Keine halben Sachen

Zehn Jahre nach dem Verbot von Antipersonenminen folgte ein Verbot von Streumunition. Ein umfassendes Verbot aller Minen und minenähnlicher Waffen muss weiter erstritten werden.

15.03.09   Lesezeit: 5 min

Mit Inkrafttreten des Ottawa-Vertrages 1999 wurden Einsatz, Entwicklung, Herstellung, Lagerung und Weitergabe von Antipersonenminen verboten. Zehn Jahre nach dem historischen Vertrag wurde auf Initiative der norwegischen Regierung und zivilgesellschaftlicher Organisationen ein ähnlich bedeutendes Abkommen zum Verbot von Streumunition (Convention on Cluster Munitions, CCM) verabschiedet. Doch Antifahrzeugminen und andere minenähnliche Waffen sind in diesem Verbotsabkommen nicht eingeschlossen.

Streumunition…

Seit 1995 forderten die im Aktionsbündnis Landmine.de* zusammengeschlossenen Organisationen im Rahmen der Internationalen Kampagne gegen Landminen ein Verbot aller Minen und minenähnlichen Waffen.

Streumunition z.B. wird entweder in Form von Streubomben von Flugzeugen abgeworfen oder mittels Haubitzen und Raketen weiträumig verstreut. Fatal sind nicht nur die direkten Auswirkungen der Munition bei ihrem Einsatz, sondern vor allem auch die Langzeitfolgen, die diese Waffenart durch ihre hohe Fehlerquote mit sich bringt: Streumunitionsblindgänger unterscheiden nicht zwischen Freund und Feind und gefährden und töten fast ausschließlich Zivilisten. Militärexperten berichten, dass die Blindgängerquote von Streumunition bis zu 40% betragen kann und dass Blindgänger bei Berührung sehr leicht explodieren können. Somit kann Streumunition de facto wie eine Landmine wirken und gefährdet vor allem Kinder, die neugierig nach den Waffen greifen, welche nicht selten in Vorgärten herumliegen. Schätzungen zufolge sind in den letzten Jahren ca. 100.000 Personen – zu 98% Zivilisten – Opfer dieser Sprengsätze geworden. Nicht explodierte Streumunition verwandelt ganze Landstriche über lange Zeit in unbegehbare Zonen. Sie stellt für die Bewohner/innen ländlicher Gebiete bei der täglichen Arbeit und für Menschen auf der Flucht vor dem Krieg eine tödliche Gefahr dar.

…ist seit Kurzem verboten

Nachdem der Versuch scheiterte, ein Streumunitionsverbot innerhalb der UN-Waffenkonvention (CCW) durchzusetzen, rief die norwegische Regierung 2007 gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Organisationen dazu auf, innerhalb von zwei Jahren einen völkerrechtlich bindenden Vertrag außerhalb des UN-Rahmens – wie auch das Ottawa-Abkommen – für das Verbot von Streumunition durchzusetzen. Trotz erheblicher Widerstände einiger Staaten, darunter Deutschland, die im Interesse ihrer Rüstungsindustrien den sogenannten Oslo-Prozess blockierten und den Vertragsentwurf zu verwässern drohten, einigte sich die Koalition auf ein Abkommen. Im Dezember 2008 wurde das Streumunitionsverbot CCM schließlich in Oslo von 94 Staaten unterzeichnet und tritt in Kraft, wenn mindestens 30 Länder den Vertrag ratifiziert haben.

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Das Abkommen verbietet Einsatz, Entwicklung, Herstellung, Lagerung sowie Import und Export sämtlicher Streumunitionstypen. Alle unter das Verbot fallenden Bestände müssen innerhalb von zehn Jahren vernichtet werden. Wie auch schon der Ottawa-Vertrag enthält die CCM zudem verbindliche Bestimmungen zur Opferfürsorge, Räumung von explosiven Streumunitionsrückständen sowie internationaler Zusammenarbeit und Unterstützung.

Der bindende Charakter und die umfassenden humanitären Verpflichtungen machen die CCM nach dem Ottawa-Abkommen zum wichtigsten Meilenstein auf dem Weg zur Ächtung aller Minen.

Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hob die Rolle der Nichtregierungsorganisationen und sozialen Bewegungen im Oslo-Prozess hervor und betonte, "dass wir gute Ergebnisse erzielen können, wenn gleichgesinnte Länder und die Zivilgesellschaft ihre Kräfte bündeln."

Ein großer Schwachpunkt der CCM ist allerdings, dass es Vertragsstaaten erlaubt ist, weiterhin an gemeinsamen militärischen Einsätzen mit Nicht-Vertragsstaaten wie den USA, Russland oder China teilzunehmen, die diese Streumunition einsetzen. medico international fordert im Rahmen des Aktionsbündnisses Landmine.de, diese Ausnahme nicht zuzulassen, denn sie widerspricht dem festgeschriebenen Verbot, mit dem sich die Vertragsstaaten verpflichten, unter keinen Umständen Streumunition einzusetzen oder andere dabei zu unterstützen.

Antifahrzeugminen müssen endlich verboten werden

Die Verbote von Antipersonenminen und Streumunition sind zwei wichtige politische Erfolge, die jedoch die Weiterentwicklung der Minentechnologie nicht stoppen konnten. Dieser Innovationsprozess hat zur Folge, dass nicht mehr eindeutig unterschieden werden kann zwischen Minen, die zur Tötung oder Verwundung von Menschen entwickelt wurden, und solchen, die als Antifahrzeugminen bezeichnet werden. Bestimmte Typen von Antifahrzeugminen sind auf eine doppelte Verwendbarkeit ausgerichtet; sie können sowohl durch Personen als auch durch Fahrzeuge ausgelöst werden. Landminen, die in erster Linie auf die Zerstörung von Fahrzeugen ausgerichtet sind, beinhalten die unterschiedslosen, gegen Personen gerichteten Wirkungsweisen von Antipersonenminen. Zum Beispiel in Form eines "Aufhebeschutzes", einem Mechanismus, der die Mine zündet, sobald jemand diese bewegt bzw. berührt, oder durch Zünder, die so empfindlich sind, dass diese z.B. auf Kontakt oder Annäherung einer Person reagieren. Ob und in welchem Ausmaß diese Waffentechnologien produziert oder eingesetzt werden und wurden, bleibt bislang häufig im Verborgenen.

Schon kurz nach Inkrafttreten des Ottawa-Vertrags haben einige Regierungen deshalb diese sog. "sensitiven" Antifahrzeugminen aus ihren Lagerbeständen entfernt bzw. Gesetze verabschiedet, welche Antifahrzeugminen in bestehende Verbote von Antipersonenminen aufnehmen. In vielen Ländern sind diese Waffen jedoch nach wie vor im Einsatz und untergraben so das Minenverbot des Ottawa-Abkommens.

Erfreulicherweise wächst die Zahl der Staaten, darunter Norwegen, Holland oder Südafrika, die auch Fahrzeugminen, welche von Personen ausgelöst werden können, verbieten. Die große Mehrheit der Staaten, die das Abkommen zum Verbot von Streumunition unterzeichnet hatten, sprach sich für Verhandlungen über einen neuen Verbotsvertrag für Antifahrzeugminen aus.

medico international unterstützt als Mitglied des Aktionsbündnisses Landmine.de diese Position und fordert die Bundesregierung auf, unverzüglich ein umfassendes Verbot aller Minen zu beschließen und sich dafür einzusetzen, diesem Verbot auch international Geltung zu verschaffen.

Unterstützen Sie die Kampagne zum Verbot von Landminen und minenähnlichen Waffen. Wie Sie sich engagieren können.

  * Im März 1995 wurde das Aktionsbündnis Landmine.de als Teil der International Campaign to Ban Landmines (ICBL) gegründet. Das Aktionsbündnis ist Mitglied der ICBL und hat maßgeblich am Zustandekommen des Ottawa-Übereinkommens über das Verbot von Antipersonenminen mitgewirkt. Die Mitgliedsorganisationen des Aktionsbündnisses landmine.de: Bayerischer Landesverband des Katholischen Deutschen Frauenbundes (KDFB), Brot für die Welt, Christoffel Blindenmission, Deutsche Kommission Justitia et Pax, Deutsche Welthungerhilfe, Deutscher Caritasverband, Diakonie Katastrophenhilfe, EIRENE-International, Handicap International, Kindernothilfe, medico international, Misereor, OXFAMDeutschland, Pax Christi, Solidaritätsdienst International (SODI), terre des hommes, UNICEF-Deutschland.


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