Mahamadou Keita

Seine Universität war das Leben

Mahamadou Keita, Generalsekretär der medico-Partnerorganisation AME, arbeitete in Mali für die Rechte abgeschobener Flüchtlinge. Er ist am 22. Januar im Alter von nur 45 Jahren gestorben.

Er stand am Flughafen, wenn die Maschinen die Abgeschobenen aus Europa nach Mali zurückflogen. Er kümmerte sich um Kranke und Alte, die in solchen Situationen verwirrt und nicht selten traumatisiert in eine „Heimat“ zwangszurückkehrten, die ihnen längst fremd geworden war. Er war freundlich und aufmerksam. Er war zugewandt. Denn er kannte dieses Gefühl des Fremdseins in dem Land, wo er geboren wurde. 

Mahamadou Keita lebte selber lange Jahre in Paris. Er jobbte in Restaurants und Großküchen. Sein Aufenthaltsstatus war prekär. Er war ein Sans Papiers, er nahm an den großen Kämpfen der „Papierlosen“ im Paris kurz vor der Jahrtausendwende teil, er besetzte Kirchen und stritt öffentlich für das Recht zu bleiben. Dann verlor er und wurde abgeschoben. Aber diese Niederlage wurde sein später Sieg. Denn in Mali wiederbelebte er mit anderen im Zuge des Weltsozialforums 2006 in Bamako die Malische Vereinigung der Abgeschobenen (AME). Hier wurde er der Generalsekretär einer Selbsthilfeorganisation, die außerhalb der klientelistischen und immer wieder von Korruption und Vetternwirtschaft gekennzeichneten Parteipolitik in Mali zu einer wirklichen und mächtigen Stimme der „Unsichtbaren“ wurde.

Aufgrund seiner eigenen Abschiebungserfahrung konnte Mahamadou sich sehr gut in das Schicksal der Abgeschobenen einfühlen. „Ich war 14 Jahre lang in Paris“, erklärte er 2009 in einem Interview mit medico. „Dort gab es Elektrizität. Nach meiner Abschiebung konnte ich nicht sofort wieder in einem malischen Dorf leben, in dem es noch nicht einmal Licht gibt. Das geht vielen so, denke ich. Dazu kommt die Scham. Im Dorf kennt jeder jeden, man fragt sich: Der Typ wurde doch nach Europa geschickt, warum ist er wieder da?“ Viele Jahre kümmerte Mahamadou sich bei der AME darum, dass kranke Abgeschobene medizinisch behandelt werden, und stellte den Kontakt zu den Familien her. Da die Familien oft nicht verstehen, warum ihr Verwandter abgeschoben wurde, und denken, er sei kriminell geworden, begleitete er die abgeschobenen Migranten bei der Rückkehr in die Familien und leistete wertvolle Vermittlungsarbeit. So erklärte er zum Beispiel die Gesetzeslage und dass jeder, der keine Papiere hat, abgeschoben werden kann. Mit Kriminalität hat das nichts zu tun. Es war Mahamadou wichtig, dass die Menschen in Mali begriffen: „Es gibt keinen Grund, jemanden zu verstoßen, weil er abgeschoben wurde“.

Die AME streitet nicht nur gegen die Politik der Rückführungsabkommen mit der Europäischen Union, sondern tritt auch dafür ein, dass die malischen MigrantInnen BürgerInnen eines Landes mit einem Recht auf Freizügigkeit sind. Kaum jemand konnte dies so gut formulieren wie Keita. Denn seine Universität war das Leben. Und wenn er in Europa auf Veranstaltungen sprach, so begann er seine Rede nicht selten mit dem Satz: „Ich bin ja kein Intellektueller, aber ich meine…“, um dann seinen ZuhörerInnen zu erklären, warum Menschen fliehen, was ihre Gründe sind, wie sie versuchen ihre Not zu besiegen, wie sie scheitern, aber wie sie es manchmal eben auch schaffen können. Ihm war wichtig zu sagen, dass nicht die „illegalen“ MigrantInnen Schuld an ihrem Status sind, sondern dass die Ungerechtigkeit der Verhältnisse, die Armut und Aussichtslosigkeit in ihren Heimatregionen und die skandalösen internationalen Handelsbeziehungen verantwortlich sind für ihren Wunsch zu gehen. Darin sind sich medico und unser Partner in Mali, die AME, einig, darin war waren wir uns mit Mahamadou Keita immer sehr nah.

Mahamadou Keita starb nach einer längeren schweren Krankheit am 22. Januar 2016 im Alter von nur 45 Jahren. Eine Behandlung in Paris scheiterte. Aber es gelang ihm noch mit Unterstützung vieler solidarischer FreundInnen nach Mali zurückzukehren und im großen Kreis von Familie und WeggefährtInnen zu sterben. Mahamadou Keita hinterlässt eine Frau und zwei Töchter im Alter von zwei und sechs Jahren.

Veröffentlicht am 25. Januar 2016

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