Sierra Leone: Unvergänglich – und mit Blut befleckt

medico goes Hollywood? Von Anne Jung.

Nach zwei "Tatort"-Krimis, die sich mit der Minenproblematik und dem illegalen Diamantenhandel und seinen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung beschäftigten, greift nun auch Hollywood ein Thema auf, das medico in der Kampagne "Fatal Transactions” öffentlich gemacht hat. Der Hollywoodfilm "Blood Diamond"

Pünktlich zur Vorweihnachtszeit kommt ein Film in die Kinos, der sich um die begehrtesten Steine der Welt dreht: Diamanten. Die Diamantenindustrie reagiert bereits seit Monaten mit Abwehrkämpfen, denn im Zentrum von "Blood Diamond" mit Hollywoodstar Leonardo DiCaprio steht nicht die heile Welt der Reichen und Schönen, sondern der Bürgerkrieg der 90er Jahre in Sierra Leone. Die Rebellenbewegung RUF verkaufte die Diamanten an internationale Unternehmen und finanzierte so ihre Waffen.Nach Angaben der Organisation Global Witness ist es ein offenes Geheimnis, dass das südafrikanische Unternehmen De Beers über seine Büros in Guinea und Liberia mit Diamanten gehandelt hat, die aus Sierra Leone stammten. Auch in anderen afrikanischen Ländern wie Angola oder der Demokratischen Republik Kongo wurden Kriege mit Diamanten finanziert.

"Der Film bereitet uns Sorgen", klagte der Weltmarktführer im Diamantenhandel De Beers gegenüber CNN Money. Die Branche hatte gehofft, das leidige Thema "Blutdiamanten" sei endgültig aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Immerhin hatte sie sich vor einigen Jahren gemeinsam mit Import- und Exportländern nach starkem Druck auch durch die von medico mit getragene Kampagne "Fatal Transactions" im sogenannten Kimberley-Abkommen dazu verpflichtet, keine Diamanten aus Konfliktländern mehr zu handeln. Die Diamantenindustrie betont seitdem, dass es keine "Blutdiamanten" mehr gebe – das Thema des Films "Blood Diamond" sei Geschichte.

Das gilt jedoch nicht für die Opfer des Bürgerkrieges in Sierra Leone. Der Weg vom Ende der Kampfhandlungen zum Frieden ist noch weit. "In den diamantenreichen Regionen des Landes herrschen Trostlosigkeit und Verwüstung", berichtet Abu Brima vom sierraleonischen Network Movement for Justice and Development. Die Arbeitsbedingungen in den Minen grenzen an Sklavenarbeit, die Arbeiter, darunter Hunderte Kinder, erhalten meistens nicht einmal einen US-Dollar am Tag. Die Opfer des Krieges, darunter Tausende Amputierte, haben bislang keine Entschädigung enthalten.

Darüber hinaus deckten die Vereinten Nationen erst vor wenigen Wochen gravierende Lücken bei der Kontrolle des Diamantenhandels auf: Aus dem Krisenland Elfenbeinküste waren Diamanten im Wert von mehreren Millionen Dollar nach Ghana exportiert und so legalisiert worden. Hilfsorganisationen haben in der Vergangenheit immer wieder auf die Schwächen des Kimberley-Abkommens hingewiesen, das keinen effektiven Überwachungsmechanismus hat.

Es ist deshalb wichtig, dass "Blood Diamond" ein globales Problem einem internationalen Massenpublikum in Erinnerung ruft. Die Erfahrung zeigt, dass dies ein wirksamer Weg ist, die Bevölkerung zur kritischen Nachfrage anzuregen und zur Änderung von Geschäftspraktiken beizutragen. So weckte der oscarprämierte Film "Der ewige Gärtner" vor einem Jahr Aufmerksamkeit für die Menschenversuche der internationalen Pharmaindustrie in Afrika.

An "Blood Diamond" zeigt sich jedoch auch die Ambivalenz eines Engagements, das breitenwirksam über ein wichtiges Thema informieren und zugleich möglichst hohe Profite erzielen will. So sorgten die Produzenten selbst für eine geschmacklose Szene: Für den Film übernahmen 27 Waisenkinder, die im Krieg Arme oder Beine verloren hatten, die Rollen von Statisten. Allen Kindern wurden Prothesen versprochen, die sie allerdings bis heute nicht erhalten haben. Sie müssten noch bis Dezember warten, weil man damit Werbung für den Film machen wolle, erklärte die Produktionsgesellschaft Warner Bros. laut dem Informationsdienst shortnews.stern.de. Diese Instrumentalisierung der Opfer ähnelt den neuerdings so populären Hilfsprojekten von Prominenten wie Bono, die oft mehr PR-Kampagne und weniger nachhaltige Entwicklungshilfe sind (Paul Theroux, Süddeutsche Zeitung, 20.12.05). Wenn die Diamantenindustrie, die jährlich Millionenbeträge in die Werbung investiert, etwas für ihr Image tun will, dann sollte sie nicht gegen einen Film wettern, der auf ein immer noch aktuelles Problem hinweist, sondern das Kimberley-Abkommen stärken und einen Beitrag für die Opfer der diamantenfinanzierten Kriege leisten.

Veröffentlicht am 18. August 2006

Jetzt spenden!