Was brauchen Menschen und Gesellschaften, um vergangene Menschenrechtsverletzungen angemessen aufarbeiten zu können? Diese Frage ist – siehe Syrien – hochaktuell. Neu ist sie nicht. medico engagierte sich schon in den 1990er-Jahren angesichts von Diktaturen und Bürgerkriegen für das, was Transitional Justice genannt wird. Unterstützt wurden Partnerorganisationen, die gegen das Verdrängen und für ein Ende von Straflosigkeit kämpften, von Angola über Guatemala bis Nordirak. Die Haltung dabei: Ohne Gerechtigkeit keine Versöhnung. All das war Neuland, kritische Reflexion nötig. Dazu beitragen wollte die medico-Konferenz „Die Gewalt überleben. Psychosoziale Arbeit nach Krieg und Diktatur“ im Sommer 2000. Ein Report dokumentierte den internationalen Austausch. Das kurz darauf erschienene rundschreiben stellte die südafrikanische Erfahrung in den Fokus: Eine 1996 eingesetzte Wahrheits- und Versöhnungskommission untersuchte die Verbrechen während der Apartheid. Jenseits des Strafrechts sollte sie Opfer und Täter in „Dialog“ bringen, Versöhnung ermöglichen und einen Bürgerkrieg verhindern. Tausende legten Zeugnis ab, Schmerz und Wut erhielten Raum, Unrecht und Schuld wurden öffentlich. Gleichwohl blieben viele Taten verschwiegen, Täter auf ihren Posten und Opfer benachteiligt, zumal Entschädigungszahlungen nur wenige erreichten. Die Vergangenheit war nicht vergangen.

„Reconciliation goes with a package“, heißt es im rundschreiben. In diesem Geiste pochten Opfergruppen wie die von medico unterstützte Khulumani Support Group weiter auf Reparationen. Druck erzeugte auch die Kampagne für Entschuldung und Entschädigung im südlichen Afrika. Eine in den USA eingereichte Entschädigungsklage gegen Konzerne, die von der Apartheid profitierten, wurde 2013 abgewiesen. Ein Rückschlag, aber nicht das Ende. Khulumani gibt es noch, den Kampf um Gerechtigkeit allemal, fortgesetzt von einer neuen Generation. Allerdings gibt es auch neue Gegner. Wegen eines Gesetzes, das die Enteignung von Land zum Ausgleich des Unrechts der Apartheid-Ära ermöglichen soll, haben die USA im Frühjahr Sanktionen gegen Südafrika verhängt.

 

Das rundschreiben erscheint seit 1982. Die vergangenen 25 Jahre lassen sich digital nachlesen: medico.de/rundschreiben-archiv