeweiligen Regionen für die Minenräumung ausgebildet, um die Akzeptanz in der Bevölkerung zu erhöhen. Durch die Einbindung in die lokalen Strukturen ist einen Räumung in Gebieten mit schwieriger Sicherheitslage möglich.

Optimistische Zukunftsaussichten

Trotz der Probleme ist Hamayun voller Hoffnung: „Ich denke die Situation in Afghanistan wird sich verbessern. Durch die Entminung der meisten Wohngegenden konnten viele Siedlungen wiederhergestellt und Straßen freigegeben werden“. Langfristig sei es das Wichtigste die hohe Arbeitslosigkeit zu bekämpfen um den Menschen eine handfeste Perspektive zu geben. „Die Menschen im Dorf wissen nicht, wer die Minen geräumt hat, aber wir sind sehr dankbar, da wir die Landwirtschaft zum Überleben brauchen“ berichtet Sabir Khan, der in einem vom MDC geräumten Dorf lebt „Auch wenn das Feld nicht genug einbringt, spielt es trotzdem eine wichtige Rolle, unseren Lebensunterhalt zu verdienen, denn die meisten Menschen hier sind arbeitslos und wir kämpfen noch immer darum, unsere Familien ernähren zu können.“ Aber auch wenn mit der Minenbeseitigung allein bei weitem nicht alle Probleme gelöst werden können, ist die Arbeit des MDC als ein wichtiger Bestandteil zum Aufbau der afghanischen Zivilgesellschaft anzusehen. Auch Hakimi, der neben seinem Amt als MDC-Direktor auch Präsident der afghanischen Minenkampagne ist, schaut standhaft in die Zukunft. Er ist bereit weiter fest entschlossen für die Entminung seines Landes zu arbeiten: „Als Afghane habe ich nur zwei Möglichkeiten. Entweder ich setze mich für mein Land ein oder ich gehe“.

Behandlungsmöglichkeiten für Frauen

Neben der Minenräumung, die weitgehend aus Mitteln des Auswärtigen Amtes gefördert wird, betreibt das MDC auch eine Poliklinik in Kabul, die seit 1998 die lokale Bevölkerung und insbesondere Frauen medizinisch betreut. Die Tagesklinik ist mit modernen Geräten zum Röntgen, für Ultraschalluntersuchungen und für EKGs ausgestattet. Ferner sind Behandlungsräume, ein voll ausgestattetes Labor und eine Apotheke vorhanden. Die Klinik ist sechs Tage in der Woche geöffnet und täglich werden dort 120 bis 150 Patientinnen und Patienten kostenfrei behandelt. Die Angebotsspanne reicht dabei von der Allgemeinmedizin, über zahnärztlichen Behandlungen bis hin zur Gynäkologie.

medico international finanziert die Arbeit einer Psychologin und einer Physiotherapeutin, die ausschließlich Frauen, darunter auch weibliche Minenopfer und Behinderte physisch und psychologisch betreuen. Die psychosoziale Beratung richtet sich, da sie kostenlos ist, insbesondere an arme Frauen. Die politisch-legale Situation und die spezifische Auslegung des Islams in Afghanistan führen zu einer besonderen Verletzlichkeit von Frauen und zu einem weitgehenden Ausschluss vom öffentlichen Leben, welcher auch den Zugang zu Programmen wie diesem extrem einschränkt. Die Eingliederung der Beratung in ein allgemeines Gesundheitszentrum ermöglicht es Frauen die Beratung anonym und unter dem Vorwand einer medizinischen Untersuchung wahrzunehmen. Zentrale Themen sind Depression, häusliche Gewalt und andere familiäre Probleme.

In Afghanistan ist es bislang nicht üblich über die psychischen Folgen des Krieges zu sprechen. Tatsächlich zeigen aber die Erfahrungen, wie nötig eine mentale Auseinandersetzung mit den Kriegsfolgen zur Stützung individueller Heilungsprozesse ist.

Der Minenopfer-Fonds

Mit Ihrer Spende finanziert medico international die aufwendige Arbeit des Minenräumens, Maßnahmen zur psychischen und physischen Rehabilitierung der Überlebenden von Minenunfällen sowie die Aufklärung der Bevölkerung über die von Minen ausgehenden tödlichen Gefahren. Diese Arbeit können Sie mit Ihrer Spende konkret unterstützen. Stichwort: Minenopfer

Veröffentlicht am 17. Februar 2011

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