Ostafrika

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Wirbelsturm Idai hat die chronische Gesundheitskrise in den betroffenen Ländern katastrophisch verschärft. Die Hilfe muss die Situation insgesamt verbessern.

Von Anne Jung

Wirbelsturm Idai schlug eine Schneise der Verwüstung durch Mosambik, Malawi und Simbabwe. Die Zahl der Todesopfer ist alarmierend hoch, Unzählige sind obdachlos, ganze Landstriche überflutet, die Ernte ist zerstört. Infrastrukturen für Trinkwasser und Sanitär sind ebenso zusammengebrochen wie die Gesundheitsversorgung. Auf verheerende Weise hat Idai die Missstände in diesen Bereichen offengelegt und katastrophisch verschärft. Denn die drei ostafrikanischen Länder gehörten schon vorher zu den Schlusslichtern auf dem Index für menschliche Entwicklung, der u.a. Indikatoren für Bildung, Gesundheit und Einkommen abbildet. Von 186 gelisteten Ländern steht Simbabwe auf Platz 156, Malawi findet sich auf Platz 171 und Mosambik auf Platz 180.

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„Die öffentlichen Gesundheitseinrichtungen waren ein letzter Puffer zwischen den Menschen und den tödlichen Folgen von Krankheiten“, erklärt Itai Rusike, Geschäftsführer der Community Working Group on Health (CWGH) aus Simbabwe im Gespräch mit medico kurz nach dem Wirbelsturm. „Die massive Zerstörung verschärft die Lage für die armen Menschen und macht sie extrem verwundbar.“ Die medico-Partnerorganisation hat schnell Gesundheitsteams in den betroffenen Distrikten Chipinge, Chimanimani, Chiredzi und Masvingo mobilisieren können. Doch trotz ihres guten Netzwerkes und der langjährigen Erfahrung, medizinische Grundversorgung auf Gemeindeebene zu organisieren, wird CWGH nicht in die staatliche und internationale Katastrophenhilfe einbezogen. Zivilgesellschaftliche Selbstorganisation wird ignoriert statt unterstützt.

CWHG leistet nicht nur Gesundheitshilfe und versorgt Menschen mit Überlebensnotwendigem, die Organisation macht auch Druck auf die Behörden. Um etwa ein weiteres Ansteigen der Cholerafälle und eine zusätzliche Malariakrise abzuwenden, müssten Moskitonetze verteilt und der Zugang zu sauberem Trinkwasser gewährleistet werden. Vor allem aber fordern sie Mitsprache: „Simbabwer sind keine bloßen Zahlen von Todesfällen durch Zyklone. Wir sind Menschen, die ein Recht auf Gesundheit haben. Wir fordern die Regierung dazu auf, die Menschen wieder in den Mittelpunkt zu rücken und die Gemeinden in ihre Notfallpläne einzubeziehen“, so Rusike. Und er denkt bereits an morgen: „Es geht jetzt auch darum, die Katastrophenvorsorge und die Basisgesundheitsversorgung insgesamt zu verbessern.“

Systematisch herabgewirtschaftetes Gesundheitssystem

Die Basisgesundheitsversorgung verbessern – das klingt angesichts der schweren Verwüstungen durch den Wirbelsturm so wenig dramatisch, dass man den Satz fast überliest. Dass Itai Rusike damit ein Thema von überlebenswichtiger Bedeutung anspricht, zeigt ein Blick auf das Gesundheitssystem in Simbabwe. In der Hauptstadt Harare gab es erst im Januar dieses Jahres massive Streiks von Ärztinnen und Ärzten, die darauf aufmerksam machten, wie herabgewirtschaftet das einst vorbildliche öffentliche Gesundheitssystem von Simbabwe inzwischen ist. Das war nicht immer so: In den frühen 1980er Jahren hatten 85 Prozent der Bevölkerung Zugang zu medizinischer Versorgung in nächster Nähe. Das Musterbeispiel für eine partizipativ ausgerichtete Basisgesundheitsversorgung (Primary Health Care) sicherte den Menschen nach der Überwindung des rassistischen Regimes Süd-Rhodesiens eine Versorgung im Krankheitsfall.

Eine fatale Kombination aus schlechter Regierung und von außen auferlegter Strukturanpassungsprogramme sowie verfehlter internationaler Schuldenpolitik haben dazu geführt, dass heute die Ärztinnen und Gesundheitsarbeiter weniger als 30 Prozent der Medikamente zur Verfügung hätten, die auf Simbabwes Liste mit grundlegenden Medikamenten, der Essential Drugs List, aufgeführt sind. Die Strukturanpassungsprogramme von IWF und Weltbank zwangen die Regierung in den späten 1980er Jahren zu drastischen Einschnitten in der sozialen Infrastruktur, vor allem im Gesundheitsbereich. Die Arbeitsbedingungen verschlechterten sich, gut ausgebildetes Gesundheitspersonal verließ das Land. Vor allem Großbritannien rekrutierte diese Leute regelrecht, denn in Folge der neoliberalen Privatisierungspolitik wuchs der Bedarf nach billigen Arbeitskräften im britischen Gesundheitswesen. Durch diesen Brain Drain in Simbabwe und anderen afrikanischen Ländern verschlechterte sich die medizinische Versorgung immens.

In der Katastrophe multiplizieren sich die tödlichen Auswirkungen einer verfehlten Gesundheits- und Wirtschaftspolitik, die partikulare Interessen vor die Grundbedürfnisse der Bevölkerung stellt. Klar ist, dass es in diesen Tagen viel leichter möglich wäre, eine großflächige Ausbreitung von Cholera zu verhindern, wenn es Zugang zu sauberem Wasser gäbe und wenn gut geschultes Gesundheitspersonal die Bevölkerung über Infektionswege aufklären, klare Diagnosen stellen und die Erkrankten behandeln könnte. Cholerakranke brauchen eine schnelle und zuverlässige Behandlung, um den Wasserverlust durch starken Durchfall auszugleichen. Viel mehr als Infusionen und eine sichere Entsorgung der Exkremente wäre gar nicht notwendig, um Leben zu retten. Dass dies nicht möglich ist, bedeutet eine eklatante Verletzung des Rechts auf den bestmöglichen Zugang zu Gesundheit.

Gesundheitspolitik hat immer auch eine globale Dimension

Angesichts des Klimawandels, der auch und gerade die Gesundheit der Menschen beeinträchtigt (nicht nur durch solche Naturkatastrophen), angesichts weltwirtschaftlicher Verhältnisse, die über bi- und multilaterale Handelsverträge, die Patentierung von Medikamenten und die Abwerbung von Fachpersonal vielfältigen Einfluss auch auf die nationalen Gesundheitssysteme nehmen, steht außer Frage, dass Gesundheitspolitik immer auch eine globale Dimension hat.

In diesem Sinne fördert medico globale Netzwerke, deren Aktivist*innen auf lokaler Ebene das Recht auf die bestmögliche Gesundheitsversorgung einfordern. Dazu gehört auch die Community Working Group on Health in Simbabwe, die sich an der Nothilfe für die Flutopfer beteiligt und die politische Aufklärungsarbeit auch in der Katastrophe fortsetzt. Dazu sind wir dringend auf weitere Spenden angewiesen.

Spendenstichwort: Wirbelstürme Südostafrika

Veröffentlicht am 02. April 2019

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