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Erfahrungen einer medico-Gruppe

01.04.08   Lesezeit: 5 min

Ein Interview mit Andrea Weber, Nürnberger Unterstützerin und Mitglied des Stiftungsvorstands

Seit fast vier Jahren gibt es in Nürnberg eine medico-Gruppe. Was sind eure aktuellen Pläne?

Wir würden gern in diesem Jahr die Veranstaltung, die ihr in Frankfurt über die Psychoanalytikerin Marie Langer macht, auch in Nürnberg durchführen. Denn bei uns gibt es einen großen Personenkreis, der sich für die psychosozialen Themen interessiert. Der ehemalige Leiter der Klinik für Psychosomatik, Prof. Dr. Pontzen, unterstützt medico seit langem. Auch deshalb gibt es einen Kreis von interessierten Psychotherapeuten und Psychiatern, die die Arbeit von medico verfolgen.

Eine solche Veranstaltung durchzuführen, ist eine Herausforderung für eine ehrenamtliche Gruppe. Wie stellt ihr sicher, dass genügend Leute einen solchen Abend besuchen?

Wir haben bereits drei Veranstaltungen durchgeführt. Unsere Erfahrungen waren rundweg positiv. Wir konnten Verteiler der Stadt und verschiedener anderer aktiver Gruppen nutzen. Und wenn es sich um fachliche Themen wie das psychosoziale handelte, dann haben wir uns auch an die Fachgesellschaften gewandt. Außerdem hat jeder in seinem persönlichen Umfeld geworben. Das reichte, um die Veranstaltungen zu füllen.

Wie viele Mitglieder hat eure Gruppe?

Wir sind sieben Aktive und drei oder vier, die immer mal wieder vorbeischauen. Wir haben es uns zum Prinzip gemacht, dass jeder selbst entscheiden kann, wie viel Engagement er investieren kann und möchte. Das hängt schließlich von der privaten und beruflichen Situation jedes Einzelnen ab. So gibt es natürlich ein paar, die sehr aktiv sind, und andere, die sich nur zeitweilig engagieren. Wir haben uns in dieser Hinsicht auch erst finden müssen. Am Anfang haben wir sehr viele Strukturdebatten geführt: Braucht man einen Kassierer? Sollen wir einen Vorsitzenden wählen? Am Ende entschied sich die Mehrheit dafür, es so formlos zu handhaben wie möglich. Das gelingt auch. Wir sind erfolgreich auch ohne solche Strukturen. Und das erlaubt jedem Einzelnen von uns, immer wieder abzuwägen, wie viel Zeit er oder sie investieren kann.

Wie oft trefft Ihr euch?

Ein Mal im Monat.

Habt ihr so etwas Formelles wie einen Jahresplan?

Wir stellen einen Jahresplan für mindestens ein Jahr auf. In Nürnberg gibt es alle zwei Jahre das Menschenrechtsfilmfestival – eine fest Institution in der Stadt. Daran richten wir einen Teil unserer Öffentlichkeitsarbeit aus. Das erste Mal haben wir während des Festivals eine Veranstaltung mit Thomas Gebauer und dem Fernsehjournalisten Christoph Maria Fröder zu den neuen Kriegen und deren medialer Vermarktung organisiert. In diesem Zusammenhang haben wir den Film „Schildkröten können fliegen“ von Bahman Ghobadi gezeigt, den medico in Deutschland stark promotet hat. Im Oktober vergangenen Jahres, zwei Jahre später, haben wir den Film „Der große Ausverkauf“ von Florian Opitz gezeigt und mit Thomas Gebauer und Sven Giegold dazu eine Podiumsdiskussion gemacht. Der Raum war richtig überfüllt. Solche Art von Veranstaltungen führen wir etwa alle zwei Jahre durch. Dazwischen richten wir unser Programm auch nach dem aus, was sonst in Nürnberg stattfindet. 2006 war ein großer IPPNW-Kongress, in diesem Rahmen haben wir eine Veranstaltung zum Thema des globalen Zugangs zu Gesundheitsressourcen angeboten. Auch dass wir unsere Veranstaltungen immer im Rahmen solcher Ereignisse verorten, sichert uns Publikum.

Aber wir haben selbstverständlich auch ein kontinuierliches inhaltliches Gruppenleben. Wir setzen uns mit medico-Themen auseinander. Zum Beispiel mit unterschiedlichen Hilfskonzepten. Dazu laden wir Leute ein und bilden uns entwicklungspolitisch fort. Wir würden uns gern näher mit den Projekten im psychosozialen Bereich beschäftigen. Dazu sind wir bislang nicht einmal gekommen.

Ich sollte euch von meiner Nicaragua-Reise und der psychosozialen Arbeit unter diesen extremen Armutsbedingungen berichten.

Ja, daran sind wir sehr interessiert! Nürnberg hat eine gut funktionierende Städtepartnerschaft mit San Carlos in Nicaragua. Das stieße hier sicher auf Interesse. Ich habe außerdem eine Rede von Walter Schütz, dem ehemaligen medico-Koordinator in Nicaragua, gelesen, die er in der deutschen Botschaft gehalten hat. Darin wirft er viele spannende Fragen über Armut und ihre psychischen Folgen auf. Das ist gerade für unsere Gruppe sehr interessant, weil wir zu fast drei Vierteln als Ärzte und Psychologen arbeiten.

Könntest du anderen, die vielleicht auch eine ähnliche Gruppe gründen möchten, ein paar Tipps, geben?

Wichtig ist der Zeitpunkt. Bei uns befanden sich alle Gründungsmitglieder gerade in einer Lebensphase, in der sie beruflich ganz zufrieden und ihre Kinder aus dem Haus waren. Wir alle hatten ein bisschen mehr Freizeit, um das anzugehen, was uns schon immer interessiert hat. Genau zu diesem Zeitpunkt hat medico dazu aufgerufen, Unterstützergruppen zu bilden. Auch dank der begleitenden Hilfe aus Frankfurt hat sich die Gruppe dann so positiv entwickelt.

Ihr habt euch aber schon vorher gekannt?

Das ist richtig. Viel lief über persönliche Bekanntschaften. Nachdem die Gruppe dann gegründet war, haben die Mitglieder wiederum andere im Freundes- und Bekanntenkreis angesprochen. Eine erfolgreiche Auftaktveranstaltung ist natürlich auch hilfreich. Da kamen weitere Interessenten hinzu. Außerdem hatten wir gleich das Gefühl, lokal etwas bewirken zu können.

Ehrenamtliche Gruppe und professionelle Zentral in Frankfurt – gibt es da ein Konfliktfeld?

Für mich persönlich ist der Kontakt zum medico-Büro in Frankfurt einfach. Ich kenne viele persönlich. Wir haben einen guten Draht. Wenn ich unsicher bin, rufe ich Gudrun Kortas an. Dass wir euch kannten, hat sicherlich das Verhältnis zu euch unkomplizierter gestaltet, als es normalerweise vielleicht der Fall wäre.

Hat sich dein Blick auf die medico-Arbeit verändert, seit du aktive Unterstützerin bist?

Ich habe mich sicher noch intensiver mit den medico-Themen beschäftigt. Es ist ein Unterschied, ob man alleine liest oder die Dinge gemeinsam diskutiert. Mich befriedigt es sehr, mit unserer Öffentlichkeitsarbeit konkret etwas tun zu können. Ich bin Psychotherapeutin und mein beruflicher Alltag beschäftigt sich sehr häufig mit individuellen Konflikten und Problemen. Mir hat der Blick auf den größeren Zusammenhang in meiner Arbeit ohnehin gefehlt. Die medico-Gruppe ist für mich in gewisser Weise ein Ausgleich zu meiner sonst beruflich bedingt sehr auf das Individuum konzentrierten Arbeit.

Das Interview führte Katja Maurer

Global Denken - Lokal Handeln

Wenn auch Sie eine Veranstaltung zu einem medico-Thema vor Ort durchführen wollen, oder Kontakt zu anderen medico-Unterstützern aufnehmen möchten, oder überlegen, eine Unterstützergruppe zu gründen – wir sind Ihnen dabei gern behilflich. Das geschieht aus Eigennutz. medico international ist dringend auf die Unterstützung durch lokale Initiativen angewiesen. Für alle Fragen ist Ihre Ansprechpartnerin Gudrun Kortas, Tel. 069-9443828, kortas@ medico.de

 


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